Veranstaltung im Schloss Bellevue: Publizist kritisierte Steinmeiers ...

4 Tage vor
Steinmeier

Eines der wirkmächtigsten Bücher des Publizisten Marko Martin erschien im Herbst 2019 unter dem Titel »Dissidentisches Denken«. In dem vielfachen gelobten Essayband porträtiert er weltweit verstreut lebende Intellektuelle, die mit ihrer Meinung angeeckt sind. Der Autor eines solchen Buches löste nun als Festredner bei einer Veranstaltung zur friedlichen Revolution in der DDR vor 35 Jahren Aufregung aus.

Gastgeber der Veranstaltung im Berliner Schloss Bellevue war nämlich der Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier. Redner Martin prangerte unter anderem Steinmeiers Haltung gegenüber Russland und Kremlchef Wladimir Putin in seiner Zeit als deutscher Außenminister an. Er stellte sie in eine Reihe mit anderen historischen Einschätzungen prominenter Sozialdemokraten wie etwa Egon Bahr, dessen Worte von 1982, die polnische Solidarność-Bewegung sei »eine Gefahr für den Weltfrieden«, er zitierte.

Darauf reagierte Steinmeier laut Martin mit einem Wutausbruch. Über den Vorfall berichtete zuerst »Bild« , wo Augenzeugen zitiert wurden: »Schon während der Rede atmete Steinmeier schwer, kaute mit dem Kiefer, unterdrückte sichtbar seine Gefühle.«

Beim Empfang nach der Rede habe der Bundespräsident dann »völlig die Contenance verloren«, so Marko Martin in einem Interview bei »T-Online« . »Er ist angerauscht gekommen, um mir qua seines Amtes die Leviten zu lesen«, sagte Martin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Steinmeier habe ihn gefragt, ob es ihm Freude mache, Politiker zu diffamieren.

Die Sprecherin Steinmeiers sagte dem SPIEGEL, mit der Veranstaltung sei das freie Wort gewürdigt worden. Da sich in der Veranstaltung keine Gelegenheit ergeben habe, sei der Bundespräsident während des anschließenden Empfangs zu Martin gegangen und habe mit ihm kontrovers, aber sachlich über seine Rede diskutiert.

Martin warf Steinmeier in seiner Rede unter anderem das Festhalten am Projekt der Erdgaspipeline Nord Stream 2 vor: Dieses »war nur insofern ›eine Brücke‹ – Ihre Worte vom Frühjahr 2022 – als dass es Putin in seinen Aggressionen zusätzlich ermutigte, und zwar in seinem Kalkül, dass die Deutschen, ansonsten Weltmeister im Moralisieren, das lukrative Geschäft schon nicht sausen lassen würden, Ukraine hin oder her«.

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