San Marino feiert das "Treffen mit dem Schicksal"

10 Tage vor

Mit dem ersten Pflichtspielsieg der Verbandshistorie hat San Marino nicht nur die Fans im eigenen Land verzückt. Von Versalien-Tweets, einem unvorbereiteten Stadionsprecher - und einem Torschützen, der für ein paar Minuten für Real Madrid spielte.

San Marino - Figure 1
Foto kicker

Historischer Sieg: San Marinos Spieler feiern das 1:0 gegen Liechtenstein. picture alliance / Sportphoto24/Photo Goal Pix

Lamine Yamal und Cristiano Ronaldo kamen nicht an gegen elf Amateurfußballer. Am Donnerstagabend gehörte die große Aufmerksamkeit nach dem Nations-League-Auftakt nicht den Großen des Sports, sondern den Allerkleinsten. Der 210. und damit Letzte der FIFA-Weltrangliste hat erstmals in seiner Verbandsgeschichte ein Pflichtspiel gewonnen.

Die Jubelszenen nach dem 1:0 gegen Liechtenstein verbreiteten sich über die sozialen Medien in die ganze Welt. Der "San Marino Fan Account" auf X schrieb tausendfach geteilte Beiträge wie "Sie haben Geschichte geschrieben! Sie werden für immer Legenden sein, die Goldene Generation des san-marinesischen Fußballs. Sie haben etwas geschafft, was wir in 20 Jahren nicht geschafft haben, in 140 Spielen, in mehr als 12.600 Minuten Fußball: Ein Sieg, ein verdammter Sieg!" Selbstverständlich alles in Versalien.

Wir haben heute ein perfektes Spiel gespielt.

Nationaltrainer Roberto Cevoli

So euphorisch die Reaktionen im Netz ausfielen, so ungläubig waren die Protagonisten im Moment des Erfolgs. "San Marino uno, Liechtenstein zero", brüllte der Stadionsprecher den Endstand immer und immer wieder ins Mikrofon, so als falle ihm nichts anderes ein. Auf diesen Moment war er wohl nicht vorbereitet. Und damit war er nicht alleine.

"Ich habe gedacht, dass wir in der Nachspielzeit noch den Ausgleich kassieren", gab Nationaltrainer Roberto Cevoli im Anschluss beim lokalen TV-Sender San Marino RTV zu. "Wir haben heute ein perfektes Spiel gespielt." Für den ehemaligen Serie-A-Spieler war es das erste Pflichtspiel in der Verantwortung, er betonte aber: "Die Ergebnisse der letzten Zeit können sich schon sehen lassen." Immerhin war San Marino zuletzt beim 1:4 gegen Zypern immerhin ein Tor gelungen, im März war in einem von zwei arrangierten Testspielen gegen den Karibikstaat St. Kitts and Nevis sogar ein 0:0 herausgesprungen.

San Marinos Siege

Cevoli hatte die Mannschaft seit seinem Amtsantritt stark verjüngt, am Donnerstag standen gleich fünf U-20-Spieler auf dem Platz. Darunter auch Nicko Sensoli, 19 Jahre alt und seit seinem Siegtreffer am Donnerstagabend auf einen Schlag der wahrscheinlich bekannteste der knapp 34.000 Einwohner des Zwergenstaats. "Das Tor war ein unglaubliches Gefühl", jubelte er im Anschluss. "Ich kann es noch nicht wirklich realisieren. Ich widme es meiner Familie, die da war, und meinem besten Freund, der gekommen ist. Ich werde heute Nacht wohl nicht so viel schlafen."

Sensoli kannte so etwas wie Siege seiner Nationalmannschaft nur vom Hörensagen. Beim bisher einzigen Sieg der Verbandshistorie im April 2004 war er noch gar nicht geboren. Auch damals hieß der Gegner Liechtenstein, auch damals hieß das Ergebnis 1:0 - allerdings in einem Testspiel. "Das ist das Treffen mit dem Schicksal, auf das wir 20 Jahre gewartet haben", rief der Stadionsprecher am Donnerstag schließlich, als er wieder in mehr als in Spielständen denken konnte.

Bei Wikipedia spielte Sensoli kurz für Real Madrid

Siegtorschütze Sensoli gab sich diplomatischer und sagte: "Wir haben es jetzt geschafft und können den Moment genießen." Ganz Profi, schließlich hatte er noch bis vor Kurzem bei einem italienischen Viertligisten gespielt. Mittlerweile ist er wieder zurück in San Marino - auch wenn sein Wikipedia-Artikel am Donnerstagabend kurzzeitig anderes vermuten ließ: Dort hatte jemand kurz nach Abpfiff als künftigen Verein Real Madrid eingetragen und seinen Vornamen in "Gott" geändert.

Dass San Marino nun tatsächlich einen Pflichtspielerfolg vorzuweisen hat, hat es auch der UEFA zu verdanken. In der nach Töpfen ausgelosten EM- und WM-Qualifikation ist der Staat, der ungefähr so viele Einwohner hat wie Korschenbroich in Nordrhein-Westfalen oder Kornwestheim in Baden-Württemberg, gegen größere Gegner meistens völlig chancenlos. Seit Einführung der Nations League aber erhöhte sich die Chance auf "echte Siege". In der Gruppe D-1 ist San Marino nun Tabellenführer - natürlich auch zum ersten Mal überhaupt und irgendwo.

Am Dienstag wartet auf die Helden der Stunde erstmal ein Testspiel gegen die Republik Moldau. Das hatte auch Sensoli im Moment des großen Triumphes nicht vergessen: "Es geht auch bald schon um das nächste Spiel." Als würde er wirklich bei Real Madrid spielen.

mib

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