Samsung S24: „Wir erwarten zweistellige Zuwachsraten in Europa“

18 Jan 2024
Samsung-Mobilchef über die neue Smartphone-Reihe „Wir erwarten zweistellige Zuwachsraten in Europa“

Das erste auf KI getrimmte Smartphone kommt von Samsung – und nicht von Apple oder Google. Sind das nur Marketingfloskeln oder können sich die Südkoreaner so die Weltmarktführerschaft bei Smartphones zurückholen?

Samsung - Figure 1
Foto WirtschaftsWoche

Der Silicon Valley Unternehmer Philippe Kahn hatte sich etwas Besonderes für die Geburt seiner Tochter Sophie im Juni 1997 ausgedacht. Der gebürtige Franzose bastelte ein Kabel, um sein Mobiltelefon mit einer Kamera und einem Laptop zu verbinden. Das Babyfoto wurde auf einen speziell dafür eingerichteten Webserver direkt vom Krankenhaus im kalifornischen Santa Cruz ins Internet hochgeladen und via E-Mail an rund zweitausend Freunde und Bekannte von Kahn verteilt. In die Geschichte ist es als das erste Kameratelefon eingegangen, mit dem man live Bilder übers Internet teilen konnte.

Was vor einem viertel Jahrhundert als Spielerei erschien, ist seit vielen Jahren der wichtigste Grund, um sich ein neues Smartphone zuzulegen. Dessen Kameraqualitäten reichen mittlerweile – gute Lichtbedingungen vorausgesetzt – an die von wesentlich größeren und schwereren Profikameras heran. Im Jahrestakt versuchen sich Premium Anbieter wie Samsung, Apple, Google oder One Plus mit besseren Objektiven, Sensoren und Software zu übertreffen. Eine verbesserte Bild und Videoqualität ist noch immer der wichtigste Grund, um auf ein neues Smartphone-Modell upzugraden.

So ist es beim Galaxy S24, der neuesten Flaggschiffreihe von Samsung, die der südkoreanische Konzern am Mittwoch in San Jose im Silicon Valley vorgestellt hat. Die Hauptkamera des Spitzenmodell S24 Ultra wird mit einem 200 Megapixel Sensor für besonders hochauflösende Bilder beworben, außerdem wurde der optische Zoom verbessert. „Die Kamerafunktionalität ist weiterhin das wichtigste Kaufkriterium“, sagt Susanne Rohmert, Kommunikationschefin von Samsung Deutschland.

Doch sich über die Kameras untereinander deutlich abzusetzen, wird für die Anbieter von Highend Smartphones immer schwieriger. Zwar ist fraglos noch eine Menge herauszuholen, besonders was Aufnahmen unter schlechten Lichtbedingungen betrifft. Doch die Unterschiede in der Bildqualität der neuesten Smartphone Generation können nur noch Profis oder sogenannte Pixel Peeper erkennen, so dicht ist der Wettrennen. „Auch beim Akku lässt sich noch eine Menge herausholen, doch am eindrucksvollsten kann man verbessern, wie Smartphones im täglichen Leben genutzt werden, da bietet sich KI förmlich an“, sagt Analyst Avi Greengart von Techsponential.

„Das S24 ist der Start des KI-Phones“

Ganz im Zeittrend setzt Samsung deshalb beim Galaxy S24 auf einen zusätzlichen Fokus. Die Flaggschiff-Reihe wird als erstes Künstliche-Intelligenz-Smartphone beworben. Während der Präsentation der neuen Generation ging es in der ersten Stunde nicht wie üblich um neue Hardware und bessere Prozessoren, sondern um Künstliche Intelligenz Anwendungen wie automatisches Übersetzen oder das Zusammenfassen von Texten. „Das S24 ist der Start des KI-Phones“, jubelt TM Roh, der Chef der Mobilgerätesparte von Samsung. „So wie früher das Internet und dann das Smartphone wird KI die gesamte IT-Branche antreiben, vor allem mobile KI“, prophezeit Roh. Er ist davon überzeugt, weil „mobile Geräte der primäre Zugriffspunkt für KI sein werden.“ Ob die KI auch die App-Ökonomie umkrempeln wird, man nicht mehr Dutzende von Apps aufs Smartphone laden muss, darauf wollte er sich nicht festlegen. „Es wird davon abhängen, wie sich der Nutzer entscheidet.“ Samsung wird sich auf drei Felder konzentrieren. Einmal auf barrierefreie Kommunikation etwa beim Übersetzen, dann auf Produktivität wie beim Schreibassistenten und auf Kreativität wie beim Manipulieren von Fotos.

KI wird zwar schon seit Jahren in Handys eingesetzt, etwa bei der automatischen Bildbearbeitung oder der Spracherkennung. Besonders Google hat sich mit seinen Pixel-Smartphones eine Domäne geschaffen. Nun greift Samsung an – mit Funktionen wie einem Live-Dolmetscher, einem Schreibassistenten, dem automatischen Transkribieren von Aufzeichnungen und dessen Übersetzung und Zusammenfassen sowie einer Suchfunktion, die in der Lage ist, über Bilder weitere Informationen im Internet zu finden. Und natürlich das Manipulieren von Fotos, etwa das Verschwinden von unerwünschten Bildelementen wie Reflexionen oder das Aufhellen von Nachtaufnahmen.

