Unicredit-Chef sieht Commerzbank-Übernahme als Option

6 Tage vor

Die Großbank Unicredit steigt im großen Stil bei Commerzbank ein – und will weitere Anteile. Die Börse spekuliert schon auf eine Übernahme, doch die Frankfurter wollen dies Insidern zufolge abwehren.

Unicredit Commerzbank - Figure 1
Foto WirtschaftsWoche

Die italienische Großbank Unicredit ist nach Angaben ihres Chefs Andrea Orcel an einer Aufstockung ihres Anteils an der Commerzbank interessiert. Zu angemessenen Konditionen bestehe Interesse an einem Kauf der übrigen vom deutschen Staat gehaltenen Anteile, sagte Orcel am Donnerstag dem Sender „Bloomberg Television“. Auch am Markt könne Unicredit weitere Aktien kaufen. Eine Übernahme der Commerzbank sei jedoch nicht die einzige Option. Auch unabhängig von einem Zusammenschluss könne viel erreicht werden. Der Einstieg sei die Grundlage für Gespräche über ein Zusammengehen.

Die Commerzbank will Insiderangaben zufolge die mögliche Übernahme abwehren. Das Management habe sich über Strategien ausgetauscht, um die Unabhängigkeit des Geldhauses zu bewahren, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person am Mittwoch. Zwei weiteren Personen zufolge ist das Institut gemäß rechtlicher Verpflichtungen zwar zu Gesprächen bereit, wenn Unicredit ein formelles Angebot vorlegt. Der Vorstand strebe aber einen eigenständigen Kurs an.

Zudem verlautete aus Unternehmenskreisen, dass die US-Bank Goldman Sachs als Beraterin beauftragt worden sei, um verschiedene Abwehroptionen auszuloten. Die Commerzbank lehnte eine Stellungnahme ab.

Unicredit-Chef Der Angstgegner

Unicredit-Chef Andrea Orcel gilt als einer der härtesten Banker Europas. Sollte er die Commerzbank übernehmen, dürfte er das Institut engmaschig kontrollieren – und drastisch sparen.

von Lukas Zdrzalek

Unicredit war am Mittwoch überraschend bei der Commerzbank eingestiegen. Die Italiener, die in Deutschland mit ihrer Marke HypoVereinsbank bekannt sind, erwarben neun Prozent am zweitgrößten börsennotierten deutschen Geldinstitut und signalisierten Interesse an einem größeren Engagement. Im Falle einer Übernahme könnte ein Bankriese entstehen, der einen Marktwert von fast 74 Milliarden Euro erreicht und in Europa Platz zwei nach der britischen HSBC einnimmt.

Die Commerzbank reagierte zuvor mit Zurückhaltung auf den überraschenden Einstieg der Unicredit. „Wir haben die heutige Mitteilung der UniCredit zur Beteiligung an der Commerzbank zur Kenntnis genommen“, erklärte das Frankfurter Institut am Mittwoch mehrere Stunden nach Bekanntwerden des Schritts des italienischen Konkurrenten. „Diese Mitteilung ist auch ein Beleg für den Stellenwert der Commerzbank und die Fortschritte, die sie erzielt hat“, hieß es weiter. „Vorstand und Aufsichtsrat der Commerzbank werden weiterhin im besten Interesse aller unserer Anteilseigner sowie von Mitarbeitenden und Kunden handeln.“ Darüber hinaus wolle sich die Commerzbank gegenwärtig nicht äußern.

Unterdessen beginnt bei der Commerzbank der Auswahlprozess für einen Nachfolger von Vorstandschef Manfred Knof. Er werde seinen Ende 2025 auslaufenden Vertrag nicht verlängern, teilte der Dax-Konzern überraschend am Dienstagabend mit.

Unicredit sichert sich Anteile vom Bund

Rund die Hälfte des neunprozentigen Pakets erwarb die Unicredit vom deutschen Staat. Der Bund verkaufte im Rahmen des vor einer Woche angekündigten Teilausstiegs knapp 4,5 Prozent im Paket an die Italiener. Diese waren bereit, mehr zu zahlen, als die Papiere am Dienstagabend an der Börse wert waren, wie die Finanzagentur in Frankfurt mitteilte. Alle vom Bund offerierten Aktien seien „infolge einer deutlichen Überbietung aller übrigen Angebote“ an die Unicredit zugeteilt worden.

Der Zuteilungspreis von 13,20 Euro je Aktie liegt 60 Cent oder knapp fünf Prozent über dem Schlusskurs auf der Handelsplattform Xetra vom Dienstag. Üblich sind bei solchen Platzierungen Abschläge. Der Bund nahm durch den Verkauf der gut 53 Millionen Aktien etwas mehr als 700 Millionen Euro ein. Der Anteil des Staats sinkt damit auf 12 Prozent, trotzdem bleibt er vorerst der größte Anteilseigner der seit der Finanzkrise teilverstaatlichten Commerzbank.

