Tsunami in Thailand 2004: Diese Menschen aus Sachsen-Anhalt ...
Die Helfer konnten auch nicht direkt im Katastrophengebiet wohnen. "Die Infrastruktur war ja völlig zerstört", sagt Rüdiger Lessig. So mussten er und die anderen täglich mehrere Stunden Busfahrt in Kauf nehmen. "Wir wohnten in einem Hotel auf der Insel Phuket, bis nach Takua Pa dauerte es pro Strecke rund zwei Stunden", sagt er.
Wir wurden gefragt, ob wir helfen wollen. Da habe ich nicht gezögert.
Ausgelöst worden war der Tsunami durch ein schweres Unterseebeben im Indischen Ozean mit der Stärke 9,1 – nach Angaben der United States Geological Survey (USGS) das drittgrößte jemals gemessene Erdbeben. Viele internationale Touristen verbrachten die Weihnachtsfeiertage damals im Badeparadies in Südostasien und gerieten schließlich in eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes. Zunächst war von 10.000 Toten die Rede. Täglich mussten die Zahlen weiter nach oben korrigiert werden. Am Ende waren es rund 231.000 Menschen, die ihr Leben verloren.
Ebenfalls vor Ort war die Stendaler Zahnärztin Dr. Antje Hachmeier. Damals war sie noch bei der Bundeswehr, stationiert in Wilhelmshaven. Auch sie half bei der Identifizierung. "Wir wurden gefragt, ob wir helfen wollen. Da habe ich nicht gezögert", sagt sie. Es sei schließlich darum gegangen, den Toten einen Namen zurückzugeben. Einige Wochen im April und Mai 2005 war sie in Thailand vor Ort. Zu dem Zeitpunkt war schon eine Infrastruktur aufgebaut worden, damit die internationalen Helfer effektiv arbeiten konnten.
Manches Mal seien die Leichen mehrmals angesehen worden, um eine Identifizierung hinzubekommen. "Als erstes haben sich die Spezialisten für die Fingerabdrücke um die Opfer gekümmert, dann haben die Rechtsmediziner ihre Untersuchungen durchgeführt und zum Schluss dann wir Zahnmediziner, um noch mal den dentalen Status aufzunehmen", sagt Antje Hachmeier, die seit 2012 in Stendal Zahnärztin praktiziert. "Der Einsatz hat mir viel für meine spätere Tätigkeit gegeben", sagt sie.
Oft seien es nur die Zähne gewesen, die eine Identifizierung der Menschen zuließen, sagt die Zahnärztin. "Die Füllungen sind halt sehr markant. Sie können eher tief oder eher flach sein, können rund ausgebildet und auch spitz sein. Es ist wie ein Fingerabdruck der Zähne", sagt sie. Bei einem Abgleich mit einem Röntgenbild sei eine Identifizierung leicht möglich.
Neue Standards nach der KatastropheUnd sie waren erfolgreich. "Die Quote bei den deutschen Opfern lag bei 95 Prozent", sagt Antje Hachmeier. Bei den übrigen Opfern war es etwas weniger. Eine Erfolgsquote, mit der Rüdiger Lessig nicht gerechnet hatte. Als Mitglied einer internationalen Expertengruppe von Interpol war er zuvor auch schon bei anderen Einsätzen gewesen.
Wir haben internationale Standards geschaffen, die später für alle Teams verbindlich wurden.
Doch die Arbeit in Thailand sei wegweisend gewesen. "Wir haben internationale Standards geschaffen, die später für alle Teams verbindlich wurden", sagt der Rechtsmediziner. Es sei darum gegangen, Fehler zu vermeiden. "Genau das ist das Entscheidende bei der Identifizierungsarbeit, dass es eben keine Fehler passieren."
Die deutschen Helfer arbeiteten nach dem Tsunami als nationale Gruppe zusammen. "Das wird natürlich so organisiert, um nicht schon Probleme und Fehler durch die Schwierigkeiten der sprachlichen Verständigung zu verursachen", sagt Hachmeier. Auch wenn die Hilfe im Namen des deutschen Außenministeriums lief, so sei es nicht ausschließlich um die Identifizierung deutscher Opfer gegangen. Auch andere Tote wurden untersucht. Aus Deutschland wurden 537 Opfer identifiziert.
Lessig war allein 2005 fünfmal für mehrere Wochen zum Einsatz in Thailand. In späteren Jahren ist er immer wieder dorthin zurückgekommen. Die herzliche Art der Menschen dort hat ihn begeistert. Was den Einsatz rund um den Tsunami angeht, so sagt er heute, dass der 26. Dezember 2004 sein berufliches Leben in ein Davor und ein Danach getrennt hat.
Große DankbarkeitFür die Stendalerin Antje Hachmeier blieb der Hilfseinsatz in Thailand einmalig. Sie reiste nie wieder dorthin zurück. Sie habe aber eine Begegnung kurz vor ihrer Abreise im Herzen mitgenommen. Eine Frau hatte sie anhand ihrer Teamkleidung als Mitglied des Identifizierungsteams erkannt. "Die Frau hatte ihren Mann verloren, sie konnte ihn aber in einer Urne mit nach Hause nehmen", erzählt Hachmeier. Die Frau sei unheimlich dankbar gewesen, dass die Identifizierung gelungen sei. "Das hat mir gezeigt, dass ich zwar nur ein kleines Rädchen in dem großen Hilfsangebot war, aber dass es einem gedankt wurde."
Es ist ein historisches Ereignis, es hat mein Leben geprägt.
Rüdiger Lessig glaubt, dass der Jahrestag nicht nur bei ihm, sondern bei sehr vielen Menschen sehr stark Erinnerungen an die damalige Zeit hervorrufen. "Es ist ein historisches Ereignis, es hat mein Leben geprägt."