Thomas Tuchel und der FC Bayern: Auf dem Weg in die Sackgasse?

11 Feb 2024

Analyse

Niederlage gegen Leverkusen Tuchel und der FC Bayern: Auf dem Weg in die Sackgasse?

Thomas Tuchel - Figure 1
Foto STERN.de

Erlebte eine Klatsche seiner Mannschaft mit: FC-Bayern-Trainer Thomas Tuchel

© Federico Gambarini / DPA

von Patrick Strasser

11.02.2024, 08:27 2 Min.

Thomas Tuchel wollte im so bedeutsamen Spiel gegen Bayer Leverkusen den besonderen Kniff aus seiner Trickkiste ziehen. Er wollte die Karte ausspielen, mit der keiner rechnet, wie einst Pep Guardiola. Das Experiment ging schief. Es zeigt auch: Zwischen Tuchel und dem FC Bayern passt es noch nicht.

Xabi Alonso trug einen schwarzen Pullover, saß aufrecht auf dem Podium der Pressekonferenz, legte seine Hände ruhig und entspannt vor sich auf den Tisch. Er hätte in diesem Outfit zu sämtlichen Themen der Welt Stellung beziehen können, so neutral, so aufgeräumt präsentierte sich der Bayer-Trainer. Klar, er war auch der Sieger-Trainer des Abends nach dem vorgezogenen Titel-Showdown um die Meisterschaft. Seine Mannschaft hatte mit 3:0 gegen den FC Bayern München gewonnen, die Tabellenführung damit auf fünf Punkte Vorsprung ausgebaut.

Zwei Plätze rechts von ihm Thomas Tuchel. Der unterlegene Chefcoach konnte kaum ruhig sitzen, rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Seine Körpersprache zeigte den Unwillen, sich in diesem Moment den Fragen der Journalisten stellen zu müssen. Er beugte sich nach vorne, kauerte zuweilen mit ungesunder Rückenhaltung am Tisch und kaute die unangenehmen Themen durch – immer noch in seiner Arbeitskleidung, im Trainingsoutfit. Mit weißem Hoodie, schwarzer Weste und schwarzem Käppi.

Thomas Tuchel stehen beim FC Bayern schwere Tage bevor

Die weiße Weste gehört weiter Alonso. Der Spanier verkörpert die Eleganz und die Leichtigkeit im Coaching angesichts von 31 ungeschlagenen Spielen und der Aussicht, um drei Titel (Meisterschaft, DFB-Pokal und Europa League) mitzuspielen. Tuchel dagegen stehen schwere Tage und Wochen bevor, dafür war dieses 0:3 zu niederschmetternd aus Bayern-Sicht, zu demaskierend. In allen Belangen. Wieder einmal ging ein sicher wohl durchdachter Plan des 50-Jährigen nicht auf, gingen seine Umstellungen in Sachen Taktik und Personal nach hinten los. Und das, obwohl man in München im Gegensatz zu den Leverkusenern, denen das intensive 3:2 vom Dienstag im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Stuttgart in den Köpfen und Gliedern hing, eine ganze Trainingswoche Zeit hatte.

Für das Duell mit Alonso, der als Mittelfeld-Stratege alle Titel des Weltfußballs gewinnen konnte, aber erst am Anfang seiner Trainerlaufbahn steht, wählte Tuchel eine spezielle Herangehensweise. Mit Dreierkette im Aufbau, einer Fünferkette gegen den Ball und einem Spieler weniger in der Offensive (Thomas Müller). Als er nach einer Stunde angesichts des 0:2-Rückstands zum gewohnten 4-2-3-1-System mit Viererkette zurückkehrte, lief es offensiv wie defensiv ein klein wenig besser, weil strukturierter. Dieses System kennen die Spieler, mögen die Spieler. Aber Tuchel ("Es war keine Frage der Taktik!") wollte in einem so bedeutsamen Spiel den besonderen Kniff aus seiner Trickkiste herausziehen. Er wollte die Karte ausspielen, mit der keiner rechnet.

Wie Pep Guardiola: Thomas Tuchel wählt im wichtigen Spiel die falsche Taktik 

Kommt einem bekannt vor. Pep Guardiola, ein Bruder im Geiste von Tuchel, was den chirurgischen Blick auf den Fußball und die unendlichen Weiten der Taktik betrifft, zog einst in großen Spielen auch diesen – vermeintlichen – Joker, um alle zu überraschen. Was in so manchem wichtigen Endspiel kolossal schiefging. Mit seinen personellen Rochaden und taktischen Revolutionen setzte sich Guardiola selbst Schach matt. Der Spanier hat daraus gelernt und lässt bei Manchester City mittlerweile die Finger von Harakiri-Entscheidungen. 2023 gewann City die Champions League, insgesamt fünf Titel.

Tuchel griff in Leverkusen daneben, zeigte sich danach trotzig ("Ich würde es wieder so machen") und verstärkte damit den Eindruck, dass es einfach nicht passt zwischen diesem Bayern-Kader, der rein inhaltlich nach Tuchels Dafürhalten (noch?) keine Tuchel-Mannschaft ist. Aber auch emotional will der Funke nicht überspringen. Empathie füreinander und Energie miteinander fehlen. 

Ende März 2023 wurde Tuchel nach Bayerns 1:2-Pleite in Leverkusen unter Julian Nagelsmann als Titel-Retter auserkoren. Von drei möglichen Trophäen wurde es nur die von Dortmund geschenkte Meisterschaft. Bekommen er und die Mannschaft den Umschwung jetzt noch hin? Nicht in der Meisterschaft, da scheint Leverkusen angesichts von fünf Zählern Vorsprung auf dem besten Weg. Nein, im Miteinander.

Eine Trennung zum Saisonende erscheint trotz Tuchels Vertrag bis Sommer 2025 immer unausweichlicher. Oder führt der Weg bereits in den nächsten Spielen weiter in die Sackgasse?

#Themen Thomas Tuchel FC Bayern München Bundesliga
Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten