manage:mobility: VW-Vibes in Ingolstadt
Liebe Leserin, lieber Leser,
was für ein Mittwoch. Am Vormittag war klar: Donald Trump (78) wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Am Abend dann der große Knall in Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (66) schmeißt Finanzminister Christian Lindner (45) raus, die Ampel ist am Ende. Scholz wird die Vertrauensfrage stellen, der Bundestag wahrscheinlich am 15. Januar 2025 darüber entscheiden. Sollte es dann Ende März Neuwahlen geben, dürfte die schwere Krise der Autoindustrie ein Kernthema im bevorstehenden Blitzwahlkampf werden.
In den USA fürchten Donald Trumps Gegner nach seiner Wahl den Verfall zu einer Diktatur. Seine Anhänger waren dagegen kaum zu halten. Allen voran sein wohl bekanntester Wahlkämpfer: Tesla-Chef Elon Musk (53) feuerte über sein Sprachrohr X eine Endlossalve an begeisterten Kommentaren ab. „Die Zukunft wird fantastisch“, glaubt Musk und rekreierte sein Spülbecken-Meme („Let that sink in “) von der Twitter-Übernahme 2022 – diesmal mit dem Oval Office im Hintergrund.
Musk hat allen Grund zur Freude. Teslas Aktie hob zweistellig ab, nachdem sich Trumps Wahlsieg abgezeichnet hatte. Die Aktien der deutschen Autobauer knickten dagegen ein, das US-Geschäft dürfte für sie unter Trump noch komplizierter werden.
Unsere Themen der Woche:
Wie auch Audi Tausende Stellen streichen will.
Warum Tesla in Hamburg in einer bizarren Servicehölle steckt.
Wieso Karl-Thomas Neumann den Glauben an Autodeutschland verloren hat.
Thema der Woche: Wie auch Audi Tausende Stellen streichen willGreift durch: Audi-Chef Gernot Döllner
Foto: Sven Hoppe / dpaIm Dauerfokus auf den Arbeitskampf bei VW sollte man eins nicht vergessen: Die Kernmarke ist ein großes Sorgenkind des Volkswagen-Konzerns, sie ist aber nicht das einzige. Audi zum Beispiel war zwar lange ein Gewinngarant, die Zeiten sind aber erst mal vorbei. Modelle kommen zu spät, die Auftragslage ist mau, die Werke sind nicht ausgelastet. Audi sei ein „Restrukturierungsfall“, soll Konzernchef Oliver Blume (56) kürzlich festgestellt haben. Markenchef Gernot Döllner (55) begreift das allem Anschein nach als Auftrag zum Abbau – und eckt mit seinem Stil immer wieder an. Auch in Ingolstadt und Neckarsulm wird es ungemütlich. Mein Kollege Michael Freitag berichtet exklusiv, wie Audi Tausende Stellen streichen will .
Köpfe: Klaus Rosenfeld ++ Karl-Thomas Neumann ++ Florian Huettl ++ Marc Ferracci ++ Xavier Martinet
„Werden es sozialverträglich und mit Augenmaß umsetzen“: Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld will Stellen abbauen
Foto:Bloomberg / Getty Images
Tausende Stellen streicht auch Klaus Rosenfeld (58). Insgesamt baut Schaeffler 4700 Jobs ab, davon 2800 in Deutschland. Rosenfeld reiht sich damit ein in eine Riege deutscher Zuliefererchefs, die mit dem Standort Deutschland hadern. Bosch, Continental, ZF Friedrichshafen, Hella, Brose ... die Liste scheint kein Ende zu nehmen.
Chef bei Continental war einst Karl-Thomas Neumann (63), später auch Volkswagen-Chef in China und Opel-CEO. Trotz schlanker Statur also lange Zeit ein Schwergewicht in Autodeutschland. Nachdem er 2017 beim Versuch, Opel zu elektrifizieren „im vollen Lauf gestoppt“ worden war, schlug „KTN“ einen anderen Weg ein. Er wurde Investor. Bei Start-ups wie Canoo oder Door2Door versenkte er viel Geld, pumpte dafür sein Telefonbuch auf. Heute investiert er in ein israelisches Start-up und sitzt im Verwaltungsrat von Polestar. Neumann sieht die deutsche Industrie im Dilemma – und hat meinem Kollegen Claas Tatje erzählt, warum er die Finger von ihr lassen will .
