»Hart aber fair« zur Vertrauensfrage: »Mein Gott, eine Koalition ...
Gregor Gysi und Saskia Esken in der ARD
Foto: © WDR / Oliver ZiebeFalls zufällig auch mal ein neuer Bundespräsident gebraucht werden sollte: Einen potenziellen Kandidaten gäbe es. Der Mann ist Jurist, trägt am Montagabend eine brombeerfarbene Krawatte und heißt Gregor Gysi. Er sitzt bei »Hart aber fair« zwischen dem Moderator, Louis Klamroth, und der SPD-Co-Vorsitzenden Saskia Esken. Und lädt am Tag, an dem der Bundeskanzler die Vertrauensfrage im Bundestag gestellt hat, gleich in seinem ersten Statement ganz präsidial zu einer konstruktiven Runde ein.
Es gehe darum, sagt Gysi, dass die Parteien von seiner Linken bis zur CSU »unser Verhältnis zur Bevölkerung deutlich verbessern«. Und er schlägt vor, sie sollten »einen Gesprächskreis« bilden, sich zusammensetzen und dabei auch eigene Fehler analysieren: die »falsche Sprache«. Die fehlende Ansprache an Nichtwählerinnen und Nichtwähler.Die Tatsache, dass Kinder in der Politik so wenig berücksichtigt würden, weil sie noch nicht wählen dürften. Man klaue hier etwas von der AfD, da etwas von der AfD, aber worüber nicht geredet werde: was man falsch mache, dass die AfD so stark sei. Im Grunde übt Gysi in der ARD eine kleine vorgezogene Weihnachtsansprache. Einmal sagt er sogar, einen früheren Bundespräsidenten paraphrasierend, man müsse sich »einen Ruck geben«.
Und danach ist die Stimmung für den nächsten Abschnitt des Talks halbwegs definiert. Man begegnet sich in dieser Sendung, die in ihrer Geschichte wahrlich schon ein paar Überdrehtheiten produziert hat, an diesem Abend zumindest respektvoller als am Mittag im Bundestag. Das mag so schwer vielleicht auch nicht sein. Dennoch, theoretisch hätte es schon ein wenig Krawall geben können. Nicht nur Saskia Esken von der SPD ist nämlich da, sondern auch Christian Dürr von der FDP. Die eine von der Partei des Bundeskanzlers, der am Nachmittag in Berlin einem ehemaligen Koalitionspartner einen Mangel an »sittlicher Reife« vorgeworfen hat. Der andere von der Partei, die angesprochen war. Aber nein, sie sind geradezu friedfertig. Dürr beklagt sich nur indirekt darüber, dass er »dieses gegenseitige Kopf-Noten-Verteilen« nicht sinnvoll finde. Esken sagt, Olaf Scholz habe einfach nur die Realität beschrieben. Dürr erwidert: »Ach, Frau Esken.« Viel hitziger wird es nicht zwischen den beiden.
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Es wäre gewiss auch albern, die ganze Ampel-Chose an diesem Tag noch einmal komplett aufzuwärmen. Es muss jetzt aus Sicht von FDP und SPD schließlich zügig wieder mal um etwas anderes gehen als darum, wie schlecht, wie destruktiv, wie dies und das die anderen in der Regierung gehandelt hätten. Wie sollten die Parteien im beginnenden Wahlkampf reüssieren, wenn sie zu viel aufs Schlechte zurückblickten, an dem sie ja nun doch beide beteiligt waren?
Esken wie Dürr schalten an diesem Abend daher in eine neue Wahlkampfphase und reden mehrfach lieber über Beispiele dafür, was sie ihrer Meinung nach alles gut hingekriegt hätten. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, zum Beispiel, sagt Esken. Darüber sei nur nicht so viel berichtet worden, weil es drumherum – diese kleine Spitze geht allgemein an Medien, und sie ist nicht ganz unberechtigt – in der Koalition keinen Streit gegeben habe.
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Das größte Interesse an einem Rückblick auf die Ampeljahre hat wohl der Unionsvertreter in der Runde, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, der nicht einer, sondern allen drei Ampelparteien einen Beitrag zum Scheitern der Koalition zuschreibt. Drei politische Konkurrenten auf einen Streich abwatschen: Da hat er es als Vertreter einer Oppositionspartei natürlich leichter. Wobei, abwatschen, nein, das stimmt nicht ganz. Auch Haseloff gibt nicht den großen Haudrauf; er erkennt sogar ungefragt an, dass die Herausforderungen für die Bundesregierung nicht komplett banal gewesen sein mögen.
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Bis Moderator Louis Klamroth in den Inhaltsmodus schaltet und über die Zukunft reden will: Und dann ist richtig Wahlkampf. Die Automobilindustrie wird angesprochen. Syrien. (An der Stelle entwickelt sich ein »Hart aber fair«-typischer Disput zwischen Esken und Haseloff, den Gregor Gysi mit einem kleinen Einwurf herunterzukühlen versteht:»Mein Gott, eine Koalition zwischen Ihnen muss aber auch anstrengendsein.«)
Es geht um eine Mehrwertsteuersenkung für Lebensmittel, die Christian Dürr umrechnet in eine sechs Cent billigere Butter, während Saskia Esken mit dem Wocheneinkauf einer vierköpfigen Familie argumentiert. Und vor allem geht es um eine Reform der Schuldenbremse – dies nun zu Haseloffs Missfallen, der wohl ahnt, was kommt. Denn irgendwie müsste auch das an Versprechen reiche CDU-Wahlprogramm ja finanziert werden. Also, Herr Haseloff: Wie steht die Union zur Schuldenbremse?
Er nimmt an der Stelle die übliche Abzweigung zum Bürgergeld, da könnte man sparen. Christian Dürr bleibt bei der FDP-Position und damit im Team Schuldenbremsenbettwäsche. Esken rechnet vor, dass man den Kühlschrankinhalt zwar nicht auf Pump finanzieren sollte; wenn es durchs Dach regnet, müsse man aber investieren – und da stehe das Land: Viele Milliarden würden gebraucht allein für Schulen, dazu Investitionen für Brücken und Straßen. Und Gysi, jetzt auch wieder Wahlkämpfer, biegt noch mit der Digitalisierung ums Eck.
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Das Gute ist, hier zeigen sich Unterschiede zwischen den Parteien. Was der Talk aber auch zeigt, ist, dass auch eine nächste Regierungskoalition sich in Haushaltsfragen wird verständigen müssen – und dass es gut denkbar ist, dass auch sie damit ihre Probleme bekommen wird. Die gern gewählte Talkshow-Abschlussfrage, wer mit wem koalieren könnte, lässt Klamroth zum Glück einfach weg. Es ist noch nicht die Zeit für sowas. Das Modell Ampel jedenfalls, prophezeit Gysi, sei »für Jahre ausgeschlossen«. Es sei keine gute Regierung gewesen, sagt er.Beunruhigend sei allerdings, »dass wir nicht wissen, ob wir eine bessere bekommen«.