Zahl der Toten bei Sturzfluten in Spanien steigt auf mehr als 60
Stand: 30.10.2024 16:04 Uhr
Innerhalb eines Tages fiel in Teilen Spaniens so viel Regen wie sonst in einem Jahr. Sturzfluten rissen Autos mit und verwandelten Straßen in Flüsse. Allein in der Provinz Valencia gab es laut Behörden mehr als 70 Tote.
Bei der schwersten Flutkatastrophe in Spanien seit fast 30 Jahren sind Dutzende Menschen ums Leben gekommen. In der Provinz Valencia gab nach Behördenangaben mindestens 72 Todesopfer. Zudem werden weitere Menschen vermisst.
Einige Menschen seien noch immer an unzugänglichen Orten eingeschlossen, sagte der Chef der Regionalregierung, Carlos Mazón. Er fügte hinzu, dass es "absolut unmöglich" sei, bestimmte Katastrophengebiete zu erreichen. "Wenn die Rettungsdienste nicht angekommen sind, liegt das nicht an einem Mangel an Mitteln oder Bereitschaft, sondern an Zugangsproblemen."
In der benachbarten Region Kastilien-La Mancha wurde eine 88-jährige Frau tot geborgen, wie spanische Medien berichteten. Auch dort gibt es mehrere Vermisste.
Mehr als 1.000 Soldaten im EinsatzStarke Regenfälle hatten seit gestern in weiten Teilen im Osten und Süden Spaniens heftige Sturzfluten ausgelöst. Autos wurden von den Wassermassen fortgeschwemmt, Städte standen unter Wasser. Mehr als 1.000 Soldaten sind in den betroffenen Gebieten im Einsatz.
Zahlreiche Videos, die in der Nacht auf Online-Plattformen geteilt wurden, zeigten Menschen, die von den Fluten eingeschlossen wurden. Einige kletterten auf Bäume, um nicht von den Wassermassen mitgerissen zu werden. Rettungskräfte suchten auch im Dunkeln mit Schlauchbooten die Fluten ab und retteten mehrere Personen.
Es kam auch zu massiven Beeinträchtigungen im Bahn- und Autoverkehr. Nahe Málaga entgleiste ein Hochgeschwindigkeitszug mit fast 300 Menschen an Bord. Nach Angaben der Bahngesellschaft wurde niemand verletzt. Auch mehrere Autobahnen und Bundesstraßen sind weiterhin gesperrt. An zahlreichen Schulen und Universitäten fiel der Unterricht aus.
Sánchez: Flut ist noch nicht vorbeiSpaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez sicherte den betroffenen Menschen Hilfe zu. Es würden alle nötigen Maßnahmen ergriffen. Zugleich rief er zur Vorsicht auf: Die Flut sei noch nicht vorbei, sagte Sánchez vor einer Sitzung des von der Zentralregierung eingerichteten Krisenstabs, der Rettungseinsätze koordinieren soll.
Es ist die schwerste Flutkatastrophe in Spanien seit 1996, als bei Überschwemmungen nahe der Ortschaft Biescas in den Pyrenäen 87 Menschen starben und 180 verletzt wurden.
Deutschland und EU sichern Hilfen zuBundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich schockiert. "Ich bin erschüttert über die Berichte aus Spanien, wo viele Menschen bei massiven Überschwemmungen ihr Leben verloren haben", schrieb der Kanzler auf dem Kurznachrichtendienst X. "Wir stehen im Austausch mit der spanischen Regierung, was mögliche Hilfeleistungen angeht."
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte Spanien Hilfe in Aussicht. Die EU habe ihr Copernicus-Satellitensystem aktiviert, um die Rettungsteams mit Aufnahmen zu unterstützen. Zudem habe die Kommission der spanischen Regierung angeboten, das Katastrophenschutzverfahren zu aktivieren, sagte von der Leyen.
"Historisches Unwetter"Der spanische Wetterdienst Aemet sprach in einer ersten Bilanz von einem "historischen Unwetter". Demnach fielen in einigen Ortschaften innerhalb eines Tages bis zu 490 Liter Regen pro Quadratmeter, so viel wie sonst in einem Jahr.
Es habe sich um den schlimmsten Fall der Wettererscheinung "Kalter Tropfen" (gota fría) dieses Jahrhunderts in der Region gehandelt. Das Wetterphänomen tritt in der spanischen Mittelmeerregion in den Monaten September und Oktober häufig auf. Es basiert auf stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft und entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben.
Aemet hatte gestern für Valencia die höchste Unwetterwarnstufe Rot ausgerufen. Heute ließ der Regen dort nach und die Warnung wurde auf Gelb herabgestuft. Für große Teile Spaniens gilt weiter eine Unwetterwarnung. Das Regengebiet soll im Laufe des Tages in Richtung Nordosten weiterziehen. Erst am Donnerstag werde sich die Lage in ganz Spanien wieder entspannen, teilte die Wetterbehörde mit.
Es sind die schwerste Überschwemmungen in Europa seit der Hochwasserkatastrophe in Deutschland und dem benachbarten Belgien im Jahr 2021, bei der mehr als 200 Menschen ums Leben kamen. Vor allem Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen waren damals betroffen, insbesondere das Ahrtal.