Nach Tod von Hamas-Chef Sinwar: US-Regierung sieht Chance für ...

2 Stunden vor
Nach Tod von Hamas-Chef Sinwar US-Regierung sieht Chance für Frieden – Iran und Hisbollah drohen mit Eskalation

Kurz bestehe jetzt eine Gelegenheit, den Krieg zu beenden und die israelischen Geiseln zu befreien, heißt es aus Washington. Die Hisbollah hingegen kündigt nach dem Tod von Yahya Sinwar eine Verstärkung ihrer Angriffe an.

Sinwar - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

18.10.2024, 03.25 Uhr

Foto: Amir Levy / Getty Images

Nach der Tötung von Hamas-Chef Yahya Sinwar durch die israelische Armee hat die US-Regierung dazu aufgerufen, die Gelegenheit für eine Beendigung des Gazakriegs zu nutzen. US-Präsident Joe Biden erklärte am Donnerstag, es gebe jetzt »die Möglichkeit für einen ›Tag danach‹ im Gazastreifen ohne die Hamas an der Macht und für eine politische Lösung, die Israelis und Palästinensern gleichermaßen eine bessere Zukunft bietet«.

Yahya Sinwar mit einem Kind in Gaza-Stadt (2021)

Foto: Emmanuel Dunand / AFP

Der Tod Sinwars markiere »einen guten Tag für Israel, für die Vereinigten Staaten und für die Welt«, hieß es in der Erklärung Bidens, der sich gerade auf dem Weg nach Deutschland befand. Auch Vizepräsidentin Kamala Harris erklärte, nun bestehe »die Möglichkeit, den Krieg im Gazastreifen endlich zu beenden«. Und er müsse so enden, »dass Israel sicher ist, die Geiseln freigelassen werden und das Leiden im Gazastreifen ein Ende hat«.

Biden erklärte weiter, er werde bald mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu sprechen, um mit ihm »über den Weg zu reden«, wie die Freilassung der von der Hamas festgehaltenen Geiseln erreicht und »dieser Krieg ein für alle Mal beendet werden kann«. Sinwar sei »ein unüberwindliches Hindernis für die Erreichung all dieser Ziele« gewesen. Dieses Hindernis bestehe nun nicht mehr, »aber es liegt noch viel Arbeit vor uns«, erklärte Biden.

Harris würdigte die Arbeit von US-Spezialeinheiten und Geheimdienstmitarbeitern, die »eng mit ihren israelischen Kollegen zusammengearbeitet haben, um Sinwar und andere Hamas-Führer ausfindig zu machen und zu verfolgen«. Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan betonte allerdings, dass US-Personal nicht an dem konkreten Einsatz zur Tötung Sinwars beteiligt gewesen sei.

Kurz zuvor hatte die israelische Regierung den Tod Sinwars bekannt gegeben. Nach Angaben der Armee töteten israelische Soldaten den Hamas-Chef am Mittwoch bei einem Einsatz im südlichen Gazastreifen. Der 61-Jährige galt als Drahtzieher des Großangriffs der radikalislamischen Palästinenserorganisation am 7. Oktober 2023 auf Israel.

Mehr Hintergrund über den getöteten Hamas-Führer finden Sie hier: Sie nannten ihn den lebenden Toten 

Die USA sind der wichtigste Verbündete Israels und der größte Waffenlieferant des Landes. Bisher sind alle Bemühungen der US-Regierung und verbündeter Staaten gescheitert, ein Abkommen zwischen der Hamas und Israel für eine Waffenruhe und eine Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu erreichen.

Sinwar - Figure 2
Foto DER SPIEGEL

In den vergangenen Monaten hatten die Spannungen im Verhältnis zwischen Biden und Netanyahu deshalb zugenommen. Am Dienstag hatte Washington Israel gewarnt, die US-Hilfen könnten eingeschränkt werden, wenn die israelische Regierung nicht binnen 30 Tagen für eine Verbesserung der Hilfslieferungen in den Gazastreifen sorge. Auch äußerte sich die US-Regierung ablehnend über die israelischen Luftangriffe auf Ziele in der libanesischen Hauptstadt Beirut.