Neumanns Nach-Nach-Nachfolger als Opel-Chef, Florian Huettl (47), soll zwar voll auf Elektro umstellen, die deutschen Opel-Werke werden davon aber eher wenig haben. „Wir können in Deutschland keine Elektroautos bauen, die zwischen 25.000 und 30.000 Euro kosten“, sagte Huettl der „Augsburger Allgemeinen“. Mit den deutschen Lohn- und Energiekosten gehe das heute einfach nicht.
Vielleicht würden ja neuerliche Subventionen helfen. Die bringt Frankreichs Industrieminister Marc Ferracci (46) ins Spiel. Anders als bislang sollten E-Kaufprämien aber europaweit abgestimmt sein, um sich vor Attacken aus China zu schützen.
Nicht allzu weit entfernt von Florian Huettl in Rüsselsheim wird im kommenden Jahr Xavier Martinet (46) sein neues Büro beziehen. Den bisherigen Dacia-Manager zieht es nach Offenbach, er wird neuer Europachef bei Hyundai. Amtsinhaber Michael Cole (60) tritt zurück und will in Großbritannien das „Leben nach der Arbeit“ mit seiner Familie genießen.
Unternehmen: Tesla ++ BMW ++ Audi ++ Stellantis ++ FordClosed Shop: Die Tesla-Werkstatt in Hamburg ist seit Monaten geschlossen
Foto: Hanno Bode / IMAGOWährend Tesla an der Börse auf dem Trump-Hoch segelt, muss sich der E-Auto-Hersteller in Deutschland mit lästigeren Themen herumschlagen. In Grünheide gibt es immer wieder Stress mit Arbeitnehmervertretern. Die versucht das Management nun mit 4 Prozent mehr Gehalt für alle Beschäftigten ruhigzustellen. Auch außerhalb der Gigafactory scheint es bei Tesla personell zu haken: Die Werkstatt in Hamburg ist seit Monaten geschlossen, der Frust der Kunden steigt. Tesla schiebt das Chaos auf Renovierungsarbeiten, doch es gibt Anzeichen, dass mehr hinter der bizarren Servicehölle in Wandsbek steckt .
Nur geringe Chancen, etwas zu verheimlichen, haben börsennotierte Autokonzerne, wenn es um ihre Kennzahlen geht. Für deutsche Autobauer wurden die Zwischenberichte nach dem dritten Quartal in den letzten Tagen zur nervigen Pflicht: BMW? Büßte beim Gewinn im Vergleich zum Vorjahr fast 84 Prozent ein. Audi? Sogar 91 Prozent. Mercedes hatte schon vor zwei Wochen im Pkw-Geschäft einen Gewinneinbruch um 64 Prozent vermeldet; ähnlich war es dem Volkswagen-Konzern ergangen.
Ein wenig Hütchenspielerei ist bei der Bilanzierung aber doch möglich: Stellantis, der Autokonzern mit Marken wie Peugeot, Fiat oder Opel, ist zwar börsennotiert, weist aber trotzdem keine Quartalsgewinne oder -verluste aus. Besonders toll, so viel kann man ahnen, dürfte auch das vollständige Stellantis-Zahlenwerk nach dem dritten Quartal nicht ausgesehen haben. Einen Umsatzeinbruch um 27 Prozent gestand der Konzern zumindest ein.
2025 beendet Ford in Saarlouis die Produktion des Focus. Für 1000 Beschäftigte soll trotzdem ein Beschäftigungsschutz bis 2032 gelten. Unternehmen und Betriebsrat verhandeln über eine entsprechende Transfergesellschaft. In diesen Zeiten selten: Betriebsratschef Markus Thal spricht von positiven Signalen, „Ford 1000“ nehme im Saarland Formen an. Statt der Autoproduktion seien ein Servicecenter für Antriebsbatterien, ein Verteilzentrum für Ersatzteile und ein Service-Teile-Center geplant.
