"Schneewittchen-Äpfel": Märchenhaft schön, aber giftig!

25 Sep 2024
Startseite:newstimeMit Gift Schönheitsfehler bekämpfen

Köstlich, knackig, frisch: Aber unter der Schale könnten Äpfel auch ganz schön giftig sein. (Symbolbild)© Adobe

Nur weil es in der Bodensee-Region wegen des nassen Wetters auf Äpfeln und Birnen einen sogenannten Schorf geben könnte, soll der Grenzwert eines giftigen Pestizids kurzerhand drastisch erhöht werden. Dabei ist Schorf lediglich ein "Schönheitsfehler".

Schneewittchen-Äpfeln - Figure 1
Foto ProSieben
Märchenhaft schönes, aber giftiges Kernobst

Man kann Äpfel und Birnen nicht miteinander vergleichen? In diesem Fall schon. Das nasse Wetter rund um den Bodensee kann nämlich auf beiden Obstsorten für einen Makel sorgen: Schorf auf der Schale, der die Qualität und den Geschmack des Obstes nicht beeinträchtigt.

Im Video: Vermutlich krebserregend - Öko-Test findet Pestizide in Nektarinen

Das wäre alles kein Problem, wenn Kund:innen nicht lieber zu Obst greifen würden, das "perfekt" aussieht. Um den vermeintlich hässlichen Schorf zu verhindern, gibt es ein Mittel, das Obst aber nicht nur schöner macht, sondern auch richtig giftig - wie im Märchen "Schneewittchen": das Fungizid Folpet. Wahrscheinlich ist das Pestizid sogar krebserregend und erbgutverändernd, wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in einer Mitteilung schreibt.

Um dem Problem des Schorfes Herr zu werden, soll bisher das Pestizid Captan eingesetzt worden sein. Dieses soll allerdings nicht nur da bleiben, wo es sein sollte. Es "wandert" angeblich in die Nachbarschaft - unter anderem auf Hopfenfelder. Nun werde befürchtet, dass der betreffende Hopfen in den Abnehmerländern USA und Japan nicht mehr angenommen werden könnte, da dort Captan-Rückstände nicht toleriert würden.

Hochgefährliches Fungizid per Notfallgenehmigung

Das BVL soll daraufhin reagiert haben und per Notfallgenehmigung für diese Obst-Anbausaison ein Fungizid mit dem Wirkstoff Folpet erlaubt haben. Der Einsatz des Pestizids führt jedoch zu Rückständen im Obst, die den EU-weiten Grenzwert deutlich übersteigen. Was also tun? Die Grenzwerte "justieren".

Das BVL plane angeblich, den Grenzwert von Folpet um das 20-Fache zu erhöhen. Mit dem Ergebnis, dass solche Äpfel und Birnen dann nur noch in Deutschland verkauft werden könnten und nicht mehr in andere EU-Länder exportiert werden dürften. Immerhin: Der Hopfenexport hätte somit freie Fahrt.

Wahrscheinlich krebserregend und erbgutverändernd

Corinna Hölzel, Bund-Pestizidexpertin: "Um den Hopfenexport in die USA und nach Japan nicht zu gefährden, wird ein hochgefährliches Fungizid per Notfallgenehmigung zugelassen." Folpet sei akut toxisch und gelte als wahrscheinlich krebserregend und erbgutverändernd, so die Expertin weiter.

"Solche hochgefährlichen Stoffe müssten zügig komplett verboten werden, statt sie vermehrt einzusetzen und haben im heimischen Obst nichts zu suchen." Wie der Bund mitteilt, sei es absolut keine Lösung, "den Auswirkungen des Klimawandels mit regelmäßigen Notfallzulassungen von Pestiziden und Anhebung von Grenzwerten zu begegnen und gefährliche Pestizide durch andere gefährliche Pestizide zu ersetzen".

Schorf ist ein rein ästhetisches Problem

Bei Schorf handelt es sich lediglich um einen Schönheitsfehler, der mit hochgiftigen Mitteln bekämpft werden soll. Corinna Hölzel dazu: "Schorf ist hauptsächlich ein ästhetisches Problem. Im Gegensatz zu Pestizidrückständen im Obst stellen Äpfel mit Schorf kein gesundheitliches Risiko dar."

Hier sei ganz klar auch der Lebensmittelhandel gefragt und müsse eine Toleranz von Ware mit Schönheitsfehlern haben. "Das ist klüger, gesünder und nachhaltiger, als die Regale mit Schneewittchen-Äpfeln zu füllen."

Aus diesem Grund fordert der Bund nun Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) auf, "sich endlich für die Pestizidreduktion einzusetzen und die Grenzwerterhöhung und Notfallzulassung von gefährlichen Pestiziden zu stoppen", so der Bund.

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