Tag der Deutschen Einheit im Stuttgarter Rathaus
Der ehemalige deutsche Fußball-Nationalspieler Claudemir Jerônimo Barreto, genannt Cacau, hat am Tag der Deutschen Einheit auf die Bedeutung von Gemeinschaft und Geschlossenheit verwiesen.
Bei der jährlichen Festveranstaltung im Stuttgarter Rathaus sagte er: „Wir leben in herausfordernden Tagen, in denen wir oft das Gegenteil von Einheit sehen und erleben. Und wir sind möglicherweise versucht, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu behaupten, dass sie daran schuld seien, dass wir diese Einheit nicht leben. Aber lassen Sie uns auf uns selbst schauen, wenn es um die Verantwortung für diese Einheit geht. Was kann jeder einzelne von uns dafür tun?“
Der in Brasilien geborene Cacau verwies auf zwei Schlüsselerlebnisse, die er mit der deutschen Fußballnationalmannschaft hatte. „Als wir 2007 mit dem VfB Stuttgart Meister wurden, haben viele nicht an uns geglaubt – nicht einmal wir selbst. Als wir mit der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika Dritter wurden, nachdem wir vor dem Turnier Schlüsselspieler wie Michael Ballack verloren hatten, hatten wir an einen solchen Erfolg ebenfalls kaum zu hoffen gewagt. Aber in beiden Fällen lag unsere Stärke und die Grundlage unseres Erfolgs in unserer mannschaftlichen Geschlossenheit.“ Cacau betonte, er wolle die Komplexität eines Landes, seiner Geschichte und seiner gesellschaftlichen Herausforderungen keineswegs auf ein Fußballspiel reduzieren. Aber es gebe Grundsätze, von denen man lernen könne. „Der Tag der Deutschen Einheit macht uns bewusst, wie viel wir alle gemeinsam erreichen können.“
Cacau ist seit 2009 deutscher Staatsangehöriger. Als diesjährigen Festredner hatte ihn Stuttgarts Oberbürgermeistermeister Dr. Frank Nopper ausgewählt. „Cacau ist für mich der lebende Beweis dafür, dass Integration gelingen und sogar tief in den Herzen ankommen kann. Nicht nur, weil er als Nationalspieler die deutsche Nationalhymne mit größerer Begeisterung und Inbrunst mitgesungen hat als jeder andere, sondern auch, weil er sich aktiv in die Gesellschaft einbringt und für sie einsetzt.“ Als Integrationsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes, als Botschafter der Gastgeberstadt Stuttgart für die UEFA EURO 2024 und durch sein vielfältiges soziales Engagement wolle er Deutschland etwas von dem zurückgeben, was er dem Land zu verdanken habe. Dies zeichne ihn als echten Patrioten aus.
In seiner Begrüßung verwies Nopper auf eine aktuelle Umfrage des Instituts INSA, der zufolge nur 50 Prozent der Befragten sagten, dass der Tag der Deutschen Einheit für sie ein Grund zur Freude sei. Er betonte, dass er zu 200 Prozent bei dieser Hälfte der Befragten sei: „Der heutige Tag ist für uns Deutsche ein Tag der Freude über die von vielen herbeigesehnte Wiedervereinigung unseres Landes, ein Tag der Freude des Sieges der Demokratie über die Diktatur, ein Tag der Freude, weil er nicht nur die Reisefreiheit, sondern auch die Freiheit im Denken und Handeln bedeutete.“ Historische Filmaufnahmen erinnerten im Stuttgarter Rathaus an die deutsche Teilung und den Bau der Mauer, an das Engagement der Menschen im geteilten Deutschland und die internationale politische Unterstützung, die schließlich zum Fall der Mauer und zur Deutschen Einheit führten.
„Leider ist nicht alles zusammengewachsen, was zusammengehört“, so Nopper. „Wir müssen alles dafür tun, dass der Tag der Deutschen Einheit für diejenigen wieder zu einem Tag der Freude wird, für die er heute kein Tag der Freude ist. Und wir müssen an die Ursachen herangehen, die bei den Menschen im Osten, aber auch im Westen zur Abwendung, zu Distanz und Skepsis führen.“
Nopper bezeichnete den 3. Oktober auch als einen Tag der Selbstvergewisserung. „Wir bekennen uns zu unserer freiheitlichen demokratischen Verfassung. Wir bekennen uns zu unseren unabdingbaren Grundwerten – über allem zur Würde des Menschen.“ Zur nationalen Identität in einem vereinigten Europa gehört für Nopper aber auch ein aufgeklärter und letztlich völkerverbindender Patriotismus. In einer Zeit starker Zuwanderung und angesichts einer auseinanderdriftenden Gesellschaft sei dieser wichtiger denn je. „Wohlstand und Sicherheit können brüchig werden und eignen sich auf Dauer allein nicht als Kitt in einer vielfältigen Gesellschaft. Nur derjenige wird Einwanderer und Neuankömmlinge für sich und für eine gemeinsame Sache gewinnen können, der sich selbst und sein Land mag, der sich zu seinen eigenen Wurzeln und Traditionen bekennt.“ Nopper zitierte den ehemaligen Bundestagspräsident Norbert Lammert. Dieser habe gesagt: „Ohne Gemeinsamkeit erträgt eine Gesellschaft auch keine Vielfalt – gerade die offene Gesellschaft braucht gemeinsame Werte und Orientierungen. Vielfalt braucht Orientierung.“
Abschließend verwies der Oberbürgermeister auf das Motto der zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in der Ostseestadt Schwerin „Vereint Segel setzen“ und sagte: „Ja, wir müssen vereint Segel setzen – in stürmischen Zeiten. Bei rauer See kann man nur Kurs halten, wenn alle mit Gemeinschafts- und Teamgeist an einem Strang ziehen.“ Musikalisch umrahmt wurde die diesjährige Feierstunde im Stuttgarter Rathaus von der Mezzosopranistin Cornelia Lanz. Beim anschließenden Empfang gab es – als Reverenz an die Stadt Schwerin – Spezialitäten aus Mecklenburg-Vorpommern.