Präsidentschaftsdebatte: Kamala Harris führt Donald Trump vor

von Marc Etzold

11.09.2024, 09:10 4 Min.

Nach der TV-Debatte sagen 63 Prozent der Zuschauer, dass Vizepräsidentin Kamala Harris gegen den früheren Präsidenten gewonnen hat. Drei Erkenntnisse aus dem Duell.

TV-Duell Trump Harris - Figure 1
Foto Capital - Wirtschaft ist Gesellschaft

Als Donald Trump auf die Bühne kommt, geht er direkt zu seinem Pult. Kamala Harris aber geht nicht zu ihrem, sondern zum früheren Präsidenten, streckt ihm die rechte Hand entgegen und stellt sich mit ihrem Namen vor.

Der 78-Jährige wirkt verdutzt. „Schön sie zu sehen“, erwidert er. Trump hatte nicht mit einem Handschlag gerechnet. Noch nie zuvor haben die beiden persönlich miteinander gesprochen. Harris zeigt schon in den ersten Sekunden der Präsidentschaftsdebatte, dass sie mit einer Strategie von Dominanz in die Auseinandersetzung geht.

In den folgenden eineinhalb Stunden wird sie Trump mehrfach provozieren. Immer wieder steigt er darauf ein – ob es um das Abtreibungsrecht, den 6. Januar, die Ukraine oder seine Strafprozesse geht. Trump wird laut und schreit, manchmal minutenlang. In der wohl absurdesten Szene des Abends behauptet er, dass Einwanderer Hunde und Katzen von Amerikanern essen würden, Harris lacht ihn da nur noch aus. 

Von ABC, jenem Sender, der die Debatte ausgerichtet hat, über CNN bis Fox News sind sich danach von links bis rechts alle einig: Harris hat die Debatte gewonnen, haushoch meinen einige sogar. Trump ist blamiert und geschlagen, zumindest für diesen Abend. 

Drei Erkenntnisse:

1. Ihren stärksten Moment hatte Kamala Harris beim Abtreibungsrecht

Trump spricht gerne darüber, dass seine Konkurrentin viele Positionen gewechselt hat, was der Wahrheit entspricht. Doch beim Thema Abtreibung ist es Trump, der in der Debatte aufgrund seiner Positionswechsel in Probleme geraten ist. Er hatte einst ein geplantes Abtreibungsverbot in Florida nach sechs Wochen unterstützt. Später sagte der Ex-Präsident, er sei dagegen. Auflösen konnte er diesen Widerspruch auf Nachfrage nicht.

Stattdessen rühmte sich Trump damit, dass die konservative Mehrheit am Obersten Gericht das landesweite Abtreibungsrecht zu Fall gebracht hatte. In seiner Amtszeit hatte Trump drei Richter berufen und so eine Verschärfung des Abtreibungsrechtes erst möglich gemacht. „Ich habe damit einen großen Dienst geleistet“, sagte Trump. „Es erforderte Mut, das zu tun.“

Am Dienstagabend treffen Kamala Harris und Donald Trump im TV-Duell zum ersten Mal überhaupt aufeinander. Die Politikwissenschaftlerin Laura Merrifield Wilson blickt voraus.

Harris sprach über Fälle, in denen Frauen nach Vergewaltigungen oder einer Fehlgeburt keine Abtreibung vornehmen lassen konnten oder Schwierigkeiten hatten, medizinische Hilfe zu bekommen.

