Schweiz – Italien: Der Titelverteidiger sagt Ciao

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Schweiz Italien - Figure 1
Foto ZEIT ONLINE

Italien ist raus, vorgeführt von den Schweizern. Selten hat man eine italienische Mannschaft so leidenschaftslos gesehen. Und für die Schweizer kann es nun weit gehen.

30. Juni 2024, 3:02 Uhr

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Gianluigi Donnarumma verabschiedet sich von den italienischen Fans. © RONNY HARTMANN/​AFP via Getty Image/​Getty Images
Wie ging das Spiel aus?

Schweiz – Italien 2:0 (1:0)

Tore: 1:0 Remo Freuler (37. Minute), 2:0 Rubén Vargas (46.)

War das Spiel so eindeutig wie das Ergebnis?

Ganz klar: Ja. Auch wenn es vor dem Spiel keinen klaren Favoriten gab, auch wenn Italien die letzte EM gewann und man sie nie abschreiben sollte – mit einem 2:0-Sieg der Schweiz war Italien sogar noch gut davongekommen.

"Mehr Druck" wollte der Schweizer Trainer Murat Yakin sehen. Und die Eidgenossen lieferten. Von Beginn an dominierte die Nati das Spiel, zwischenzeitlich hatte sie fast 65 Prozent Ballbesitz. Wenn sie mal nicht den Ball hatten, liefen die Schweizer energisch gegen ihn. Und das trotz der Hitze im Berliner Olympiastadion. Wie schon gegen die DFB-Elf störten sie früh den Aufbau der Italiener, jeder italienische Spieler wurde gedeckt. 

Nach 24 Minuten dann die erste große Chance des Spiels: Nach einem Chip von Michel Aebischer stand Breel Embolo frei vor Italiens Torhüter Gianluigi Donnarumma, der die Schweizer Führung noch abwehren konnte. Donnarumma war, wie eigentlich immer bei dieser EM, der beste italienische Spieler.

Die Schweizer kombinierten offensiver als noch gegen Deutschland, dirigiert von Granit Xhaka. Besonders über links ging viel, so auch beim ersten Treffer in der 37. Minute: Nach einer scharfen Hereingabe von Rubén Vargas nahm Remo Freuler, der aus dem zentralen Mittelfeld nachgerückt war, den Ball perfekt mit. Mit einem zweiten Kontakt traf er volley das Tor. Etwas später lenkte Donnarumma mit Mühe einen Freistoß an den Pfosten. Vielleicht das einzige Manko am Schweizer Spiel: Zur Halbzeitpause hätten sie auch höher führen können.

Blieb der Titelverteidiger wirklich ungefährlich?

Das Motto, das der Schweizer Trainer Yakin seiner Mannschaft vor dem Spiel via Interview mitgab, lautete: "Spaß haben, gut spielen, geduldig sein." Die italienische Mannschaft wiederum wartete zwar scheinbar geduldig darauf, noch mehr Tore zu kassieren. Spaß hatte sie dabei aber nicht, die Italiener spielten ideenlos und gehemmt.

In der Verteidigung erlebte der Zuschauer so etwas wie die Antirenaissance des italienischen Verteidigungsfußballs: Die italienische Hintermannschaft stand zwar tief – sie beließ es aber auch größtenteils beim Stehen und schaute der gegnerischen Mannschaft beim Spielen zu. Und wenn es einmal die Gelegenheit zum Umschaltspiel gegeben hätte, nahmen die Italiener selbst das Tempo raus, indem sie nach Balleroberung in der Regel vorsichtig nach hinten passten. Es schien so, als fehlte der Mannschaft nach den sechs Umstellungen jeder Automatismus, jedes Selbstvertrauen.

Am gefährlichsten war wohl Federico Chiesa. Der Linksaußen schaffte ab und an ein Dribbling, aber bezeichnend für dieses Spiel: Dem Schweizer Tor wurde ein Schweizer Spieler am gefährlichsten. Nach einem Heber von Nicolò Fagioli köpfte der Verteidiger Fabian Schär den Ball ohne Not Richtung eigenes Tor. Der Torhüter Yann Sommer konnte dem Ball nur dabei zusehen, wie er vom Pfosten weg- und nicht ins Tor prallte. 

Was ist da nach dem Anpfiff zur zweiten Halbzeit passiert?

Nach ihrem mutlosen Auftritt in der ersten Halbzeit nahm die Squadra Azzurra noch einmal allen Mut zusammen: Ähnlich wie die deutsche Elf zuvor beim Spiel gegen Ungarn stellten sich gleich acht Feldspieler zum Anstoß auf der Mittellinie auf, wohl um die gegnerische Verteidigung zu überrennen. Daraus wurde nichts, ein Fehlpass blieb bei Xhaka hängen. Eine kurze Kombination später spielte Aebischer auf Vargas, der den Ball ins rechte Kreuzeck hämmerte. 2:0, die Entscheidung. 

Wo war die Leidenschaft?

Auf den Rängen. Die Schweizer Fangesänge hallten laut und deutlich durchs Olympiastadion. Bei jeder Ecke und jedem Freistoß ihrer Nati stimmten die Fans einen erwartungsvollen Jubel an. Übrigens machten auch die italienischen Fans bei der La-Ola-Welle mit, trotz schlechter Stimmung bei ihnen.

Der leidenschaftlichste Italiener war wohl der Trainer Spalletti. Etwas übermütig fragte ihn ein Schweizer Kollege bei der Pressekonferenz nach dem Spiel, was Spalletti denn von folgendem Vergleich halte: Die Schweiz hätte gespielt wie ein Ferrari, Italien wie ein Fiat. Sichtlich gereizt antwortete Spalletti, er müsse nach der Niederlage "auch Andeutungen eines schlechten Geschmacks wie den Ihren" akzeptieren. "Ich sehe, dass Sie eine Person mit großartiger Ironie sind."

Wie geht es jetzt weiter?

Italien wird sich neu aufstellen müssen, so viel ist klar. Spalletti steht jetzt unter Druck, nach dem Spiel übernahm er die volle Verantwortung. Weitermachen will er dennoch. 

Auf die Schweiz wartet im Viertelfinale entweder England oder die Slowakei. "Ich würde gerne gegen England spielen. Ich habe viele Freunde da und sehe gute Chancen für uns", sagte Manuel Akanji. Was Akanjis Freundschaften so aushalten, zeigt sich dann kommenden Samstag. Danach lässt der Turnierbaum viel zu. Viel Fantasie braucht es für ein Finale mit Schweizer Beteiligung nicht mehr.

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