SAP Aktie: Hat die Kappungsgrenze im Dax ausgedient?

2 Tage vor
SAP
Dax Das Gewichtsproblem von SAP

Die Aktie von SAP ist der Überflieger im Dax und droht die Obergrenze für Einzelwerte zu sprengen. Hat die Kappungsgrenze ausgedient?

SAP ist eine der beliebtesten Aktien der Deutschen und auch bei internationalen Investoren gefragt – wenn sie sich denn überhaupt für Deutschland interessieren. Manch einen schrecken die schlechten Nachrichten über Wachstumsschwäche, überbordende Bürokratie, Energieversorgung, Populismus, Autokrise und Infrastrukturmängel ab. Aber SAP konnte sich dem Trübsinn lange entziehen. 

Um 50 Prozent ist der Aktienkurs allein in diesem Jahr schon wieder gestiegen. Damit erreicht der Softwarekonzern aus Walldorf bei Mannheim die Spitzenposition im Deutschen Aktienindex Dax. Der ist mit einem Plus von 15 Prozent in diesem Jahr unter den großen Wirtschaftsmächten nicht ganz vorne, aber dank SAP eben auch keine lahme Ente. Doch SAP darf den Index gar nicht viel weiter pushen. Denn in dem aus 40 Aktien zusammengesetzten Index dürfen einzelne Aktien maximal 15 Prozent Gewicht erreichen. Und an diese Grenze stößt SAP immer wieder. 

Investoren trauen dem Konzern zu, dass er weiter so stark wächst wie in den vergangenen Jahren. Sie sind deshalb bereit, das 37-Fache des für 2025 erwarteten Jahresgewinns für eine SAP-Aktie zu zahlen. Zum Vergleich: Der gefeierte US-Star Nvidia kostet das 50-Fache. Die SAP-Aktie ist bei solchen Bewertungen nichts für Ängstliche. Im Schnitt kosten alle 40 Dax-Aktien nur das 14-Fache des erwarteten Jahresgewinns.

SAP betritt Neuland

Trotz dieses stolzen Preises scheint SAP kaum zu stoppen. Das Unternehmen hat daher auch im Dax ein immer größeres Gewicht. Der Index gewichtet die enthaltenen Unternehmen nach der Marktkapitalisierung ihres Streubesitzes, so dass mit steigendem Börsenwert automatisch auch das Gewicht im Index steigt.

Die Rally der SAP-Aktie bereitet der Deutschen Börse, die den Dax herausgibt, Probleme – schon wieder. Ihre Indextochter Stoxx hat den Index bereits zwei Mal verändert. Erst wurde er im Jahr 2022 auf 40 Aktien erweitert, um ihn attraktiver zu machen. Seit März dieses Jahres darf nun das Maximalgewicht eines Unternehmens im Index nicht mehr wie bis dahin 10 Prozent, sondern 15 Prozent betragen. Diese Regelanpassung sollte SAP beim Börsenwert mehr Luft zum Atmen geben. 

Mit 15 Prozent Höchstanteil wähnte man sich auf der sicheren Seite. In den vergangenen zehn Jahren waren Unternehmen wie Linde, Siemens, SAP oder die Allianz in 38 Fällen an die so genannte Kappungsgrenze von zehn Prozent gestoßen. Aber an die 15 Prozent stieß zwischen den fixen Index-Umbauterminen kein einziges Unternehmen. SAP ist der erste Dax-Konzern, dem dieses Kunststück gelingt.

Alle drei Monate setzt die Deutsche Börse, wenn nötig, das Gewicht eines zu groß gewordenen Unternehmens im Index wieder auf die damals zehn, heute 15 Prozent Gewicht zurück. Dax-ETF müssen dementsprechend ebenfalls ihre Positionen anpassen. Dadurch gibt es immer einen gewissen Druck nach unten auf Überflieger-Aktien.

