8000 Stellen betroffen: SAP baut Konzern in Richtung KI um

Der Softwarekonzern SAP will sich mit einem groß angelegten Restrukturierungsprogramm auf die neuen Geschäfte rund um Künstliche Intelligenz neu aufstellen. Dem Programm fallen nach Angaben von SAP rund 8000 Stellen zum Opfer, kosten soll es 2 Milliarden Euro.

Bernd Freytag

Wirtschaftskorrespondent Rhein-Neckar-Saar mit Sitz in Mainz.

Ob der Umbau möglicherweise mit Entlassungen verbunden ist, dazu schweigt sich der Konzern noch aus. Die meisten der betroffenen Beschäftigten sollen nach seinen Angaben über Freiwilligenprogramme ausscheiden oder umgeschult werden.

Weil der Konzern aber weiter in Wachstumsbereiche investiere, werde die Zahl der Beschäftigten bis Jahresende etwa gleich bleiben. Aktuell arbeiten bei Europas größtem Softwarekonzern rund 107.000 Vollzeitbeschäftigte. „Mit dem geplanten Transformationsprogramm verlagern wir verstärkt Investitionen in strategische Wachstumsbereiche, in erster Linie in KI“, zitiert der Konzern Vorstandssprecher Christian Klein. „Damit werden wir auch zukünftig wegweisende Innovationen entwickeln und gleichzeitig die Effizienz unserer Geschäftsprozesse verbessern.“

Spät auf den Hype gesetzt

SAP hat relativ spät auf den KI-Hype reagiert, setzt jedoch viel Energie in den Ausbau dieser Geschäfte. Im vergangenen Jahr hat der Konzern seinen eigenen KI-Assistenten Joule vorgestellt, der ähnlich wie ChatGPT Fragen beantworten soll, allerdings auf Unternehmensbedürfnisse fokussiert. Dazu kooperiert der Konzern mit fast allen großen Technologieunternehmen und spezialisierten KI-Start-ups wie dem Heidelberger Unternehmen Aleph Alpha.

Schon Anfang des Vorjahres hatte der Konzern 3000 Stellen gestrichen. Obwohl in der Technologiebranche zugleich händeringend Spezialisten gesucht werden, ist ein Umschulen nach früheren Angaben des Konzerns nicht ohne Weiteres möglich. Alte Programme, deren Pflege und Vertrieb fallen aus dem Portfolio, stattdessen investiert der Konzern in Anwendungen für die Cloud, also die Softwaremiete über das Internet. Dafür braucht es offenbar Mitarbeiter mit anderen Fähigkeiten, zumal der herkömmliche Vertrieb wegfällt. Der im Vorjahr angetretene Finanzchef Dominik Asam hatte schon angekündigt, die Mitarbeiter müssten den Gürtel enger schnallen. Die avisierte Väterzeit (acht Wochen bezahlter Urlaub nach der Geburt) hat der Konzern gestrichen, ebenso das Homeoffice begrenzt: Die Mitarbeiter sollen künftig wieder drei Tage die Woche ins Büro.

Derweil ist nicht nur der Aktienkurs von Deutschlands wertvollstem börsennotierten Konzern auf einem neuen Allzeithoch angelangt, auch die Geschäfte laufen gut, vor allem die Umsätze mit Anwendungen für die Cloud. Das operative Ergebnis stieg den Angaben zufolge 2023 währungsbereinigt um 13 Prozent auf 8,7 Milliarden Euro. Die Cloud-Erlöse wuchsen um 23 Prozent auf 13,7 Milliarden Euro.

„Wir haben Wort gehalten und trotz eines ungünstigen gesamtwirtschaftlichen Umfelds ein zweistelliges Wachstum erreicht“, sagte SAP-Finanzchef Dominik Asam. Im laufenden Jahr wolle er die Ertragskraft weiter steigern. Das von Analysten besonders beachtete Cloudgeschäft soll um 24 bis 27 Prozent auf 17 bis 17,3 Milliarden Euro weiter wachsen, das Betriebsergebnis um bis zu 21 Prozent auf bis zu 7,9 Milliarden Euro steigen. Erst vor wenigen Tagen hatte der Konzern ein eigenes Vorstandsressort für die Cloudgeschäfte geschaffen.

Die Umstellung sorgt auch für die Anpassung des Ziels beim operativen Ergebnis für 2025, das sich jetzt auf rund 10,0 Milliarden Euro belaufen soll. Bisher – also ohne die rund 2 Milliarden Euro für die anteilsbasierte Vergütung – standen hier mehr als 11,5 Milliarden im Plan. In der Cloud sollen die hereingeholten Abonnements mehr Schub liefern. Klein hat den Vertriebsteams ein währungsbereinigtes Umsatzplus von 24 bis 27 Prozent als Messlatte mit auf den Weg gegeben. 

Die Cloudprodukte zur Nutzung über das Netz sind seit längerer Zeit der Wachstumsträger bei SAP. Sie gelten auf lange Sicht als ertragreicher, weil die Kunden mit einiger Laufzeit mehr zahlen als mit dem früher üblichen Paket aus Lizenzsoftware gegen hohe Einmalgebühr und anschließendem Wartungsvertrag. Zunächst aber bedeuten die Cloudverträge Einbußen, weil anfangs die hohen Verkaufspreise der Lizenzsoftware wegfallen.

Trotzdem hat Klein vor einigen Jahren den Fokus ganz auf die Cloud gerichtet, wie es auch in der Branche mittlerweile Standard ist. Das soll am Ende bessere und stabilere Geschäfte sichern, auch weil die Kundenbindung an das Produkt höher ist: Kündigen Kunden die Abo-Verträge, können sie die Programme nicht mehr nutzen. Lizenzsoftware hingegen gehört ihnen.

Ein milliardenschwerer Sonderertrag

KI und andere Neuerungen sollen bei SAP künftig den Cloudversionen der Software vorbehalten sein, die Wartung von bestimmten Produkten fest installierter Software läuft auf Sicht aus. So will Klein den Kunden die Cloudangebote schmackhaft machen. 2025 will er mehr als 21,5 Milliarden Euro Umsatz in dem Bereich schaffen. Vergangenes Jahr erzielte die Sparte ein Plus von 20 Prozent auf 13,7 Milliarden Euro. 

Insgesamt steigerte SAP den Umsatz um 6 Prozent auf 31,2 Milliarden Euro. Im Tagesgeschäft kletterte das bereinigte operative Ergebnis um neun Prozent auf 8,7 Milliarden Euro. Im Schlussquartal half dabei gerade auch das lukrative Lizenzgeschäft, das deutlich weniger abfiel als von Experten zuvor geschätzt. 

Der Nettogewinn stieg auf 5,9 Milliarden Euro, das war mehr als das Dreifache des Vorjahresgewinns. Vor allem der milliardenschwere Sonderertrag aus dem Verkauf der ehemaligen US-Marktforschungstochter Qualtrics trieb den Überschuss nach oben.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche