Meduza-Auswahl 24. – 30. Oktober: Wie es ist, in Russland schwul ...
Ein junger Mann ergattert einen Job als Beamter in Russland. Dann verliert er ihn wieder – wegen seiner Homosexualität.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 24. bis zum 30. Oktober 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Russland will Telefonate über Messenger verbietenDer russische Föderale Dienst für die Aufsicht im Bereich der Kommunikation, Informationstechnologie und Massenkommunikation – genannt Roskomnadzor – könnte bald gegen Anrufe über Messenger vorgehen und diese blockieren. Wenn Nutzer etwa Anrufe aus dem Ausland oder von nicht als Kontakt eingespeicherten Personen erhalten, sollen die Behörden in der Lage sein, diese zu beschränken. Ob das möglich ist – und wie –, erklärt Meduza (russischer Text).
Die Anwort lautet: Ja. Roskomnadzor bezieht sich auf ausländische Messenger-Dienste wie WhatsApp, Telegram oder Viber, die in Russland bisher nicht gesperrt sind. Sperren, wie Russland sie nun plant, gibt es bereits: So haben etwa Saudi-Arabien, Katar, Ägypten, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Einwohner jahrelang daran gehindert, über WhatsApp zu telefonieren. Der Rest des Messenger bleibt dabei nutzbar.
Russland als Anführer einer neuen WeltordnungAls die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten des Brics-Blocks jüngst zu einem Gipfeltreffen in der russischen Stadt Kasan zusammenkamen, nutzte Wladimir Putin die Gelegenheit, um Russland als Anführer einer aufstrebenden neuen Weltordnung darzustellen. Dabei setzt der Kreml auch auf die Medien: Meduza hat eine Kopie der Anweisungen des Kremls erhalten, wie die staatlich finanzierten und regierungsfreundlichen Medien des Landes über das Ereignis berichten sollen.
Die Richtlinien fordern etwa dazu auf, zu berichten, dass die „ganze Welt“ auf den Gipfel fokussiert sei. Das Dokument hält die Medien außerdem dazu an, zu schreiben, dass der Gipfel beweise, dass die Versuche des Westens, Russland zu isolieren, „gescheitert“ seien. Außerdem werden die Medien aufgefordert, die Verschwörungstheorie zu verbreiten, dass die US-Regierung einen groß angelegten Wahlbetrug plant. Der solle dafür sorgen, dass die Kandidatin der US-Demokraten Kamala Harris im November sicher zur Präsident gewählt wird. So zitiert Meduza aus dem Dokument (englischer Text).
Immer mehr Sold für VertragssoldatenDie russischen Behörden erhöhen ständig die Zahlungen an Vertragssoldaten, die in den Krieg mit der Ukraine geschickt werden. Teilweise belaufe sich die Pauschalzahlung bereits auf mehrere Millionen Rubel (1 Million Rubel sind circa 9.500 Euro). Auf diese Weise kann die Front mit willigen Kämpfern versorgt, und eine neue Mobilisierungswelle vermieden werden.
Der russische Staat hat außerdem wohl nicht vor, diejenigen, die bereits im Krieg sind, wieder aus dem Dienst treten zu lassen. Seit Herbst 2022 sind alle Verträge mit dem russischen Verteidigungsministerium unbefristet. Selbst diejenigen, die schwer verwundet wurden, werden nach ihrer Genesung wieder an die Front geschickt. Bereg, eine Kooperative unabhängiger Journalisten in Russland, hat mehrere Geschichten von russischen Vertragssoldaten gesammelt – darunter auch die von Deserteuren. Meduza veröffentlicht sie in vollem Umfang (russischer Text).
Ein Soldat erzählt etwa: „Jetzt kann man nur noch kündigen, wenn man keine zwei Arme, zwei Beine oder einfach keinen Kopf mehr hat.“ Ein anderer Soldat erzählt, dass er mit einer Lüge rekrutiert wurde: „Mir wurde versprochen, dass ich nicht schießen würde und dass ich einen Lastwagen fahren würde, um humanitäre Hilfe zu verteilen oder Verwundete zu evakuieren.“
Universität, Job, dann Flucht – weil er schwul istDer 23-jährige Denis Leontovich lebte in Russland offen als schwuler Mann. Nach dem Abschluss der Universität nahme er eine Stelle als Regionalbeamter in der Stadt Samara an, wo er sich auf soziale Projekte konzentrierte. Im Frühjahr 2024 wurde er jedoch nach einer Belästigungskampagne in den sozialen Medien zum Rücktritt gezwungen.
Nun ist Leontovich aus Russland geflohen und beantragt Asyl in Frankreich. Mit dem unabhängigen Medium Holod spricht er darüber, wie es ist, homosexuell zu sein – während man für eine Regierung arbeitet, die homophobe Gesetze verabschiedet. Meduza veröffentlicht eine Übersetzung seines Berichts in der Ich-Form (englischer Text).
So berichtet Leontovich: “‚Wir finden dich, wo auch immer du bist‘ – das las ich jeden Tag. In Zukunft hoffe ich, im Bereich Menschenrechte zu arbeiten, mich ehrenamtlich zu engagieren und Flüchtlingen aus Russland zu helfen. Wenn die diplomatischen Beziehungen wiederhergestellt sind und diskriminierende Gesetze aufgehoben wurden, werde ich zurückkehren und mich weiterhin für mein Land einsetzen. Ich weiß nicht, wann das sein wird. Ich hoffe nur, dass es nicht ein Jahrhundert dauert“.
Meduza zu Gast in der tazGalina Timtschenko, Gründerin und Herausgeberin von Meduza, und Chefredakteur Iwan Kolpakow sprechen in einem taz Talk auf Einladung taz Panter Stiftung über das zehnjährige Jubiläum des Mediums – und wie sie weiter gegen die Propaganda des Kreml ankämpfen.
Wir laden Sie herzlich ein, am 11. November um 19 Uhr in die taz Kantine mit Galina Timtschenko, Iwan Kolpakow und weiteren Gästen ins Gespräch zu kommen. Der Eintritt ist frei.
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