Netanyahu: Tötung von Sinwar ist »Anfang vom Ende« des Kriegs

Israels Premier Netanyahu formulierte die Aussichten auf eine Beendigung ein einer Videobotschaft etwas weniger optimistisch als die US-Regierung: Die Tötung von Hamas-Chef Jahja Sinwar sei der »Anfang vom Ende« des Gazakriegs.

Wie das Büro des Regierungschefs mitteilte, würden Netanyahu und Biden jetzt gemeinsam an der Freilassung der Geiseln im Gazastreifen arbeiten. Biden habe Netanjahu angerufen und ihm zur Tötung von Sinwar gratuliert, erklärte Netanyahus Büro am Donnerstag. Beide Politiker seien sich einig, dass es eine Möglichkeit gebe, »die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen voranzutreiben«.

Bei ihrem Überfall am 7. Oktober 2023 hatten Kämpfer der Hamas und anderer militanter Palästinensergruppen nach israelischen Angaben mehr als 1200 Menschen getötet und 251 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Von den Geiseln werden derzeit noch 97 im Gazastreifen festgehalten, 34 von ihnen sind nach Einschätzung der israelischen Armee tot.

Israel geht seit diesem Hamas-Angriff vom Oktober 2023 massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Gesundheitsbehörde, die allerdings nicht unabhängig überprüft werden können, mehr als 42.400 Menschen getötet. Die vollständige Vernichtung der Hamas ist erklärtes Kriegsziel Israels. Die Regierung Netanyahus hat dabei weite Teile des Gazastreifens verwüstet. Hunderttausende Menschen wurden vertrieben. Sie vegetieren unter schlimmsten Bedingungen in provisorischen Camps.

Den SPIEGEL-Leitartikel zur Lage in Gaza lesen Sie hier: Die deutsche Staatsräson darf kein Blankoscheck für Israel sein 

Hisbollah kündigt neue Eskalationsstufe gegen Israel an

Von der Gegenseite kommen aktuell keine Signale, dass ein Ende des Kriegs eine Option ist, im Gegenteil: Die mit der radikalislamischen Hamas verbündete Hisbollah erklärte am Donnerstag, sie kündige »den Übergang zu einer neuen und eskalierenden Phase in der Konfrontation mit dem israelischen Feind an, die sich in den Entwicklungen und Ereignissen der kommenden Tage widerspiegeln wird«.

Hunderte Kämpfer seien »darauf vorbereitet, jeden israelischen Bodenangriff auf südlibanesische Dörfer abzuwehren«, fuhr die Hisbollah fort. Die Raketenangriffe der Hisbollah würden »von Tag zu Tag« weiter »eskalieren«, dabei kämen nun auch erstmals »präzisionsgelenkte Raketen« zum Einsatz.

Die von Iran unterstützte Hisbollah-Miliz hatte nach dem Großangriff der Hamas mit permanenten Luftangriffen eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Seit September konzentriert das israelische Militär deshalb einen erheblichen Teil seiner Kräfte auf den Kampf gegen die Hisbollah. Durch die Kämpfe wurden bisher im Libanon mehr als 1300 Menschen getötet und rund eine Million Menschen vertrieben.

Auch die Reaktion Irans deutet eher auf eine Fortsetzung des Kriegs hin. Die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen im Kurznachrichtendienst X, der Tod Sinwars sende ein ganz anderes Signal als das Ende des irakischen Diktators Saddam Hussein:

Empfohlener externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von X.com, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Wenn Muslime sähen, wie der Märtyrer Sinwar dem Gegner begegnet sei – in Kampfmontur auf offenem Feld und nicht im Versteck –, dann werde das den Geist des Widerstands stärken.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche