Auschwitz-Drama "The Zone of Interest" zeigt die Banalität des Bösen
Stand: 26.02.2024 06:00 Uhr
"The Zone of Interest" unterläuft gezielt gängige Zuschauererwartungen. Er liefert eine grauenhaft nüchterne Alltagsschilderung des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß und seiner Familie.
von Bettina Peulecke
Bei seiner Weltpremiere in Cannes sorgte "The Zone of Interest" letztes Jahr auf Anhieb für Furore. Inzwischen ist das Holocaust-Drama, das auf dem Roman von Martin Amis basiert, für fünf Oscars nominiert, unter anderem in der Königskategorie "Bester Film". In den Hauptrollen: die deutschen Schauspieler Sandra Hüller und Christian Friedel.
Dieser Film ist so eindrücklich, weil er das absolute Gegenteil von aufklärenden Spielfilmen mit eingängigem Gut-und-Böse-Schema à la "Schindlers Liste" ist. Und er setzt viel historisches Wissen voraus.
Der "normale" Alltag der Familie HößAm Anfang steht die Dunkelheit: eine schwarze Leinwand vor Augen, wummernde Klänge im Ohr. Der Filmtitel erscheint in Weiß, die Buchstaben zerfasern, verschwinden. Der Klangteppich wird wieder dichter, um dann fast übergangslos von Vogelgezwitscher abgelöst zu werden. Nun ist der Himmel blau, es ist ein schöner Sommertag, eine fünfköpfige Familie badet im Fluss.
Jonathan Glazers "The Zone of Interest" unterläuft gezielt gängige Zuschauererwartungen. Er setzt formal und inhaltlich auf Kontraste und liefert eine grauenhaft nüchterne Alltagsschilderung des Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz, Rudolf Höß, seiner Frau Hedwig und ihrer fünf Kinder.
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Familie Höß lebt in einem geräumigen Haus mit idyllischem Garten voller Blumen und Gemüse - ganzer Stolz von Hedwig Höss. Ein Wohlstandsparadies, umgeben von einer Mauer, hinter der im Konzentrationslager Tag und Nacht Menschen ermordet werden. Nie wird gezeigt, was im Lager passiert, aber die Tonspur ist gnadenlos: Schüsse, Schreie und das Dröhnen der Krematorien sind allgegenwärtig.
Rudolf Höß ist ein biederer Familienvater, Hedwig Höß eine pragmatische Hausfrau. Beide nutzen jede Gelegenheit, die das System ihnen bietet, um ihre eigenen Lebensumstände angenehmer zu machen und ihr Ansehen zu steigern. Eine Blaupause der Banalität des Bösen.
Drehort hinterließ beim Filmteam bleibenden EindruckGedreht wurde in Polen, zwar nicht im Original-Haus der Familie Höß, aber in gleicher Nähe zu Auschwitz. Das Vor-Ort-Sein war für den Schauspieler Christian Friedel sehr wichtig: "Dass man dort gedreht hat, macht etwas mit einem: dass man nie vergisst, welche Verantwortung man eigentlich hat. Wir alle verdrängen ja in unserem Leben, und manchmal ist es auch überlebensnotwendig - aber wir konnten den Fakt nicht verdrängen, was wir dort machen, wo wir dort sind, das zu spüren. Das war sehr wichtig für das gesamte Team."
Die Tatsache, dass in unmittelbarer Nähe ununterbrochen Menschen getötet wurden, was im Alltag der Familie nie thematisiert wurde, war für Sandra Hüller allgegenwärtig: "Unsere Arbeit hatte immer etwas damit zu tun, dass wir das die ganze Zeit im Bewusstsein haben, während die das nicht im Bewusstsein hatten. Auf dieser Diskrepanz hat sich die ganze Zeit die Arbeit bewegt. Das war total interessant und so habe ich es ehrlich gesagt auch noch nie erlebt."
Es gibt nicht mehr viele, die den Holocaust er- und überlebt haben. Noch sind die Berichte der Zeitzeugen und die dokumentarischen Bilder im kollektiven Gedächtnis vornehmlich einer gewissen Altersgruppe vorhanden. Für sie funktioniert "The Zone of Interest" in seinem Nicht-Zeigen. Für alle anderen wird es problematisch.
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NDR Info | Kultur | 26.02.2024 | 07:55 UhrSchlagwörter zu diesem Artikel Spielfilm