Russische Invasion: Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Bari/Obbürgen - Nach dem G7-Gipfel in Italien wollen heute Vertreter von 92 Staaten in der Schweiz über erste Schritte eines Friedensprozesses in der Ukraine beraten.
Bundeskanzler Olaf Scholz reist direkt aus dem süditalienischen Apulien an, aus den USA kommt Vizepräsidentin Kamala Harris, für die Ukraine nimmt Präsident Wolodymyr Selenskyj teil. Die Delegationen wollen in einem Luxushotel hoch über dem Vierwaldstättersee bei Luzern über den Getreideexport aus der Ukraine, die Sicherheit des von Russland besetzten Atomkraftwerks Saporischschja, eine Absage an den Einsatz von Atomwaffen und humanitäre Fragen wie den Gefangenenaustausch debattieren.
An der zweitägigen Konferenz auf Initiative der Ukraine nehmen 57 Länder auf Ebene der Staats- und Regierungschefs teil. Es ist damit einer der größten Gipfel dieses Jahres. Auch wenn es nur begrenzte Hoffnung auf konkrete Ergebnisse gibt, gilt der Gipfel als wichtiges Zeichen der internationalen Solidarität mit der Ukraine. Denn es geht auch darum, eine möglichst breite internationale Unterstützung für den ukrainischen Friedensplan mit einem vollständigen Abzug Russlands vom ukrainischen Territorium zu gewinnen.
Die Schweizer Ausrichter des Treffens hoffen zudem, dass eine weiterführende Konferenz noch in diesem Jahr beschlossen wird - und sich dann auch Moskau einbeziehen lässt.
Putins wichtigste Verbündete aus China nicht mit am Tisch
Russlands Präsident Wladimir Putin wurde dieses Mal nicht eingeladen. Auch Moskaus wichtigster Verbündeter China hat abgesagt. Andere einflussreiche Freunde Russlands wie Indien und Südafrika sind zwar dabei, aber nicht einmal auf Ministerebene vertreten. Brasilien beteiligt sich nur als Beobachter. Ursprünglich hatte man gehofft, die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Verbündeten Russlands mit an den Tisch zu bekommen.
Scholz hatte im April bei seiner China-Reise dafür geworben - aber ohne Erfolg. Selenskyj reiste kurz vor dem Gipfel nach Saudi-Arabien. Anschließend gab es Gerüchte, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der einen guten Draht zu Putin hat, könnte in die Schweiz kommen. Auf der am Freitagabend von den Schweizer Gastgebern veröffentlichten Gästeliste steht aber nur Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud.
Streit um EU-Sanktionen: Kanzler sieht keine deutsche Blockade
Scholz hat Vorbehalte gegen den aktuellen Vorschlag bei den Verhandlungen über neue EU-Sanktionen gegen Russland bestätigt, sieht die Bundesregierung deswegen aber nicht als Bremser. „Nein, wir blockieren die (Sanktionen) nicht“, sagte der SPD-Politiker dem ZDF am Rande des G7-Gipfels in Süditalien. „Wir arbeiten intensiv wie bei allen anderen Sanktionspaketen mit allen anderen zusammen und wollen dafür Sorge tragen, dass das möglichst pragmatisch handhabbar geschieht.“ Das geschehe auch in Rücksprache mit der deutschen Wirtschaft.
Mit den geplanten EU-Strafmaßnahmen soll insbesondere verhindert werden, dass Russland Sanktionen umgehen kann, um etwa an westliche Technologie zu gelangen, mit denen die Rüstungsindustrie Waffen für den Ukraine-Krieg herstellen kann.
Scholz dämpft Erwartungen an Gipfel
Scholz dämpft schon seit Wochen die Erwartungen an die Schweizer Konferenz und spricht von einem „zarten Pflänzchen“, das man pflegen müsse. „Wir verhandeln dort nicht über das Ende des Krieges“, sagte der SPD-Politiker schon Mitte Mai in einem Interview des Magazins „Stern“. „Bestenfalls ist es der Einstieg in einen Prozess, der zu direkten Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland führen könnte.“
Scholz und Selenskyj sollten direkt vom G7-Treffen in Italien für den Gipfel in der Schweiz anreisen. Beim Treffen der sieben großen demokratischen Industrienationen stand der russische Angriffskrieg im Zentrum der Beratungen.
Russland hatte im Februar 2022 seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. In dem Konflikt sind inzwischen Hunderttausende Soldaten gefallen oder verletzt worden, hinzu kommen die vielen getöteten Zivilisten. Die ukrainische Bevölkerung leidet enorm unter der Zerstörung der Infrastruktur des Landes durch die russischen Angreifer.
Putin fordert von der Ukraine Gebietsverzicht
Russlands Präsident Wladimir Putin forderte unmittelbar vor dem Gipfel als Bedingung für ein Ende der Kampfhandlungen von der Ukraine den vollständigen Verzicht auf die Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Das ukrainische Außenministerium wies das als absurd und manipulativ zurück. „Putin strebt keinen Frieden an, er will die Welt spalten“, hieß es am Freitag aus Kiew. Der russische Staatschef wolle sich damit erneut auf der Weltbühne als Friedensstifter für den von ihm selbst ausgelösten Krieg inszenieren, führe in Wahrheit aber ganz anderes im Schilde: „Russland plant keinen Frieden, sondern die Fortsetzung des Krieges, die Besetzung der Ukraine, die Vernichtung des ukrainischen Volkes und eine weitere Aggression in Europa.“
EU-Staaten einigen sich auf Beitrittsgespräche mit Ukraine
Die EU-Staaten einigten sich am Freitagabend grundsätzlich auf den Start von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und Moldau, wie die belgische Ratspräsidentschaft mitteilte. Die Entscheidung soll kommende Woche auf einem EU-Ministertreffen formell abgesegnet werden. Für die Menschen in der Ukraine gilt die Eröffnung von EU-Beitrittsverhandlungen vor allem als wichtiges Zeichen dafür, dass es sich lohnt, den Abwehrkampf gegen Russland weiter fortzusetzen.
Wie lange es nach einem Start der Gespräche bis zum EU-Beitritt dauern könnte, ist völlig offen. Die Türkei etwa wurde bereits 1999 EU-Kandidat - und gilt derzeit unter anderem wegen Rückschritten bei der Rechtsstaatlichkeit weiter von einer Mitgliedschaft entfernt als alle anderen Beitrittskandidaten.