Robert Habeck: Statt die K-Frage zu beantworten, philosophiert er ...

12 Jul 2024

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Robert Habeck - Figure 1
Foto DIE WELT

Den ganzen Tag hatte der Vizekanzler peinlich genau darauf geachtet, die entscheidende Frage nicht zu beantworten. Eigentlich war der Weg für Robert Habeck frei, um nach der Kanzlerkandidatur der Grünen zu greifen.

Seine einzige ernst zu nehmende parteiinterne Konkurrentin, Außenministerin Annalena Baerbock, hatte den Weg für den Wirtschafts- und Klimaschutzminister am Mittwochabend überraschend in einem CNN-Interview freigemacht, indem sie selbst auf die Spitzenkandidatur verzichtete. Doch ausgerechnet Habeck, der sonst so für seinen innovativen Kommunikationsstil gelobt wird, flüchtete sich den ganzen Donnerstag in die immer gleichen Worthülsen.

Entgehen konnte er den Fragen nach seinen Ambitionen nicht: Habeck tourte in dieser Woche durch die Republik, sieben Bundesländer standen auf dem Programm seiner Sommerreise, im Schlepptau immer dabei war die Hauptstadtpresse.

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Und die interessierte sich plötzlich nicht mehr für selbstfahrende Autos in Paderborn oder eine Solar-Recycling-Firma in Magdeburg, sondern nur noch für den Bundestagswahlkampf im kommenden Herbst. „Winfried Kretschmann sagt immer: Politik machen muss keinen Spaß machen, aber Sinn“, antwortet Habeck auf dem Parkplatz der Solarfirma auf die Frage, ob er überhaupt Kanzler werden wolle. „Die Sinnfrage stellt sich für mich überhaupt nicht.“

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Die Herausforderungen, in denen sich das Land befinde, seien groß. „An allen Ecken und Kanten sehen wir, dass sich die Vorzeichen, unter denen sich Deutschland die Politik zurechtgelegt hat die letzten zehn, zwanzig Jahren, geändert haben.“ Neben dem Klimawandel, den Konflikten mit Russland und China, zählt er auch die Transformation der Industrie und die US-Wahlen auf.

Trotz all dieser Probleme sei es „wirklich ein Privileg in dieser Zeit an dieser Stelle Verantwortung zu tragen“, sagt Habeck. Es klingt nicht nach einer Absage an eine Kandidatur.

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Und doch: „Die Sinnfrage stellt sich gar nicht und alle weiteren Fragen – und das habe ich schon mehrfach gesagt und das werde ich heute auch nur sagen können – werden ja in den Gremien diskutiert und dann werden die zu gegebener Zeit das Richtige sagen“, sagte Habeck.

Die „Gremien“ sollen es also richten. Habeck klingt nicht nach dem sonst üblichen Politik-Erklärer, sondern nach einem Politiker ziemlich alter Schule, der im entscheidenden Moment nichts Falsches sagen will.

Nachfrage: Was heißt zu gegebener Zeit? „Besser vor dem September 2025“, sagt er. „Die Entscheidung sollte gut terminiert vor der Bundestagswahl fallen und die Inhalte und die inhaltlichen Schwerpunkte, die man dann zur Wahl stellt für die nächste Legislatur, werden wir natürlich auch rechtzeitig vorstellen.“ Im Moment seien „alle gut beraten, nicht eineinhalb Jahre vor der Wahl mit dem Wahlkampf zu beginnen“.

Habeck hat Ambitionen, bekennen will er sich noch nicht

Auch wenn sich Habeck windet, vormachen kann er natürlich niemandem, dass er keine Ambitionen auf das Amt des Kanzlers hätte. Aber bekennen will er sich noch nicht dazu. In seinem Umfeld wird zwar immer wieder betont, dass er selbstverständlich vorher informiert gewesen sei über die Entscheidung seiner Konkurrentin Baerbock, sich zurückzuziehen. Doch den Zeitpunkt bestimmte eindeutig sie.

Die Studenten an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg scheinen jedenfalls keinen Zweifel an Habecks Karriereplänen zu haben – zumindest spielt die K-Frage für sie am Abend keine Rolle. Stattdessen wollen sie vom Klimaschutzminister wissen, wie es sich anfühlt, „in einer toxischen Beziehung mit der FDP“ regieren zu müssen, wie es eine Studentin formuliert.

„Die Regierung ist kompliziert, das ist so“, antwortet Habeck. Man habe sich immer wieder „zusammenraufen“ müssen, zuletzt in den Haushaltsverhandlungen, aber es sei gut, dass das gelungen sei. „Die Welt befindet sich im Aufruhr und Umbruch, eine gewisse Stabilität der Regierung ist schon ein Wert an sich“, sagt Habeck.

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Der Wirtschaftsminister ist an diesem Abend zum Philosophieren aufgelegt, immer wieder gibt er ausschweifende Antworten auf die Fragen der Studenten – über den Sinn von Arbeit zum Beispiel. Es gehe um sinnvolles Wirken, Arbeit sei nicht nur eine lästige Pflicht, Müßiggang allein stelle eben nicht zufrieden.

Am Ende seiner Antwort bemerkt Habeck selbst, dass er jetzt vielleicht etwas zu viel „rumphilosophiert“ habe. Er spricht darüber, dass in der Gesellschaft „das Gefühl von eigener Souveränität“ verloren gehe, viele glaubten nicht mehr daran, die Dinge selbst zum Besseren verändern zu können. „Verlustgefühl von Selbstwirksamkeit“ nennt Habeck das.

Den Studenten scheint die etwas verkopfte Vorlesung nichts auszumachen. Es gibt an diesem Abend kaum konkrete Fragen zu großen Themen, der Ukraine-Krieg und der Nahostkonflikt spielen keine Rolle. Stattdessen geht es um Gefühle: „Was macht Ihnen Hoffnung?“, will eine Studentin wissen. Müsste er angesichts der vielen Krisen nicht völlig erschöpft sein? „Nicht erschöpft zu sein, ist im Moment mein Job“, sagt Habeck.

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Die Lage könne sich auch schnell wieder zum Besseren verändern. „Eine Gesellschaft ohne Zuversicht wird sterben“, sagt der Vizekanzler.

Ungewollt kommt eine Studentin mit ihrer Frage nach dem Sinn des Lebens der Antwort auf die K-Frage am Schluss des Abends doch noch ein Stückchen näher. Denn Habeck schließt mit einem Monolog über die Freiheit. Zwar könne es andere Antworten auf die Sinnfrage geben, „vielleicht religiöse oder amouröse“, sagt der Minister. Doch es gehe vor allem darum, dass „Menschen in ihrer Zeit, das, was sie für wichtig erachten, versuchen können, zu realisieren. Das ist für mich der Grund für Politik, Freiheit ist der Grund für politisches Engagement – für mich jedenfalls.“

Der Klimawandel gefährde die Freiheit genauso wie eine „ungerechte Gesellschaft“, aus der Freiheit würden sich politische Handlungsaufträge „ohne Ende“ ergeben. „Und wenn man so weit gedacht hat“, sagt Habeck, „dann bleibt einem gar nichts anders übrig, als Politiker zu werden.“ Oder eben nach der Kanzlerkandidatur zu greifen.

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