Tyson Fury: Angezählt und abkassiert
Stand: 29.10.2023, 13:25 Uhr
Von: Timur Tinç
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Der Champion am Boden: Ein linker Haken von Francis Ngannou (r.) trifft Tyson Fury in Runde drei. afp © AFPDer Schwergewichtsweltmeister im Boxen schrammt in Riad an einer Niederlage gegen Francis Ngannou vorbei. Der Mixed-Martial-Arts-Kämpfer ist der eigentliche Sieger. Der große Gewinner sind die Organisatoren aus Saudi-Arabien.
Für Schwergewichtsweltmeister Tyson Fury gab es Samstagnacht in Riad rein sportlich gesehen nichts zu gewinnen. Das war schon vor dem Boxkampf gegen den früheren Mixed-Martial-Arts-Schwergewichtschampion Francis Ngannou klar, der erst um 1.40 Uhr Ortszeit begann. Entsprechend verhalten hob der 35-jährige Brite seine Faust, als er nach zehn Runden knapp zum Sieger gegen Ngannou gekürt wurde. Nur zwei Ringrichter sahen den Weltmeister nach Version der WBC vorne (96:93, 95:94, 94:95).
„Wenn er ehrlich ist, wird er sagen, dass ich den Kampf gewonnen habe. Ich habe gewonnen, keine Frage“, sagte Ngannou nach seinem couragierten Auftritt. Der 37-jährige Kameruner hatte Fury nach drei Runden mit einem linken Haken auf die Bretter geschickt und ein kleines Tänzchen aufgeführt. Ein Schaukampf wie vielfach spöttisch vor dem Fight geunkt wurde, war es bei weitem nicht. Fury hat keine Faxen im Ring gemacht, sondern zeigte Respekt vor Ngannous zerstörerischer Schlagkraft.
Francis Ngannou: „Mir war schon vorher klar, dass, wenn es in die Entscheidung geht, ich nicht gewinnen kann“„Das war wahrscheinlich mein härtester Kampf in den letzten zehn Jahren“, sagte Fury. Das größte Problem für ihn war, sich auf einen Boxnovizen einzustellen, der zuvor 17 seiner 20 MMA-Kämpfe meist durch K.o. in der ersten Runde gewonnen hat. „Er hat einen komischen Stil“, erklärte Fury. Ngannou hat mal aus der Links- mal aus der Rechtsauslage geboxt. Fury zum Sieger zu erklären, ging aber letztlich in Ordnung, weil er mehr Treffer gelandet und cleverer geboxt hat – ohne dabei zu überzeugen.
Bei so knappen Entscheidungen schwingt aber grundsätzlich immer der Zweifel mit, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Ngannou befeuerte dies: „Mir war schon vorher klar, dass, wenn es in die Entscheidung geht, ich nicht gewinnen kann. Nicht, weil ich nicht genug getan habe, sondern weil ich der Neue bin.“ Um das Business Boxen ins Wanken zu bringen, hätte er mehr machen müssen, glaubt Ngannou. Für fast alle Beobachter ist der wahre Sieger Francis Ngannou, weil ihm kaum jemand zugetraut hat, zehn Runden mit Fury zu gehen. Geschweige denn, dass darüber diskutiert wird, ob er nicht vielleicht doch gewonnen hat.
Kanye West, Eminem, der Untertaker oder Cristiano Ronaldo sitzen am RingDer ganz große Gewinner des ganzen Events sind jedoch die Organisatoren aus Saudi-Arabien. Sie haben einmal mehr gezeigt, dass alle Menschen ihren Preis haben. Unter anderem sind die Musikmegastars Kanye West und Eminem, Wrestlinglegende Undertaker, UFC-Superstar Conor McGregor oder Ex-Fußballnationalspieler Rio Ferdinand nach Riad eingeflogen worden. Es gibt Gerüchte, dass Cristiano Ronaldo, der beim saudischen Hauptstadtklub Al Nassr unter Vertrag steht, rund 30 Millionen US-Dollar bekommen haben soll, nur damit er neben Turki Al-Sheikh sitzt.
Der Berater der königlichen Familie – „seine Exzellenz“, wie er an diesem Abend gepriesen wurde – lächelte bei all der Bauchpinselei, die ihm zuteil wurde. Wer es jetzt noch wagen sollte über fehlende Menschenrechte in dem Königreich zu sprechen, der bekommt es mit hunderten Promis zu tun.
Der Vereinigungskampf von Fury gegen Oleksandr Usyk am 23. Dezember ist terminlich kaum zu haltenNur einer schaute an diesem Abend etwas bedröppelt drein: Der Ukrainer Oleksandr Usyk. Der 36-Jährige hält die WM-Gürtel nach Version der WBA, WBO, IBO und IBF im Schwergewicht und will eigentlich am 23. Dezember in Riad gegen Fury um die Vereinigung aller Titel kämpfen. Nach zehn harten Runden ist es unwahrscheinlich, dass dieser Termin zu halten sein wird. Seit 1999, damals Lennox Lewis, wartet das Schwergewicht auf einen unangefochtenen Champion.
Fury hat die Börse von rund 50 Millionen US-Dollar dem Vereinigungskampf vorgezogen. Sportlich gab es nichts zu gewinnen, aber viel Geld abzukassieren.