Linde zieht den Exodus vor

Bis 2023 war der Industriegase-Hersteller Linde das wertvollste Unternehmen im Dax. Immer, wenn die Obergrenze von zehn Prozent erreicht wurde und die Linde-Aktie weiter stieg, profitierten Anleger in Indexzertifikaten, ETFs und auch aktiv verwalteten Fonds nicht von dem weiteren Anstieg, weil auch ihr Linde-Anteil auf zehn Prozent begrenzt blieb. Manager aktiver Fonds müssen die Zehn-Prozent-Grenze sogar auf Tagesbasis einhalten, statt ihr Portfolio gegebenenfalls alle drei Monate anzupassen.

Nach der Fusion mit dem US-Unternehmen Praxair nutzte Linde die Gelegenheit und zog an die New Yorker Börse um. Weil der Konzern nicht zugleich auch in Frankfurt notiert blieb, musste er in der Folge den Dax verlassen. Selbst Linde aber hatte in den vorangegangenen zehn Jahren zwischen den quartalsweisen Kappungsterminen nie einen Anteil von 15 Prozent am Dax erreicht. Und auch die auf SAP folgenden Indexgrößen sind weit davon entfernt: Siemens liegt bei 8,5 Prozent Index-Gewicht, die Allianz bei 6,7 und Airbus bei 6,4.

Längere Leine für die Softwareschmiede  

Mit seiner gewaltigen Marktkapitalisierung von inzwischen rund 258 Milliarden Euro wird SAP sogar das erweiterte Korsett des Index zu eng. Was tun? Eine Möglichkeit wäre, die Kappungsgrenze weiter anzuheben oder ganz aufzugeben.

Die Leitindizes in anderen europäischen Ländern haben teils ebenfalls eine 15-Prozent-Grenze für einzelne Aktien, manche lassen 20 Prozent Maximalgewicht zu. Aber es geht auch anders. In Großbritannien und den USA lässt man den Kursen und Gewichten in den Leitindizes FTSE 100 und S&P 500 freien Lauf. 

Lässt man SAP von der Leine und die Aktie über die 15 Prozent hinaus steigen, können sich ETF-Anleger freuen. Zudem zog SAP zuletzt den gesamten Index mit nach oben. Und ein steigender Dax macht womöglich auch andere Dax-Werte für Anleger interessanter. In den USA interessierte es auch kaum jemanden, dass lange Zeit nur eine Handvoll Aktien die wichtigsten Indizes nach oben zogen. Hauptsache, es ging aufwärts.

Aktiv gemanagte Fonds hätten ohne die Kappungsgrenze allerdings ein noch größeres Problem als ohnehin schon. Sie dürfen maximal zehn Prozent in eine einzelne Aktie investieren. Bei SAP sind Deutschland-Aktienfonds damit schon lange zu einer Untergewichtung gezwungen. Ihre Manager können den Dax kaum schlagen, wenn die dominierende Aktie so gut läuft wie momentan SAP. 

Aktieninstitut will Fondsregeln ändern

Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) macht sich deshalb dafür stark, dass der Gesetzgeber seine strengen Regeln für aktive Fonds, die eine angemessene Streuung der Gelder auf eine Vielzahl von Aktien gewährleisten sollen, lockert. Die derzeitige Begrenzung wirke sich besonders negativ auf wachstumsstarke Unternehmen aus, kritisiert die Lobbyorganisation der börsennotierten Unternehmen. Die Anlagegrenze der Fonds erschwere es Fondsanlegern, am Kursanstieg wachstumsstarker Unternehmens teilzuhaben.

ETFs haben andere Regeln, sie können sogar bis zu 35 Prozent in eine einzelne Aktie investieren. Aber auch aktive Fondsmanager finden sich nicht immer mit der Situation ab. Manche von ihnen nutzen Tricks, um etwas mehr SAP ins Depot zu bekommen. Sie nehmen etwa zusätzlich zu den Aktien noch Indexzertifikate oder Derivate in ihr Portfolio auf und erhöhen so den Anteil des Unternehmens im Fonds, um den Anschluss an den Index zu behalten.

Solche Klimmzüge könnten sich die Manager schenken, wenn einer Aktie im Index freie Fahrt gewährt würde. Bloß: Es kann ja auch wieder abwärts gehen. Dreht der Wind, ist manch ein Anleger vielleicht froh, dass das Gewicht von SAP im Fonds oder ETF nicht so hoch ist. Denn in dem Fall kann die Aktie den Index auch ordentlich runterziehen.

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