TV-Duell Trump Harris - Figure 2
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„Sie wollen darüber reden, dass die Frauen das wollten?“, sagte Harris direkt in Trumps Richtung. „Schwangere Frauen, die eine Schwangerschaft austragen wollen, eine Fehlgeburt erleiden, denen die Behandlung in der Notaufnahme verweigert wird, weil die Ärzte Angst haben, sie könnten ins Gefängnis kommen. Und diese Frau verblutet in einem Auto auf dem Parkplatz – das wollte sie nicht.“

2. Harris lockte Trump immer wieder in Fallen – und der tappte hinein

Harris hatte Trump dafür kritisiert, dass er zu Jahresbeginn ein Gesetz zum Grenzschutz, das überparteilich fertig verhandelt war, scheitern ließ. Doch Trump wollte die Kritik nicht auf sich sitzen lassen. In Springfield im US-Bundesstaat Ohio würden haitianische Einwanderer die Haustiere von Amerikanern essen, sagte Trump. „Sie fressen die Hunde, sie fressen die Katzen.“ Ein Vertreter der Stadt erklärte später, dass es keinerlei Belege für solche Behauptungen gebe.

An einer anderen Stelle lud Harris die Zuschauerinnen und Zuschauer dazu ein, sich eine Wahlkampfveranstaltung von Trump anzuschauen. Die Teilnehmer würden aus Erschöpfung und Langeweile seine Kundgebungen verlassen. Trump würde über viele Dinge reden, aber nicht über das amerikanische Volk.

Das wollte Trump nicht auf sich sitzen lassen. „Die Leute verlassen meine Kundgebungen nicht, wir haben die größten Kundgebungen, die unglaublichsten Kundgebungen in der Geschichte.“ Trump wurde sichtbar zornig.

Noch zu Beginn der Debatte hatte Trump versucht, Harris immer wieder für die Inflation und die Einwanderungspolitik verantwortlich zu machen. Er wirkte kontrolliert, verlor aber mit jeder Provokation von Harris immer mehr die Fassung. 

3. Trump hält an seiner Wahllüge fest und tut Harris damit einen Gefallen

Donald Trump wurde gefragt, ob er seine Handlungen vom 6. Januar 2021, bei dem er einen Mob in Richtung Kapitol schickte, bereue. „Damit hatte ich nichts zu tun“, sagte Trump. Der frühere Präsident steht wegen seinen Bemühungen, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen 2020 zu kippen, unter Anklage. Kürzlich hatte der Ex-Präsident in einem Podcast gesagt, er habe nur „um Haaresbreite“ verloren. In der Debatte weigerte sich Trump aber erneut, seine Niederlage bei der letzten Wahl anzuerkennen.

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„Geben Sie jetzt zu, dass Sie 2020 verloren haben?“, wollte der ABC-Moderator David Muir wissen. „Nein“, antwortete Trump. „Das habe ich sarkastisch gesagt“, erklärte er die Äußerungen im Podcast. Er wiederholte falsche Behauptungen, es gebe „so viele Beweise“ dafür, dass er die Wahl gewonnen habe. Harris sagte unmittelbar danach, Trump sei von 81 Millionen Wählern gefeuert worden – so viele Menschen hatten 2020 für Joe Biden gestimmt. „Es ist offensichtlich, dass er große Schwierigkeiten hat, das zu verarbeiten“, sagte Harris.

Es sollte sich zu einem nahezu perfekten Abend für Kamala Harris entwickeln. Unmittelbar nach Ende der Debatte rief Popstar Taylor Swift auf Instagram zur Wahl der Vizepräsidentin auf. Laut einer Befragung von CNN sagten  63 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer, dass Harris das TV-Duell gewonnen habe.

Doch noch sind es knapp zwei Monate bis zur Wahl. Und viele Wechselwähler hadern laut Umfragen noch mit der Kandidatin Kamala Harris, weil sie zu wenig über sie wissen. In den nächsten Wochen wird die Vizepräsidentin ihnen nicht nur Gründe liefern müssen gegen Trump, sondern für sie zu stimmen.

Sonst könnte es Harris wie Hillary Clinton vor acht Jahren ergehen. Die frühere Außenministerin hatte damals ihre TV-Debatten gegen Trump ebenfalls gewonnen. Für einen Wahlsieg reichte es dennoch nicht. 

Dieser Artikel ist eine Übernahme des Stern, der wie Capital zu RTL Deutschland gehört. Auf Capital.de wird er zehn Tage hier aufrufbar sein. Danach finden Sie ihn auf www.stern.de.

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