96,5 Prozent Zustimmung beim Parteitag: Robert Habeck ist ...
Zum Abschluss ihres Parteitags haben die Grünen am Sonntag Vizekanzler Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl gekürt. In dem Dringlichkeitsantrag D-05, mit dem er aufgestellt wurde, heißt er aber nur »Kandidat für die Menschen in Deutschland«. Er habe »das Zeug zu einem guten Bundeskanzler«, ist dort weiter zu lesen. Habeck erhielt 96,5 Prozent der Stimmen.
»Ich bewerbe mich darum, für die Grünen, für die Menschen in Deutschland den Unterschied zu machen«, hatte Habeck zuvor in seiner Bewerbungsrede vor den etwa 800 Delegierten gesagt. Er wolle Verantwortung übernehmen als Kandidat und »wenn es uns ganz weit trägt, dann auch ins Kanzleramt«.
Habeck verteidigte außerdem die Regierungspolitik der Grünen in der Ampelkoalition und kritisierte die Energie- und Russlandpolitik der Vorgängerregierungen. »Das ist die Ursache der Wirtschaftskrise der letzten Jahre«, so Habeck. »Die Große Koalition hat uns wissentlich und willentlich in diese Abhängigkeit getrieben.« Gleichzeitig warnte vor einer Rückkehr zu einem Regierungsbündnis aus Union und SPD nach der Bundestagswahl. Die Große Koalition sei der »Grund für den Stillstand«.
»Wir haben schlechte Regierungen gehabt in den vergangenen Jahren, und wir haben den Turbo eingeschaltet«, sagte er an einer anderen Stelle und in Richtung der Union mit Blick auf eine Reform der Schuldenbremse noch vor der Bundestagswahl: »Unsere Hand ist ausgestreckt.«
Dreifache Bedrohung der FreiheitWeitere Themen seiner Rede waren unter anderem Gleichberechtigung und Frauenförderung in Politik und Wirtschaft sowie die von den Grünen geplante Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen. Die Erderwärmung bezeichnete Habeck als eine von drei Bedrohungen für die Freiheit der Menschen sowie eine der größten Gefahren für das Leben auf der Erde. Den Klimawandel zu bekämpfen sichere den Frieden und beuge weiteren Krisen und Migrationsströmen vor.
Die Freiheit werde außerdem von außen angegriffen »durch Militarismus und Nationalismus«. Habeck nannte hier den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Der zweite Angriff komme von innen – durch »Polemik, Populismus«. Themen würden »so hochgejazzt, dass nur noch rumgebrüllt wird«, kritisierte der Grünenpolitiker. Ein Gespräch sei dann nicht mehr möglich.
Habeck nannte als Beispiel die Migrationsdebatte. Die kritisierte er als in weiten Teilen fehlgeleitet. Nicht etwa die Schutz suchenden Menschen aus der Ukraine oder Syrien seien das Problem. »Die Ursachen des Krieges und der Vertreibung sollten unser Thema sein«, so Habeck. Putin benannte er als Aggressor, der Fluchtbewegungen auslöse und zur Destabilisierung einsetze. Zugleich müsse aber klar sein, dass Schwerverbrecher oder Antisemiten das Land wieder verlassen müssten.
Gegen Ende seiner Rede plädierte Habeck für Optimismus im Land und ließ es menscheln. Er habe ebenfalls darüber nachgedacht, aufzuhören, sich gefragt, ob er noch der Richtige sei. Schließlich seien die Ampel und seine Rolle darin die Hauptgründe für das Debakel der Grünen bei den vergangenen drei Landtagswahlen. Seine Antwort könne aber nur lauten, »jetzt nicht zu kneifen«. Er sei bereit, sich zu bewegen – so wie er es einst einem seiner Söhne geraten habe beim Schwimmenlernen: »Du musst dich bewegen, sonst gehst du unter.«
Habeck soll zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock ein »Spitzenduo« für die Zeit bis zur Neuwahl des Bundestags am 23. Februar bilden. »Lieber Robert, ich will genau das: Dich als Kanzler«, sagte sie am Sonntag auf dem Parteitag in Wiesbaden unter großem Jubel der Delegierten. Habeck sei bereit, »gerade wenn es schwierig wird, voranzugehen, ja: zu führen« – und zwar »nicht wie andere einsam vorneweg«, sondern »im Team«, hob Baerbock hervor.
Am Freitag hatte der Bundeswirtschaftsminister auf dem Parteitag bereits für eine klare Positionierung der Grünen im Wahlkampf geworben. Das Wahlprogramm soll im Januar beschlossen werden.
Seit Samstag hat die Partei einen neuen Bundesvorstand. Neue Vorsitzende sind die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner, und der Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak. Eine Analyse zur Wahl der neuen Grünenchefs lesen Sie hier .