Krankenhausreif geprügelt: Was über den Angriff auf den ...

6 Feb 2024

Berlin-Mitte: Niedergeschlagen und getreten

Foto: Paul Zinken / dpa

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Shahak Shapira - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

Ein mutmaßlich antisemitischer Angriff auf den 30-jährigen Studenten Lahav Shapira schlägt in Berlin immer höhere Wellen. Zuletzt äußerte sich sogar der Regierende Bürgermeister der Hauptstadt, Kai Wegner (CDU): »Dieser niederträchtige Angriff macht mich fassungslos«, schrieb er auf X. Jüdische Menschen müssten sich in Berlin überall sicher fühlen können, auch an den Universitäten der Stadt.

Shapira war am späten Freitagabend mit einer Bekannten in Berlin-Mitte unterwegs. Dort begegneten sie einem 23-jährigen Kommilitonen. Shapira studiert an der Freien Universität Berlin (FU), der 23-Jährige offenbar auch. Laut Polizei entwickelte sich auf der Straße ein Streit zwischen Shapira und dem anderen Mann, der demnach propalästinensische Positionen vertrat. Lahav Shapira protestierte an der FU Berlin bereits für die Befreiung israelischer Geiseln aus Gaza. Außerdem hatte er an einem Protest gegen eine Hörsaalbesetzung durch propalästinensische Aktivistinnen und Aktivisten teilgenommen.

Wie die Polizei weiter berichtet, schlug der 23-Jährige schließlich Shapira mehrfach unvermittelt ins Gesicht. Shapira ging zu Boden, der jüngere Mann trat demnach weiter auf ihn ein und floh dann. Shapira wurde ins Krankenhaus gebracht, er hatte laut Polizei mehrere Brüche im Gesicht. Die Polizei ermittelte den 23-jährigen Tatverdächtigen, traf ihn zu Hause an und beschlagnahmte unter anderem sein Smartphone. Die Ermittlungen zu dem Vorfall dauern an.

Lahav Shapira ist Jude, er ist der Bruder des Satirikers Shahak Shapira. Beide Brüder wurden bereits zuvor Opfer von antisemitischen Angriffen: Lahav wurde 2010 in seinem damaligen Wohnort Laucha von jungen Rechtsextremen als »Judenschwein« beschimpft und verprügelt. Shahak wurde in der Silvesternacht 2014 in Berlin antisemitisch angegriffen .

Ihr Großvater väterlicherseits war Amitzur Shapira, der 1972 bei den Olympischen Spielen in München von palästinensischen Terroristen als Geisel genommen und ermordet wurde. Ihr Großvater mütterlicherseits war der Einzige in seiner Familie, der den Holocaust überlebte.

Shapira kannte den mutmaßlichen Täter wohl

Nachdem der Angriff publik wurde, wandten sich Shapira und mehrere Personen aus Shapiras Umfeld an die Öffentlichkeit. Der israelische Fernsehsender »N12 News« interviewte Shapira bereits am Sonntag in seinem Krankenhausbett: »Er hat mir plötzlich von der Seite einen Schlag verpasst, und noch einen; dann hab ich das Gleichgewicht verloren. Ich versuchte aufzustehen, da hat er mich getreten – ins Gesicht«, sagte er.

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Auch Shapiras Mutter und seine Begleiterin äußerten sich öffentlich. Die junge Frau, die den Angriff mit ansah, sagte »Zeit Online« , es habe keinen Streit zwischen den beiden Männern gegeben. Demnach hätte der Kommilitone Shapira in einer Bar erkannt und sei ihm gefolgt, als Shapira und sie die Bar verließen. Auf der Straße habe der spätere Angreifer Shapira auf dessen Engagement für jüdische Studierende an der Universität angesprochen und danach zugeschlagen. Die Polizei verwies auf Nachfrage auf ihre schriftliche Mitteilung zu dem Angriff.

Über den mutmaßlichen Täter ist bislang nichts bekannt, außer dass er ebenfalls an der FU Berlin studieren soll. Shapiras Begleiterin sagte, Shapira habe den Mann erkannt, daher habe die Polizei ihn so schnell finden können.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem Gegenangriff Israels im Gazastreifen schwelt an der FU Berlin ein Konflikt zwischen propalästinensischen und proisraelischen Studierenden. Mitte Dezember besetzten propalästinensische Aktivistinnen und Aktivisten einen Hörsaal, um dort zu demonstrieren. Dabei sollen auch antiisraelische Parolen gerufen worden sein. Die Bundesbildungsministerin, Bettina Stark-Watzinger (FDP), verurteilte die Besetzung mit den Worten: »Für Israel- und Judenhass darf an deutschen Hochschulen kein Platz sein.«

Jüdische und israelische Studierende organisierten einen Gegenprotest, darunter auch Shapira. Ihnen sei der Zugang zu dem Raum verwehrt worden, sagte Shapira später der »Berliner Morgenpost« . Später räumte die Polizei den Saal. Die Studierenden kritisierten den Präsidenten der FU, Günter Ziegler, für dessen zögerliches Handeln in der Besetzung.

Jüdische Studierendenunion fordert Konsequenzen an der Uni

Im Interview mit »N12 News« verwies Shapira nun erneut auf die Lage an seiner Universität: »Wir israelische Studierende haben uns an den Unidirektor gewandt und ihn aufgefordert, dass er anfängt, sich mit dieser Geschichte zu beschäftigen.«

Die Jüdische Studierendenunion (JSUD) forderte Ziegler nun ebenso auf, Konsequenzen zu ziehen. In einem Gastbeitrag für die »Welt«  schrieb der Vorstand der JSUD, »Hören Sie endlich auf, die Dinge zu relativieren oder zu leugnen!« Es brauche ein Hausverbot für propalästinensische Aktivisten und Gruppen, die extremistische und antisemitische Positionen vertreten.

Am Montagnachmittag reagierte die FU Berlin. Uni-Präsident Ziegler schrieb in einer Stellungnahme: »Wir sind zutiefst entsetzt über den brutalen, mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriff auf einen jüdischen Studenten unserer Universität und verurteilen die Tat auf das Schärfste.« Man dulde keinen Antisemitismus. Wenn sich bestätige, dass der mutmaßliche Täter an der FU studiere, werde man alle juristischen Optionen prüfen und wenn möglich ein Hausverbot erlassen.

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