Donald Trump: Es gibt kein Innehalten mehr

2 Tage vor

Donald Trump entgeht zum Glück erneut einem möglichen Attentat. Aber trotz dieser schrecklichen Tat wird sich im brutalen US-Wahlkampf nichts ändern.

Trump - Figure 1
Foto ZEIT ONLINE

16. September 2024, 14:58 Uhr

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Donald Trump während eines Wahlkampfauftritts Pennsylvania © Doug Mills/​NYT/​laif

Donald Trump ist der Einzige, der es kann. Behauptet der frühere US-Präsident ja oft genug: die Wirtschaft, die Grenze, einfach alles – Amerika wieder groß machen. Und die anderen, die Linken, die Radikalen, also die Demokraten: Die können es nicht, und sie wollen ihn stoppen. Mit allen Mitteln. Sie betrügen bei der Wahl. Sie instrumentalisieren die Justiz gegen ihn. Und sie trachten ihm nach dem Leben!

Schon zum zweiten Mal entging Trump nun womöglich einem Attentat, die Hintergründe sind noch nicht vollends geklärt. Da kann und muss man erst mal konstatieren: Gott sei Dank wurde ein versuchter Mord vereitelt. Ohne Wenn und Aber.

Der Vorfall an seinem Golfclub in West Palm Beach, Florida, passt unabhängig davon wunderbar in Trumps bevorzugte Erzählung. "Ich werde NIEMALS AUFGEBEN!", schrieb er an seine Anhängerinnen und Anhänger, während er über sein soziales Netzwerk Truth Social zwischen Danksagungen trocken festhielt: "Es war auf jeden Fall ein interessanter Tag!"

Vielleicht ist das der bedrückendste Befund: In diesem ohnehin brutalen Wahlkampf wird es kein Innehalten mehr geben. Die Fronten sind geklärt, die Polarisierung der Gesellschaft ist extrem. Eine Realität, auf die sich alle einigen könnten, scheint nicht mehr zu existieren. Zu Fakten gibt es immer eine Alternative, auch das haben viele von Trump gelernt. Schuldige werden gesucht, benannt und so zu Zielen gemacht. Und die Gewalt, die eigentlich immer da war, hat sich über die Worte tief in den Alltag geschlichen. Schon klingen die Warnungen vor einem Bürgerkrieg, die hier und da zu hören sind, nicht mehr völlig weltfremd. Ja eigentlich fast banal, als müsse es eben irgendwann so kommen: Es wird auf jeden Fall ein interessanter Tag.

Hass und Hetze gegen alle anderen

Aber auch ein Tag, vor dem viele Angst haben. Die war schon bei der Wahl 2020 berechtigt, als Experten aus Praxis und Wissenschaft vor der Abstimmung festhielten: "Das Potenzial für gewaltsame Konflikte ist hoch." Der mörderische Sturm auf das Kapitol war damals nur der letzte Beweis. Auch deshalb hatte schon das erste Attentat auf Trump viele schockiert, aber kaum jemanden überrascht. Es schloss sich ein Kreis, der mit seinem ersten Wahlkampf begonnen hatte: Hass und Hetze gegen alle anderen, Bezeichnung politischer Gegnerinnen und Gegner als "Ungeziefer", immer wieder mindestens die Verharmlosung von Gewalt, wenn nicht gar ihre Rechtfertigung. Der Eindruck bleibt bis heute: Wenn seine Anhängerinnen und Anhänger zur Tat schreiten, hat Trump damit kein Problem. Im Gegenteil.

Und es ist alles bereit für die nächste Eskalation. Die Wut auf das System und jene, die dafür stehen, kocht weiter. Schon jetzt bekommen das viele zu spüren, die es auf den untersten Ebenen noch zusammenhalten: Lokalpolitiker, Wahlhelferinnen, engagierte Bürgerinnen und Bürger, die für die Parteien an Türen klingeln – sie sind die eigentlichen Opfer, werden bedroht, belästigt, angegriffen. Die meisten Fälle schaffen es nicht in die Schlagzeilen.

Derweil schürt Trump schon die Zweifel an der nächsten Wahl: Sollten die Demokraten mit Kamala Harris gewinnen, dann nur, weil sie betrügen. Und dass Gewalt ein Mittel sein kann, dagegen etwas auszurichten, redet Trump niemandem aus. Dabei wäre er vielleicht der Einzige, der das kann. Die, die ihm folgen, nennt er eine Bewegung. Er könnte sie auch auf einen anderen Weg führen.

Stattdessen reihen sich viele mit großer Reichweite ein und marschieren stumpf mit. Tesla-Milliardär und Trump-Fanboy Elon Musk etwa, der den Post auf seiner Plattform X zwar später wieder zurückzog, aber nach dem Vorfall vom Sonntag in Florida schrieb: "Und es versucht nicht mal jemand, Biden/Kamala zu ermorden", garniert mit grübelndem Emoji. Ein Scherz, der ohne den richtigen Kontext missverstanden wurde, erklärte Musk schließlich. Aber das ist eben das Problem: Der Zusammenhang ist immer klar genug, dass jene, die es so verstehen wollen, sich aufgefordert fühlen können. Und lustig ist das alles nicht mehr.

Nur einer kann darüber offenbar immer noch lachen. Nach dem Vorfall am Sonntag soll Trump gegenüber seinem Umfeld schnell wieder zu Späßen aufgelegt gewesen sein: Er sei vor allem enttäuscht, dass er seine Golfrunde nicht habe zu Ende bringen können, es sei so gut gelaufen bis dahin. So mag er auch über das verbale Spiel mit der Gewalt denken: Es läuft ja. Bis es ihn dann doch einholt. Denn dass Trump nun schon zum zweiten Mal das Ziel eines Attentäters wurde, liegt sicher nicht an der angeblich so radikalen Rhetorik seiner politischen Gegnerin.

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