Öffentlicher Gesundheitsdienst und Klinikum Stuttgart im ...
Die Landeshauptstadt Stuttgart setzt sich mit der Vergangenheit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und des Klinikums Stuttgart in der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Hieraus ergibt sich eine besondere Verantwortung und die Pflicht zur Aufklärung.
So widmen sich seit dem 23. September eine Wanderausstellung und eine Veranstaltungsreihe diesem Themenkomplex.
Als Abschlussveranstaltung fand am 27. November im Stuttgarter Rathaus eine Podiumsveranstaltung gemeinsam mit Vertretungen aus Politik und Gesundheitswesen statt. Teilgenommen haben unter anderem Minister Manfred Lucha MdL (Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration), die Stuttgarter Bürgermeisterin Dr. Alexandra Sußmann (Referat Soziales, Integration und Gesundheit) und die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Simone Fischer. Ziel war es, die aktuellen Entwicklungen gemeinsam zu betrachten und Anstöße für die Gegenwart und die Zukunft zu geben.
Minister Manfred Lucha MdL: „Demokratie lebt auch vom Wissen um ihre Geschichte. Erinnern heißt Arbeiten an der Zukunft. Wir müssen informieren, aufklären und die Erinnerung auch an die dunklen Kapitel unserer Geschichte stets wachhalten, damit nie wieder geschieht, was nie wieder geschehen darf. Und dazu gehört auch, auf die Rolle der staatlichen Institutionen in der Zeit des Nationalsozialismus hinzuweisen. Auch hohe Beamtinnen und Beamte des Landes haben mit ihrer täglichen Arbeit an den schrecklichen Verbrechen leider tatkräftig mitgewirkt – ja, diese manchmal gar erst ermöglicht. Die heutige Veranstaltung zur Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und des Klinikum Stuttgarts in der Zeit des Nationalsozialismus leistet einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur in unserem Land. Und zeigt noch einmal: Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie ist kein Zustand und nicht auf Ewigkeit garantiert. Wir müssen jeden Tag hart um sie kämpfen.“
Bürgermeisterin Dr. Alexandra Sußmann: „Auf diesen Teil der Geschichte aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein für die grausamen Taten von damals, das unfassbare Leid und das unglaubliche Unrecht zu schaffen, sehe ich als Auftrag von uns als Stadt und von mir als Bürgermeisterin für Soziales, Gesundheit und Integration. Die Einblicke in die Geschehnisse von damals können nicht im Ansatz deutlich machen, welch menschenverachtenden Taten in der Zeit des Nationalsozialismus verübt wurden. Gleichwohl können wir aus diesem Wissen, den Erfahrungen und Erkenntnissen gemeinsam Anstöße für die Gegenwart und die Zukunft ziehen – und dies nicht nur für Stuttgart, sondern auch darüber hinaus.“
Die Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Simone Fischer: „Im Nationalsozialismus wurden Menschen mit Behinderungen gezielt entrechtet, sie galten als 'lebensunwert'. Die Folgen dieser grausamen Ideologie waren u.a. Zwangssterilisationen und die Aktion T4, bei der rund 200.000 Menschen mit Behinderungen, darunter auch Kinder, systematisch ermordet wurden. Menschen, die in staatlichen Institutionen arbeiten, haben maßgeblich dazu beigetragen, diese Verbrechen zu organisieren und durchzuführen. Sie mussten sich bis zuletzt kaum einer Verantwortung stellen. Diese Episode unserer Geschichte verpflichtet uns heute, die Erinnerung an den Nationalsozialismus und seine Opfer wachzuhalten und zu verhindern, dass sie sich wiederholen kann. Das gilt ganz besonders angesichts aktueller politischer Tendenzen und gegenüber den Opfern von Zwangssterilisationen und der Aktion T4, die weiterhin nicht als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkannt werden.“
Der Vorstand des Klinikums Stuttgart, Professor Jan Steffen Jürgensen: „Die Verbrechen waren monströs und grausam. Sie begannen aber oft schleichend mit zunächst kleinen Verschiebungen, teils im Namen der Wissenschaft. Medizin trägt besondere Verantwortung – für den Schutz des Lebens, bedingungslose Hilfe für Patienten, die diese brauchen, fairen Zugang zum Gesundheitssystem und respektvolle, partnerschaftliche Behandlung. Für die kleinsten der Gesellschaft, die Kinder, gilt dies in besonderem Maße. Mit Sorge beobachte ich die Verrohung im politischen Diskurs mit teils menschenverachtenden Äußerungen.“
Der Leiter des Gesundheitsamtes, Professor Stefan Ehehalt: „Die Auseinandersetzung mit der Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes während des Dritten Reichs ist für das Gesundheitsamt Stuttgart von großer Bedeutung. Sie verpflichtet uns, den Öffentlichen Gesundheitsdienst konsequent an ethischen Prinzipien und am Wohl aller Menschen auszurichten.“
Dr. Günter Riederer, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Stadtarchivs: „Die Beschäftigung mit der Geschichte ist immer auch eine Beschäftigung mit der Gegenwart. Wenn wir nach der Rolle von Gesundheitsämtern und von Ärztinnen und Ärzten im Nationalsozialismus fragen, so tun wir das auch aus der Motivation heraus, unserer heutigen Verantwortung gerecht zu werden.“
Die Ausstellung ist noch bis zum 29. November im Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart, Schlossstraße 91, zu sehen.
Weitere Informationen zum Thema sind verfügbar unter: www.stuttgart.de/gesundheitsaemter-im-nationalsozialismus (Öffnet in einem neuen Tab)