Mehr Mobilität: Pon, Porsche und PolitikPremiumrennräder von Cervélo: Sie werden künftig nicht mehr in Mainz gebaut
Foto: Roth / CV / picture alliance„Werksschließung“ ist im automobilen Umfeld gerade ein Reizwort. Doch Krise herrscht auch anderswo, etwa auf zwei Rädern. Der niederländische Fahrradriese Pon.Bike schließt nun in Mainz eine seiner beiden deutschen Fabriken. Dabei hatte man beim Produktionsstart im Juli 2022 noch große Pläne.
Ums Überleben kämpft Varta. Einen Boost erhält der schwäbische Batteriehersteller jetzt wie erhofft von Porsche. Das Bundeskartellamt erlaubt dem Sportwagenhersteller, Vartas Autobatterie-Tochtergesellschaft V4Drive Battery zu übernehmen.
Einen Lichtblick gibt es auch für den schwer angeschlagenen Batteriezellenhersteller Northvolt. Das Land Schleswig-Holstein will den Schweden noch 2024 die zugesagten Fördermittel für die geplante Fabrik in Heide auszahlen. Finanzieren will das Land die versprochenen 137 Millionen Euro über den Ukraine-Notkredit. In einem zweiten Schritt soll der Bund Northvolt weitere 564 Millionen Euro bereitstellen.
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Deep Drive: Wie sinnvoll war der Umweltbonus?
Elektroboost: Mit dem Umweltbonus wurden in Deutschland 1,4 Millionen rein batteriebetriebene Autos, 770.000 Plug-in-Hybride und 475 Wasserstofffahrzeuge gefördert
Foto: FrankHoermann / Sven Simon / IMAGO / Sven SimonDass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (55) den „Umweltbonus“ für Elektroautos vor knapp einem Jahr in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einkassierte, nehmen ihm bis heute nicht wenige in der Autobranche übel. Jetzt hat sein Ministerium einen Evaluationsbericht zu dem Subventionsprogramm veröffentlicht. Auf 201 Seiten kann man nachlesen, was die 10,2 Milliarden Euro Förderung zwischen Sommer 2016 und Winter 2023 gebracht haben. Lückenhafte Kurzzusammenfassung: Die erzielten CO₂-Ersparnisse fielen mit 44 Millionen Tonnen geringer aus als erwartet. Überproportional profitiert haben vom Bonus Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen: Knapp ein Drittel der erfolgreichen Antragssteller hatte ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 6000 Euro.
Einmal im Jahr veröffentlicht der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) ein „Ladenetz-Ranking“ und nutzt die Gelegenheit zu einem seiner Lieblingsappelle: Nicht die Autobauer bremsten die Elektromobilität aus, sondern der schleppende Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur. Auch diesmal heißt es vom VDA: „Der Handlungsbedarf ist weiter groß.“ Immerhin hat der Verband festgestellt, dass die „Lücke zwischen Angebot und Bedarf bei Lademöglichkeiten für E-Autos“ kleiner werde. Vor einem Jahr kamen in Deutschland noch rund 21 E-Autos auf einen Ladepunkt, diesmal waren es nur noch 17,3.
Geisterfahrer der Woche
Blue Sky Going? Nio-Chef William Li könnte außerhalb Chinas seine Elektrostrategie aufweichen
Foto: Tatan Syuflana / APAm Freitag berichtete das chinesische Medium „Yicai“, Elektroautobauer Nio wolle mit seiner Submarke Firefly außerhalb Chinas auch Hybride anbieten. Gilt „Blue sky coming“, Nios Versprechen, Städte mit Elektroautos vom Smog zu befreien, etwa nicht mehr? Und Nios Strategie mit Wechselakkus? Der Hersteller dementierte. Am Montag legte die Nachrichtenagentur Reuters trotzdem nach. Großinvestor CYVN aus Abu Dhabi soll Nio den Schritt nahegelegt haben, um die Expansion anzukurbeln. Außerhalb Chinas legen Gründer William Li (50) und seine Leute trotz technisch bemerkenswerter Fahrzeuge bislang eine echte Geisterfahrt hin. In Europa hat Nio laut Datendienstleister Jato im September gerade mal 110 Autos auf die Straße gebracht. MG verkaufte währenddessen 6184 Einheiten des MG3, erfolgreicher war kein anderes Chinamodell. Unter der Haube hat der, na klar, einen Hybridantrieb.
Kommen Sie gut durch die Woche.
Ihr Christoph Seyerlein
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