Unter dem Namen des deutschen Mathematikers Gauß hat Samsung seine eigenen generativen KI-Modelle entwickelt, die auf Sprache, Bilder und das Schreiben von Code spezialisiert sind. Samsung rühmt sich damit, schon über 3000 Patente über KI in seinem Portfolio zu haben. Aber Samsung hat nicht nur die eigene Expertise genutzt – vor allem beim Übersetzen – sondern auch auf die von Google zurückgegriffen. Google ist nicht nur Wettbewerber, sondern auch Partner. Der Silicon Valley Konzern kommt wegen der Marktmacht von Samsung nicht um die Koreaner herum. „Selbst die von Google entwickelten Anwendungen werden die meisten Android-Nutzer auf Samsung-Geräten erleben, dessen ist sich Google bewusst“, sagt Analyst Greengart.

Samsung selbst spricht von „Galaxy AI“. Der im S24 Ultra eingesetzter Snapdragon 8 Gen 3 Prozessor kann wie Googles Tensor 3 KI-Prozessor direkt auf dem Gerät KI-Operationen abwickeln, ohne Verzögerungen über die Cloud. Was auch aus Sicherheitsgründen wichtig ist. Etliche deutsche Unternehmen wie beispielsweise Mercedes gestatten ihren Mitarbeitern nicht, KI-Funktionen wie beispielsweise das Online Übersetzen von Texten über die Online-Dienste von Fremdanbietern zu nutzen. Samsung gestattet es, bei seinen KI-Funktionen die Online-Unterstützung vollständig abzuschalten, so dass alle Informationen auf dem Mobiltelefon verbleiben und dort bearbeitet werden.

Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken

Wahrnehmen

Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.

Verstehen

Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.

Agieren

Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab – es bremst etwa das Auto ab. Beim sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anpassen.

Live-Simultandolmetscher: Hört sich besser an, als er im Test ist

Doch was leisten die neuen KI-Funktionen? Und kann sich Samsung tatsächlich vom Vorreiter Google absetzen? Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen gestattete Samsung vorab einen Test seiner KI-Funktionen. Besonders vielversprechend ist der Live-Simultandolmetscher, der alte Traum, dank Computer eine Sprache fließend zu sprechen und zu verstehen, ohne diese gelernt zu haben. Die Übersetzung erfolgt dabei direkt im Telefongespräch, die Sprachen müssen vorher ausgewählt werden. 13 werden derzeit unterstützt. Man spricht ins Handy, der Computer übersetzt sie in die Zielsprache und gibt sie über eine künstliche Stimme aus. Die eigene Stimme dafür zu nehmen, was mittlerweile dank KI auch funktioniert, wird derzeit noch nicht unterstützt. Das Gegenüber braucht kein Smartphone von Samsung, selbst über normale Festnetztelefone funktioniert das Übersetzen. Zur Kontrolle werden die übersetzten Dialoge in der App eingespielt.

Die Funktion hört sich leider besser an als sie im Test ist. Die für die Demo vorgegebenen Szenarien wie das Bestellen eines Taxis oder Tisch im Restaurant funktionierten zwar, aber zumindest beim Übersetzen von Deutsch ins Englische oder Spanische nur leidlich. Das KI-Modell streute etliche Wörter ein, die gar nicht gesagt wurden und auch keinen Sinn ergaben. Ein Journalistenkollege machte ähnliche Erfahrungen. Mit einem Unterschied. Er beherrscht Koreanisch und war vom Live-Übersetzen ins Englische schwer beeindruckt.

Aber wohin die Reise geht, demonstrierte eine ebenfalls integrierte App, die live vor Ort zwischen Gesprächspartnern übersetzt. Hier spricht man einfach ins Handy, die Sätze werden über Audio und Text ausgegeben. Der Bildschirm lässt sich so unterteilen, dass der Partner den Dialog lesen kann, ohne sich den Kopf verrenken zu müssen. Das klappte vom Deutschen ins Englische nahezu fehlerlos.

Ebenso gut funktionierte die Transkriptionsfunktion. Direkt auf dem Handy wurden Audiomitschnitte in Text umgewandelt und auf Wunsch automatisch übersetzt und zusammengefasst. Die KI erkennt dabei auch unterschiedliche Sprecher.

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Ein weiteres Konzept, „Circle to search“ ist nicht neu, aber trotzdem interessant. Man macht ein Bild – in dem Fall den Rucksack eines anderen Journalisten – kreist ihn ein und über die Google Suche wird das Produkt sofort gefunden, inklusive Preis und Lieferzeit.

