Siemens Energy Jahresbilanz 2023: Was hinter dem Rekordminus ...
Siemens Energy hat den höchsten Verlust seiner Geschichte bekanntgegeben. Schuld sind Probleme im Windkraftgeschäft. Wie es im Rest des Konzerns läuft – und was 2024 geschehen soll.
Am Tag nach der Bürgschaft durch den Bund muss Siemens Energy einen Rekordverlust bekanntgegeben: Knapp 4,6 Milliarden Euro im abgelaufenen Geschäftsjahr sind das mit Abstand größte Minus in der Geschichte des Energietechnikkonzerns. Ursache sind die Probleme im Windkraftgeschäft. Siemens Energy rechnet hier auch mit zwei weiteren Verlustjahren. Die Tochter Siemens Gamesa werde die Gewinnschwelle erst im Geschäftsjahr 2025/26 erreichen, teilte Siemens Energy am Mittwoch in München mit. Für das laufende Geschäftsjahr 2023/24 sei bei Gamesa wegen Qualitätsmängeln bei Windkraftanlagen für den Einsatz an Land (Onshore) und Anlaufschwierigkeiten bei Windrädern für die hohe See (Offshore) erneut ein Verlust von zwei Milliarden Euro zu erwarten.
Wie es im Windkraft-Geschäft weitergehen soll, will Siemens-Energy-Chef Christian Bruch kommende Woche verkünden. Einen Rückzug aus dem Geschäft mit Windkraftanlagen an Land schloss er am Mittwoch vorerst aus. „Wir können nicht sagen, das machen wir nicht mehr“, kommentierte Bruch auf der Bilanzpressekonferenz. Ein „Knalleffekt“ sei daher auf dem Kapitalmarkttag in der nächsten Woche nicht zu erwarten. „Es muss unsere Aufgabe sein, das erst einmal zu fixen.“ Siemens Energy werde sich im Onshore-Bereich künftig aber auf bestimmte Produkte und Märkte beschränken. „Man wird sich mehr fokussieren müssen.“ Weitergehende Entscheidungen zum Onshore-Windgeschäft könnten erst getroffen werden, wenn der Bereich wieder schwarze Zahlen schreibe.
Das problematische Windkraftgeschäft verhagelt dem noch jungen Unternehmen regelmäßig die Bilanz. Die restlichen Geschäfte laufen dagegen solide, können die Verluste im Windbereich aber nicht ausgleichen.
„Um den Turnaround zu schaffen und Siemens Gamesa wieder profitabel zu machen, wird derzeit der Umfang der Geschäftsaktivitäten von Siemens Gamesa überprüft“, hieß es in der Mitteilung des Unternehmens. Immerhin zeichne sich ab, dass die im Sommer gebildeten milliardenschweren Rückstellungen ausreichten. Bruch sprach von „Fortschritten bei der Bewältigung der Probleme von Siemens Gamesa“. Weitere Rückstellungen seien seither nicht vorgenommen worden.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022/23 hat Siemens Gamesa den Konzern noch tiefer in die roten Zahlen gedrückt. Die Anlauf- und Qualitäts-Probleme ließen den Verlust auf 4,59 Milliarden (Vorjahr: 712 Millionen) Euro anschwellen, obwohl die übrigen drei Sparten ihre Ziele erreichten oder sogar übertrafen. Der Umsatz stieg auf vergleichbarer Basis um knapp zehn Prozent auf 31,1 Milliarden Euro, der Auftragseingang schnellte – dank großer Aufträge für Windanlagen und Stromnetze – sogar um gut ein Drittel auf 350,4 Milliarden Euro.
Verkäufe von Firmenteilen sollen Milliardengewinn bringen
Im neuen Geschäftsjahr hofft Siemens Energy unter dem Strich wieder auf einen Gewinn von rund einer Milliarde Euro, aber nur aufgrund geplanter Verkäufe von Firmenteilen. Operativ könnte Siemens Gamesa den Konzern erneut in den roten Zahlen halten. Die operative Umsatzrendite werde bei minus zwei bis plus ein (2023/23: minus 8,9) Prozent erwartet, bei einem erwarteten Umsatzwachstum von drei bis sieben Prozent.
An Aufträgen mangelt es nicht. Siemens Energy sitzt auf einem Auftragsbestand von 112 Milliarden Euro. Um ihn sicher für die Kunden abarbeiten zu können, brauchte das Unternehmen aber milliardenschwere Garantien. Ein Bankenkonsortium garantiert nun für elf Milliarden Euro, 7,5 Milliarden davon sichert der Staat ab, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag mitgeteilt hatte. „Die aktuell große Nachfrage nach unseren Produkten bringt auch Herausforderungen mit sich“, kommentierte Bruch. „Wir sind daher froh, dass wir nach sehr konstruktiven Gesprächen eine gute Lösung mit allen Beteiligten gefunden haben, unser durch die Energiewende stark beschleunigtes Wachstum sicherzustellen.“
Weitere drei Milliarden Euro an Garantien sollen von anderen Beteiligten besorgt werden. Diese Summe werde durch eine Kombination aus staatlichen Programmen in anderen Ländern, der EU und der Optimierung von Garantien gesichert, hieß es. Die spanische Regierung hat Medienberichten zufolge bereits Unterstützung signalisiert. Ein großer Teil der schwächelnden Windkraftsparte von Siemens Energy, die der Kern der aktuellen Schwierigkeiten ist, sitzt in Spanien.
Entflechtung in Indien
Für die erste Milliarde an möglichen Ausfällen steht formal der ehemalige Mutterkonzern Siemens ein. Er hat sich dafür aber Sicherheiten von Siemens Energy geben lassen, unter anderem einen Fünf-Prozent-Anteil an der gemeinsamen indischen Tochter Siemens Ltd. 18 Prozent an Siemens Ltd verkauft Siemens Energy direkt an deren Mehrheitsaktionär, der damit künftig auf 69 Prozent kommt. Die Siemens AG überweist dafür 2,1 Milliarden Euro, 15 Prozent weniger als das Aktienpaket an der Börse wert ist. Mit dieser Finanzspritze will Finanzchefin Maria Ferraro Siemens Energy das Investment-Grade-Rating sichern.
Siemens erklärte, das sei der erste Schritt zu einer schnelleren Entflechtung des Indien-Geschäfts, die bei der Aufspaltung vor drei Jahren unterblieben war. 2025 sollen Siemens und Siemens Energy in Indien getrennt voneinander auftreten. Auf das operative Geschäft in Indien habe das keine Auswirkungen. „Indien bleibt für Siemens Energy ein strategisch wichtiger Wachstumsmarkt, in den das Unternehmen weiter investieren wird.“
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