Squid Game Staffel 2 geht schnell die Luft aus
Eine frohe Weihnacht wünscht Netflix seinen Zuschauern offenbar nicht: Wohl, um maximale Quote zu machen, hat der Streamer die Fortsetzung seines äußerst blutigen Superhits von 2021, „Squid Game“, ausgerechnet über die Weihnachtsfeiertage programmiert. Ein Zyniker, wer meint, dass dies die Prämisse der Show über lauter hoch verschuldete Leute spiegelt, die auf Leben und Tod um einen Mega-Jackpot zocken.
Die Verlierer werden ermordet
In Hwang Dong-hyuks koreanischer Serie von 2021 ließ sich ein bankrotter Glücksspieler namens Gi-hun (Lee Jun-jae) gemeinsam mit 455 weiteren finanziell Verzweifelten dazu verleiten, auf einer entlegenen Insel an einer Reihe von Spielen teilzunehmen, die dem Gewinner eine immense Geldsumme verspricht. Wie sich herausstellt, werden die Verlierer ermordet – und jeder weitere Tote lässt den potentiellen Gewinn steigen.
Der Clou der Serie war, dass die schockierten Überlebenden des ersten Spiels darüber abstimmen dürfen, dem grausigen Spektakel ein Ende zu setzen – und das tun sie, mit einem denkbar knappen Ergebnis. Allerdings nur, um die Einladung der Veranstalter nach kurzer Rückkehr in ihr Leben doch wieder anzunehmen. Aber wie sich zeigt, ist es auch für die zutiefst Verzweifelten und die größten Zyniker gar nicht so einfach, über Leichen zu gehen, um sich zur Erheiterung der schwerreichen Macher im Hintergrund selbst zu retten. Die Zuspitzung dieses Konflikts machte den Reiz von Hwangs plakativer Parabel aus.
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Hwang hatte seinen dystopischen Thriller, der mit der immensen Privatverschuldung ein echtes Drama der koreanischen Gesellschaft aufgriff, 2009 verfasst. Aber erst zehn Jahre später fand er bei Netflix eine Heimat dafür, als der Streamer mit ausländischen Produktionen sein wachsendes nichtamerikanisches Publikum zu bedienen suchte. „Squid Game“, eine clever erzählte und aufs Blutigste inszenierte Geschichte voller dramatischer Wendungen und faszinierender Charaktere, wurde zur meistgesehenen Netflix-Serie aller Zeiten. Es folgte ein beispielloses Vermarktungsfest inklusive Merchandise, Videospielen, einer Realityshow und der obligaten Fortsetzung, die sich als bloße Etappe des Verkaufsmarathons entpuppt.
Der zweiten Staffel geht schnell die Luft aus
Dabei hatte Hwang Dong-hyuk, der auch in der zweiten Staffel als Autor und Regisseur fungiert, gar keine Fortsetzung im Sinn. Die erste Staffel war ein Stück Sozialkritik, dem nichts hinzuzufügen war. Die Gesetze des Unterhaltungsgeschäfts schlagen kreative Erwägungen oft aus dem Feld, und so ließ sich Hwang ganz wie seine Figuren auf eine weitere Runde ein. Darin kehrt der Protagonist des Originals zurück, um den Machern des Spiels das Handwerk zu legen. Das Figurenensemble wurde zeitgemäß aktualisiert: Neben Gi-hun zählen ein Rapper, ein gescheiterter Krypto-Unternehmer und einige seiner Opfer, eine Transfrau und eine selbsterklärte Schamanin zu den Spielern; mehrere Charaktere aus der ersten Staffel treten erneut in Erscheinung.
Leider geht der Serie schon nach den ersten drei der sieben Episoden die Luft aus. Die Rahmengeschichte verblasst; Gi-hun sieht sich gezwungen, das Spiel erneut zu entern, und es wiederholt sich das Bekannte. Den Machern geht das erzählerische Pulver lange vor dem Finale aus. Was bleibt, ist ein noch blutigeres „Squid Game 2“, eine Doublette der ersten Staffel unter anderen Vorzeichen (die zentrale Wendung ist den Zuschauern, nicht aber Gi-hun bekannt). Mit „Squid Game 2“ betreibt Netflix genau das, was zu entlarven die erste Staffel angeblich im Sinn hatte: Ausbeutung. Ein erschöpfter Hwang Dong-hyuk sagte dem Magazin „Variety“, er habe „die Nase voll“ von „Squid Game“. Den Zuschauern dürfte es nach Staffel zwei genauso gehen.
Squid Game 2 startet am Zweiten Weihnachtstag, 26. Dezember, bei Netflix.