Aus für gedruckte "taz"-Tageszeitung: "Wir wollen wieder ...

3 Tage vor
Taz

Die Chefredaktion der taz: Barbara Junge (l.) und Ulrike Winkelmann

Die linke Tageszeitung "taz" macht im nächsten Jahr einen harten Schnitt, über den andere bislang nur nachdenken. Das Haus ist überzeugt: Andere werden folgen.

Nach dem 17. Oktober 2025 wird es keine gedruckte Tageszeitung "taz" mehr geben. Die beiden Chefredakteurinnen Barbara Junge und Ulrike Winkelmann erläutern im Interview der Deutschen Presse-Agentur, was hinter dem Schritt steht. Und warum es die Marke "taz" trotzdem noch weiterhin am Kiosk geben wird.

Warum stellen Sie die gedruckte Tageszeitung ein?
Junge:
Moderner täglicher Journalismus ist eben digital und verknüpft. Mit unserer Wochenzeitung "wochentaz" erscheinen wir weiterhin auf Papier. Und eine tägliche Zeitung gibt es auch in Zukunft – aber als E-Paper.

Haben Sie keine Leser mehr für die täglich gedruckte Zeitung?
Winkelmann:
Wir verlieren in der Tat schon lange, wie alle anderen Zeitungen auch, pro Jahr eine bestimmte Menge an Abonnentinnen und Abonnenten. Von unseren rund 85.000 Verträgen kommen nur noch etwa 16.500 aus der werktäglichen Druck-Ausgabe. Weil diese Kurve durch keine Werbemaßnahme aufzuhalten ist, hat unser früherer Geschäftsführer schon vor mehreren Jahren gesagt: "Wir brauchen eine Zukunftsstrategie, die auf die digitalen Produkte plus gedruckte Wochenzeitung setzt." Wir sind nun kurz vor dem Ziel, an dem wir sagen: Jetzt lohnen sich der Druck und Vertrieb des gedruckten Produkts unter der Woche nicht mehr - gleichzeitig sind die anderen Produkte erfolgreich genug, dass wir das damit kompensieren können.

Junge: Wir haben uns dafür Zielzahlen gesetzt, weil wir den Schritt aus einem Moment der Stärke heraus machen wollen. Die Ziele sind 30.000 Abos bei Wochenzeitung, täglichem E-Paper und bei einer Kombination der beiden. Dazu kommen 40.000 Verträge des freiwilligen Bezahlmodells "taz zahl ich", die Webseite ist ja auch weiterhin kostenfrei. 2024 kommen allein bei diesen Solidaritäts-Verträgen mehr als drei Millionen Euro zusammen. Die Zahlen sind steigend. Wir setzen hier auf Reichweite und Solidarität. 2025 erreichen wir diese Ziele.

Schreiben Sie rote Zahlen mit der gedruckten Zeitung?
Winkelmann:
Wir summieren immer alles auf, was wir haben. Unsere Reichweite ist insgesamt mächtig gewachsen, denn die Menge der verschiedenartigen Abos und Verträge addiert sich tatsächlich zu besseren Zahlen, als wir sie früher hatten.

Printmedien

Die "taz" stellt gedruckte Tageszeitung ab Herbst 2025 ein

Die linke Tageszeitung "taz" macht im nächsten Jahr einen harten Schnitt, über den andere bislang nur nachdenken. Nach dem 17. Oktober 2025 wird es keine gedruckte Tageszeitung "taz" mehr geben. ...

Werden Sie Stellen streichen?
Winkelmann:
Die "taz" hat ausdrücklich beschlossen, dass wir die "Seitenwende" ohne Stellenabbau machen werden - alle werden mitgenommen. Insgesamt geht es dabei um rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – nicht alle auf ganzen Stellen natürlich -, davon rund 180 in der Redaktion.

Sie sind eines der ersten Medienhäuser in Deutschland, das den Druck der Tageszeitung einstellt. Sind Sie nur ein Exot oder eher die Speerspitze einer Bewegung, die jetzt beginnen wird?
Junge:
Wir waren schon immer Medienpioniere. Wir haben die Genossenschaft 1992 gegründet. Heute rufen alle irgendwelche Clubs und Mitgliedschaften aus. Wir waren früh im Netz. Und jetzt wollen wir wieder Mediengeschichte schreiben. Wenn wir uns nicht veränderten, sähen wir - wie alle anderen auch - ein Minus auf uns zukommen. Und im Gegensatz zu anderen Verlagen nutzen wir nicht das Instrument, Leute zu entlassen. Wir gehen davon aus, dass uns andere Häuser folgen werden.

In der Politik ist die Linke in Bedrängnis gekommen. Sinkende Werte bei den Ostwahlen in Thüringen und Sachsen. Frühere Linken-Politiker sind jetzt im Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Gibt es eine ähnliche Entwicklung im Spektrum des linkeren Journalismus: Bricht Ihnen Leserschaft weg? 
Junge:
Der Bedarf ist eigentlich eher größer in so politisch zugespitzten Zeiten. Gerade zum Thema Rechtsextremismus ist die Nachfrage auf unserer Webseite riesig.

Die Personen

Ulrike Winkelmann, 53, und Barbara Junge, 56, sind seit 2020 die Chefredakteurinnen der "taz". Winkelmann kam damals vom öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk. Sie hatte bei der "taz" volontiert und arbeitete dort danach unter anderem als Redakteurin für Sozialpolitik und Parlamentskorrespondentin und leitete später auch das Innenressort. Dazwischen ging sie für ein Jahr zur Wochenzeitung "der Freitag". 2014 war sie als Politik-Redakteurin zum Deutschlandfunk gewechselt.

Junge war seit 2016 Vize-"taz"-Chefredakteurin und hat auch ihre journalistischen Wurzeln bei der Zeitung. 2001 wechselte sie zum "Tagesspiegel", für den sie 2013 als US-Korrespondentin nach Washington ging. 2016 kam sie zur "taz" zurück.

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