Angela Merkel und Robert Habeck: Vielleicht eine Liebesgeschichte

12 Jul 2024

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Robert Habeck - Figure 1
Foto ZEIT ONLINE

Pünktlich zum 70. Geburtstag der Altkanzlerin entdecken die Grünen ihre Liebe zu Angela Merkel wieder. Kann Robert Habeck allen Ernstes ihr brachliegendes Erbe antreten?

12. Juli 2024, 17:04 Uhr

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Begegnen sich erstaunlich oft: Angela Merkel und Robert Habeck, hier am Rande der Beerdigung von Wolfgang Schäuble © ZEIT ONLINE, verw. Foto [M]: Andreas Gora/​Getty Images

Erinnern Sie sich noch an die Zeitenwende? Dieser Schockmoment kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, als sich die deutsche Politik im Februar 2022 eingestehen musste, vor einem nicht ganz kleinen Scherbenhaufen zu stehen. Fortan nahm die Bundesregierung sich vor, wenn schon nicht alles, aber doch vieles anders zu machen als bisher. Anders als Angela Merkel.

Niemand verkörperte diese Wende so erfolgreich, auch in den Beliebtheitsumfragen, wie die Grünen. Die Partei war schließlich die einzige, die stets vor zu großer Abhängigkeit von russischem Öl und Gas gewarnt hatte, und Robert Habeck und Annalena Baerbock, der grüne Vizekanzler und die Außenministerin, fanden nun die richtigen Worte für diese Zäsur. Auch gelang es Habecks Bundeswirtschaftsministerium, Deutschland vor einer noch schlimmeren Energiekrise zu bewahren. Damals sah es für einen Moment so aus, als könnte er mit seinem tatkräftigen und wortgewandten Führungsstil, der das genaue Gegenteil von Merkels Stil ist, die Herzen der Deutschen erweichen. Endlich schien das Land zu all den Veränderungen bereit, die die große Koalition so lange vor sich hergeschoben hatte.

Es kam anders. Zeitengewendet werden wollen die Deutschen doch nur in homöopathischen Dosen, und auch die Grünen sind wieder in die Krise gerutscht. Kleingeschrumpft und bekämpft. Gleichzeitig mit ihrem Niedergang ist bei ihnen allerdings eine beinahe abenteuerlich anmutende Liebe für jene Politikerin entbrannt, die sie doch eigentlich überwinden und widerlegen wollten: Angela Merkel. Jürgen Trittin, obwohl nie ein Anhänger von Schwarz-Grün, bat die Bundeskanzlerin a. D., auf seinem Abschiedsfest eine Rede zu halten. Habeck ließ sich mehrmals bei öffentlichen Terminen mit Merkel fotografieren. Und er hat ihr früher als irgendjemand sonst zum Geburtstag gratuliert, mit einem grundsätzlichen Artikel im Rolling Stone. Am 17. Juli wird die Grande Dame der deutschen Politik 70 Jahre alt. Und Habeck schrieb, Merkel habe während ihrer Kanzlerschaft die Normalität zur Perfektion gebracht. Ihre Macht habe auf dem Versprechen einer wohltemperierten Politik gefußt, nach der Politik das sei, was möglich ist.

Das wirkt ein wenig so, als würde der Grüne das Erbe der CDU-Politikerin antreten wollen. Ausgerechnet jener Mann, vor dessen Ministerium Merkels Scherbenhaufen einst zu großen Teilen abgeladen wurde? Der so ganz anders redet, so ganz anders Politik zu machen scheint als die Altkanzlerin? Nein, denkt man, das kann nicht passen, viel zu viele Widersprüche.

Was deutsche Politiker können müssen

Aber da Merkel die Ausnahmepolitikerin ihrer Generation war und Habeck als der sicher ungewöhnlichste Politiker seiner Generation gelten darf, kann es lohnen, sich diese Widersprüche zu ihrem Geburtstag genauer anzusehen. Weil nicht nur die beiden erkennbarer werden, wenn man sie nebeneinanderstellt, sondern auch sichtbar wird, was gute Politikerinnen und Politiker in Deutschland können müssen, welche Wege ihnen offenstehen und welche nicht. Wie sie von ihrer Zeit und den Umständen geprägt werden und wie sie diese prägen können.

Habeck kann sich überhaupt nur für Merkels Erbe in Stellung bringen, weil es brachliegt. Ihre Partei, die CDU und allen voran Parteivorsitzender Friedrich Merz, haben es immer wieder ausgeschlagen. Das neue Grundsatzprogramm liest sich wie ein langer Abschiedsbrief. Habeck springt in diese Lücke, jetzt vielleicht noch mehr, da seine Konkurrentin Annalena Baerbock sich auch offiziell zurückgezogen hat und er die Partei in den nächsten Bundestagswahlkampf führen will. Deshalb schielt er womöglich auf die sich heimatlos fühlenden einstigen Merkel-Wählerinnen und -Wähler.

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