Unicredit stark im deutschen Privatkundengeschäft engagiert

Mit einem Anteil von neun Prozent ist die Unicredit nun der zweitgrößte Aktionär. Die Unicredit hatte bereits vor knapp 20 Jahren im deutschen Bankenmarkt zugeschlagen. 2005 kaufte sie die deutsche Hypovereinsbank (HVB) für rund 15 Milliarden Euro und ist seitdem stark im deutschen Privatkundenmarkt vertreten, auch wenn sie die Zahl der Beschäftigten und Filialen seit der Übernahme deutlich abgebaut hat.

Die Unicredit und die Commerzbank gehörten in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 und in der EU-Schuldenkrise Anfang des vergangenen Jahrzehnts zu den größten Verlierern am Aktienmarkt. Die Kurse beider Institute waren zeitweise um mehr als 90 Prozent gefallen. Inzwischen hat sich die Lage für beide Banken unter anderem wegen der zuletzt wieder deutlich höheren Zinsen stark verbessert. Bei der Unicredit fiel die Erholung allerdings deutlich stärker aus.

Sie ist fast 60 Milliarden Euro wert und könnte sich damit eine Übernahme der Commerzbank leisten. Der Börsenwert der Frankfurter liegt mit knapp 15 Milliarden Euro lediglich bei rund einem Viertel der Unicredit. Schon in den vergangenen Jahr gab es immer wieder Spekulationen über eine Übernahme der Commerzbank durch die Italiener.

Ökonomen: Commerzbank-Einstieg von Unicredit sinnvoll

Top-Ökonomen begrüßen den Einstieg der italienischen Großbank. „Eine Konsolidierung am europäischen Bankenmarkt ist ökonomisch sinnvoll“, sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Moritz Schularick, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Dies gelte auch im Hinblick auf eine Vertiefung der Banken- und Kapitalmarktunion in der EU. Durch Letztere sollen kleine und mittlere Unternehmen im EU-Binnenmarkt leichter an Kredite kommen.

Ähnlich äußerte sich Regierungsberater Jens Südekum. „Die Übernahme durch eine italienische Großbank ist eine interessante und durchaus begrüßenswerte Entwicklung“, sagte der Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Der europäische Kapitalmarkt ist immer noch zu stark entlang nationaler Grenzen zersplittert. Diese Verzerrung würde durch den Deal etwas behoben“, so das Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums.

„Die Verbindung beider Banken bis hin zu einer Übernahmeperspektive könnte sinnvoll sein“, betonte auch der Finanzexperte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, Friedrich Heinemann. „Die Commerzbank ist auch nach europäischen Maßstäben eine kleine Bank, die nicht die notwendige Größenordnung für ein dauerhaft erfolgreiches Agieren aufweist.“ Sicherlich müssten die wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen etwa auf dem deutschen Markt betrachtet werden, wo Unicredit mit ihrer Marke Hypovereinsbank (HVB) bereits präsent sei. „Angesichts der vielfältigen deutschen Bankenszene sollte das aber kein Hindernis darstellen“, sagte Heinemann. Für die Unicredit sei jede Diversifikation begrüßenswert, die aus ihrem italienischen Heimatmarkt herausführe, wo das Überleben der Banken von der Zahlungsfähigkeit des italienischen Fiskus in den kommenden Jahrzehnten abhänge.

Commerzbank auf der Suche nach neuem Chef

Unterdessen muss sich die Commerzbank mit dem Auswahlprozess für die Nachfolge von Konzernchef Knof befassen, der überraschend Ende 2025 aufhören wird. Er führt die Bank seit 2021 und hatte den Sparkurs des Geldhauses verschärft: Tausende Stellen fielen weg, das Filialnetz schrumpfte deutlich. Mit dem Umbau und dank gestiegener Zinsen, von denen die gesamte Bankenbranche profitierte, schaffte die Commerzbank die Trendwende.

„Ohne Manfred Knof wäre die Commerzbank heute nicht wieder so präsent und so relevant im Kreise der europäischen Banken“, erklärte Aufsichtsratschef Weidmann mit. „Durch seine klare Führung wurde die Bank in Rekordzeit saniert, das Geschäftsmodell klar fokussiert und die Bank auf Nachhaltigkeit ausgerichtet.“

Im vergangenen Jahr erzielte die Konkurrentin der Deutschen Bank einen Rekordgewinn von rund 2,2 Milliarden Euro. Der Bund will schrittweise bei der Commerzbank aussteigen, die er in der Finanzkrise mit Milliarden an Steuergeld vor dem Kollaps gerettet hatte.

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