Boxen in Saudi-Arabien: Oleksandr Usyk und Tyson Fury mit ...
Vor 50 Jahren brachte Regisseur Francis Ford Coppola „Der Pate: Teil 2“ auf die große Leinwand. Die Hollywoodlegende schuf mit der Mafiasaga um Macht, Geld und Gewalt ein Musterbeispiel für eine erfolgreiche Fortsetzung – und zwar dank ganz bestimmter Formeln. Dass diese nicht nur damals ein Millionenpublikum in die Kinos trieben, sondern heutzutage auch Boxfans weltweit vor den Fernseher oder Computer locken können, soll sich an diesem Samstag (Start der Veranstaltung um 16.30 Uhr MEZ bei DAZN) in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad zeigen.
Dort nämlich steigt der aktuelle und ungeschlagene ukrainische Weltmeister im Schwergewicht, Oleksandr Usyk, ein zweites Mal gegen den Briten Tyson Fury in den Ring, dessen bisher einzige Niederlage wiederum vom ersten Kampf der beiden im Mai dieses Jahres stammt. Hat dieses Sequel das Zeug zu einem „Boxblockbuster“?
Usyk gewann den ersten Kampf
Die Antwort liegt womöglich wie schon bei Coppolas Erfolg in der ersten Formel, die vom Drehbuchautor Ken Miyamoto so formuliert wurde: „Das Original muss eine Fortsetzung rechtfertigen können.“ Für das zahlungswillige Publikum sollte das gegeben sein, entschied Usyk den ersten Kampf gegen Fury offiziell nur dank einer knappen 2:1-Punktrichterentscheidung für sich – und das obwohl Fury nach schweren Treffern in der neunten Runde sogar angezählt werden musste.
Das öffentliche Interesse daran, ob Usyk auch diesmal als der sogenannte „Baddest Man on the Planet“ in der Königsklasse des Boxsports den Ring verlassen wird, ist also vorhanden. Unabhängig vom Ausgang des Kampfes dürften sich auch Usyk und Fury auf eine Fortsetzung freuen.
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Dafür sorgt der mächtige saudi-arabische Sportfunktionär und Promoter Turki Al-Sheikh. Der 43 Jahre alte Mann, in Fachkreisen auch als neuer „Pate des Boxens“ bezeichnet, hat britischen Medien zufolge den Boxstars ein Angebot unterbreitet, das sie nicht ablehnen konnten: Mehr als 190 Millionen US-Dollar (etwa 182 Millionen Euro) Gage sollen sich die beiden teilen, wobei Weltmeister Usyk wohl den größeren Anteil bekommen wird als sein britischer Herausforderer.
Mehr als nur ein Remake
Und Al-Scheikh? Für den engen Vertrauten des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman bietet der Kampf ein weiteres Mal die Gelegenheit, Riad als Welthauptstadt des Boxsportes zu vermarkten – gemäß der schon aus anderen Disziplinen bekannten Linie des Sportwashings, das Saudi-Arabien seit Jahren mit gigantischen Summen vorantreibt. Und auch hier kennt Al-Scheikh, als derzeit wohl einer der mächtigsten Männer des Sports, kaum Grenzen. Denn wie in Hollywood bekannt, weiß auch er, dass ein potentieller Kassenschlager nicht ohne eine denkwürdige Promotion auskommt.
Das führt zur nächsten Formel eines guten Sequels: „Die Fortsetzung darf nicht einfach nur ein Remake des Originals sein.“ Das ergibt sich schon über die verringerte Anzahl der Titel, die diesmal auf dem Spiel stehen. Während der erste Kampf noch in den mit bombastischen Spezialeffekten gespickten Werbefilmen als Schlacht zweier ungeschlagener Titanen beworben wurde, die um die Weltmeistergürtel aller bedeutenden Verbände kämpfen sollten, ist das nun nicht mehr der Fall. Fury ist nicht mehr unbesiegt, Usyk hingegen kam in der Zwischenzeit der Pflichtverteidigung seines IBF-Titels nicht nach und musste diesen Gürtel daher abtreten.
So setzt man also beim Rematch den narrativen Fokus auf etwas Neues: Furys Rache für seine bisher einzige Niederlage und Usyks „Besessenheit“, seinen bisher gefährlichsten Gegner ein weiteres Mal zu besiegen. Zum Ausdruck bringen soll das ein aufwendig inszenierter Trailer, der Fury und Usyk in Alltagsszenen dabei zeigt, wie sie immer wieder Menschen begegnen, deren Gesichter sich plötzlich in das des jeweiligen Gegners verwandeln.
Das bizarre Video erreicht seinen Höhepunkt, als in der finalen Szene Usyk und Fury zu einem grotesken Mischwesen verschmelzen. Was wie ein psychedelischer Albtraum anmutet, folgt einer weiteren Formel für ein erfolgreiches Sequel: „Die Zuschauer wollen etwas Neues, aber auch bereits Bekanntes sehen.“
Happy End für Usyk?
Aus dem hochkarätigen ersten Aufeinandertreffen lässt sich ableiten, dass es auch diesmal zu einem Kampf auf höchster boxerischer Ebene kommen wird. Dadurch lässt Al-Scheikh das Publikum einerseits wissen, was es zu erwarten hat, verspricht aber andererseits ein Novum: Usyk und Fury haben bereits zwölf Runden lang den Ring miteinander geteilt.
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Usyk weiß um die Durchschlagskraft und den Willen Furys, dieser um die Behändigkeit und Präzision des ukrainischen Weltmeisters. Beide hatten sieben Monate Zeit, aus ihren gemeinsamen Erfahrungen Rückschlüsse zu ziehen und neue Strategien zu entwickeln, auch wenn diese in Interviews eher rudimentär formuliert wurden.
„Meine Mission am Samstagabend ist es, das Gesicht dieses Mistkerls zu zerstören“, sagte Fury gegenüber TNT Sports. „Es gibt keine Möglichkeit, dass er mich schlägt.“ Usyk hingegen nahm die Drohung auf gewohnte Weise witzelnd zur Kenntnis und blickte prophetisch in die Zukunft: „Wir werden (in der Ukraine) gemeinsam Bier trinken und er (Fury) wird sagen: ,Weißt du noch, wie du mich zweimal besiegt hast?‘“
Ein idyllisches Happy End für den Ukrainer, der im kommenden Jahr 38 Jahre alt wird und das Ende seiner Erfolgskarriere immer näher vor Augen hat? Al-Scheikh hofft auf einen anderen Ausgang, der einen weiteren Kampf rechtfertigen würde. In einem inszenierten Videotelefonat zwischen ihm, Fury und Usyk ließ der Promoter keine Spur von Neutralität erkennen und rief dem Weltmeister zu: „Nein, du wirst meine Rechnung nicht zerstören. Ich will einen dritten Kampf. Ich will eine Trilogie.“
Dass eine solche allerdings im Fiasko enden kann, weiß selbst eine Showbusinessgröße wie Coppola nur zu gut: Dieser scheiterte mit dem dritten Teil seines berühmten Gangster-Epos um den Paten Corleone grandios.