Die neuen KI-Funktionen sollen in diesem Jahr noch für andere Premium-Smartphones angeboten werden, beispielsweise das Samsung Fold 4 und die Vorgängergeneration S23. Inwieweit sie auch auf günstigere Geräte übertragen werden, hängt laut Roh davon ab, ob sich die Hardware dafür eignet. Da aber auch Einsteigerversionen im mittleren Preissegment leistungsstärker werden, geht er davon aus, dass in den kommenden Jahren auch diese Geräte über mehr und mehr KI-Anwendungen verfügen werden.

KI-Funktionen sollen zunächst gratis angeboten werden

Wie Google wird Samsung seine KI-Funktionen zunächst gratis angeboten werden. Zumindest zum Start wird das so sein. „Der Betrieb und die Weiterentwicklung kosten natürlich einiges“, so TM Roh gegenüber der WirtschaftsWoche. „Wir werden prüfen, ob wir künftig gewisse Basis-Funktionen kostenlos offerieren und für darüber hinaus gehende Merkmale, beispielsweise mehr Geschwindigkeit einen Obolus verlangen werden.“

Und, obwohl das Roh nicht erwähnte, wie sich der Wettbewerb verhalten wird. Für Samsung steht einiges auf dem Spiel. Nachdem der Konzern jüngst eine Gewinnwarnung herausgegeben musste, vor allem wegen Einbrüchen im Geschäft mit Speicherchips, steht nun auch die Krone als Weltmarktführer für Smartphones auf dem Spiel. Laut dem Marktforschungsunternehmens IDC ist Erzkonkurrent Apple im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 2010 an Samsung vorbeigezogen. In einem schwierigen Markt, der um 3,2 Prozent schrumpfte, konnte Apple dank seiner neuen iPhone 15 Generation zulegen. Im vierten Quartal konnte Apple sich so mit 24,7 Prozent Marktanteil deutlich von Samsungs 16,3 Prozent absetzen.

Fürs Gesamtjahr konnte sich Apple so mit 20,4 Prozent Marktanteil an die Spitze setzen, gefolgt von Samsung mit 19,4 Prozent. Die IDC-Berechnungen sind nur vorläufig und der Abstand zwischen den beiden Schwergewichten ist knapp. Er beträgt nur acht Millionen Smartphones. Samsung stellt traditionell seine neueste Generation Anfang des Jahres vor, während sich Apple auf den September festgelegt hat. Höchstwahrscheinlich wird Samsung deshalb mit seinem neuen S24 in diesem Quartal wieder an Apple vorbeiziehen.

Roh setzt dabei vor allem auf Europa. „Wir erwarten hier zweistelliges Wachstum bei den Verkäufen gegenüber der Vorgängerreihe“, sagt er.

Noch ist der Anteil der sogenannten KI-Smartphones klein, betrug im Jahr 2023 laut Counterpoint Research nur 4 Prozent und soll sich dieses Jahr verdoppeln. Analyst Tarun Pathak vom Marktforschungsunternehmen Counterpoint Technology Market Research erwartet jedoch, dass bis 2027 der Anteil bereits auf 40 Prozent steigen wird, was einem jährlichen Wachstum von 83 Prozent entspricht. Tritt das so ein, wären es 2027 schon über eine halbe Milliarde KI-Smartphones weltweit.

Deutschland bleibt einer der wichtigsten Absatzmärkte für Samsungs Smartphones. Laut dem Datenaufbereiter Statista liegt Samsung hier knapp vor Apple. Der Gesamtmarkt für Smartphones in Deutschland ist rückläufig. Gingen 2022 noch 21,8 Millionen Geräte über die Ladentheke, werden in diesem Jahr rund 18,6 Millionen erwartet. Doch wegen den höheren Preisen ist der Umsatz stabil. Er wird auf 13,9 Milliarden Euro prognostiziert, was dem Volumen von 2022 entspricht.

Einstiegspreis der S24-Reihe: 899 Euro

„Wir verkaufen weniger Geräte, aber diese zu höheren Preisen, weil der Trend mehr in Richtung Premium-Geräte geht“, sagt Samsung Managerin Rohmert. Der durchschnittliche Verkaufspreis beträgt mittlerweile 690 Euro. 44 Prozent der verkauften Geräte liegen über der 1000 Euro Schwelle, 78 Prozent kosten mehr als 600 Euro. Der Einstiegspreis für die S24-Reihe liegt bei 899 Euro, das etwas bessere S24+ startet bei 1149 Euro und für das Spitzenmodell Ultra ruft Samsung heftige 1449 Euro auf. Der Vorverkauf startet am 17. Januar.

Es ist eine zunehmend teure Anschaffung. Dafür werden die Smartphones laut Samsungs Marktforschung ausgiebig genutzt. Die wöchentliche Bildschirmzeit beträgt nun schon 24 Stunden und 40 Minuten, also einen Tag pro Woche. Vor fünf Jahren waren es noch knapp drei Stunden weniger. Auch die Zahl der dabei genutzten Apps ist in dem Zeitraum von 33 auf 39 geklettert. Das Ende der App wird also nicht so schnell kommen.

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