Schaukampf in Saudi-Arabien: „Der böseste Mann der Welt“

Francis Ngannous immense Schlagkraft wird nur noch von der Kraft seines Willens übertroffen. Am Sonntagmorgen in der saudi-arabischen Stadt Riad sah es danach aus, als ob der Box-Debütant im Kampf gegen den berüchtigten Tyson Fury seinen Traum der Realität aufzwingen könnte – zumindest für wenige Sekunden. Ngannou war in bitterer Armut in Kamerun aufgewachsen und schuftete als Jugendlicher in einer Sandmine. Auf der für viele Menschen tödlichen Flüchtlingsroute nach Europa überquerte er die Sahara und das Mittelmeer auf der Suche nach einem besseren Leben.

In Frankreich half ihm der Kampfsport aus der Obdachlosigkeit. Dank seiner angeborenen Kraft und des rohen Talents stieg er in wenigen Jahren zum Weltmeister in den gemischten Kampfkünsten empor. Dieser Ngannou also suchte nun mit 37 Jahren die nächste große Herausforderung, er suchte Ruhm und das große Geld im Boxring.

Es ging auch um viel Geld

Und kein Geringerer als Fury, der vielleicht beste Schwergewichtsboxer seiner Generation, kam da als angemessener Gegner in Frage und hätte, zumindest auf dem Papier, nicht gefährlicher sein können: Fury begann im Alter von zehn Jahren mit dem Boxen, war mit 20 Profi und mit 27 Weltmeister dreier großer Verbände. In seinen 34 Profikämpfen blieb der Brite bisher ungeschlagen. 204 Zentimeter groß und mehr als 125 Kilogramm schwer. Ein Koloss, der sich aber agil im Ring zu bewegen weiß und sich über die Jahrzehnte hinweg ein Gefühl für Distanz und Timing erarbeitet hat.

Kaum jemand gab Ngannou eine ernsthafte Chance gegen Fury. Ein Kampf um einen Gürtel war unmöglich, weil Ngannou noch nie offiziell geboxt hatte und auf keiner Rangliste verzeichnet war. In der Auseinandersetzung ging es also bestenfalls um den inoffiziellen Titel als „Baddest Man on the Planet“ („Bösester Mann der Welt“) und um viel Geld.

Schon deswegen stimmte Fury zu, möglicherweise nicht davon ausgehend, dass er viel Gegenwehr zu befürchten habe. Der Kampf wurde im Vorfeld von Experten als ein gut vermarktbares Kuriosum abgestempelt – finanziert von Saudi-Arabien. Ein kurzweiliger Publicity-Stunt im Dienste der Öldynastie.

Doch Ngannou sollte die Box-Welt eines Besseren belehren, und deren Anhänger hielten in der dritten Runde tatsächlich die Luft an, nachdem der Kameruner den um Fassung ringenden Fury mit einem linken Haken zu Boden schickte. Doch Fury raffte sich hoch, fand noch rechtzeitig die Besinnung, dass er im Begriff war, gegen einen Boxneuling zu verlieren.

Er lieferte Ngannou einen taktischen Kampf, den er nach neun Runden erstaunlich knapp nach Punkten gewann. Fury Ruf als bester Boxer der Welt dürfte damit einen harten Schlag erlitten haben. Der wahre Sieger im Ring blieb für viele aber Ngannou, der mit seinem Willen beinahe wieder das Unmögliche möglich gemacht hätte.

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