Monotone Horror-Ballerbude: "Resident Evil 4"-Remake scheitert an ...

24 Mär 2023
Monotone Horror-Ballerbude "Resident Evil 4"-Remake scheitert an der Gegenwart

Von Tim Kröplin 24.03.2023, 10:03 Uhr

Großartige Actionpassagen gepaart mit fiesen Gruseleinlagen: Mit "Resident Evil 4" revolutioniert Capcom 2005 das Horrorgenre. Fast zwei Jahrzehnte später erscheint das Remake. Leider ist es deutlich weniger originell als das Original.

Das Action-Adventure "Resident Evil 4" gilt als Meilenstein der Horrorspielgeschichte. Gänzlich neue Spielmechaniken, ein düsteres, unverbrauchtes Setting und unzählige Schockmomente sorgen für einen Impact sondergleichen. Der Titel wird fortan zur Genre-Blaupause. Capcom gelingt damit der große Wurf. Und nun, fast 20 Jahre später, veröffentlicht das Studio ein Remake. Noch einmal mit Agent Leon S. Kennedy durch das fiktive Dorf Pueblo ziehen, Kettensägen ausweichen und Rätsel lösen, alles in einem zeitgemäßen Gewand. Wie zeitgemäß das Spiel wirklich ist, hat ntv.de getestet.

Lange ist es her, doch da sitzt er nun, nachdenklicher Blick aus dem Fenster eines spanischen Polizeiwagens, beobachtet Leon S. Kennedy, wie Sonnenlicht durch dürres Laub auf den trockenen Waldboden fällt. Und er dürfte wohl erstaunt sein, wie gut die welke Umgebung aussieht. Das Original von "Resident Evil 4" erschien 2005, fällt optisch mittlerweile völlig aus der Zeit. Die Modernisierung hat dem Spiel gutgetan. Eine Überraschung ist das nicht.

TCP_Screen9.png

Capcom hat in den vergangenen Jahren ein Händchen für Remakes bewiesen. Die Neuauflage von "Resident Evil 2" war spielerisch wie auch optisch eine Neuschöpfung, konnte aber die Essenz des Originals erhalten. Es folgte ein weiteres zu "Resident Evil 3", ebenfalls vollständig überholt, aber nicht ganz so erfolgreich wie der Vorgänger. Schuld dürfte hier aber die deutlich schwächere Vorlage gewesen sein. Unterhalten hat es trotzdem. Mit "Resident Evil 4" hat Capcom wieder ein Topspiel zur Hand, wenngleich es nicht frei von Schwächen ist.

Da wäre zum Beispiel die Handlung. Sechs Jahre nach den Ereignissen von "Resident Evil 2" feiert Leon S. Kennedy sein Comeback, diesmal als Regierungsagent. Sein Auftrag: Die verschwundene Tochter des Präsidenten in einem spanischen Dorf retten und sie in Sicherheit bringen. Dabei stolpert er serientypisch in eine Verschwörung rund um einen religiösen Kult, der mittels eines Parasiten (Las Plagas) Menschen in willenlose Zombies verwandelt. Zwar finden sich im Remake ein paar zusätzliche Twists, doch die Handlung bleibt ein fader Brei aus Dan Brown und Tom Clancy. Capcom liegen eben nicht die großen Erzählungen - dafür Atmosphäre und Gameplay.

Starker Anfang, schwaches Ende

"Resident Evil" lebt von Horror- und Splattermomenten, von grotesken Monstern und mal verfallenen, mal mondänen Kulissen, von schummrigen Lichtspielen und beklemmender Atmosphäre. Schon 2005 blieb das Spiel dieser Linie treu, nur erweiterte es die damals noch steife Steuerung mit fester Kamera um dynamischere Spielmechaniken, etwa dem ständigen Blick über die Schulter. Schreckmomente gab es weiterhin, jedoch waren die Spielfiguren deutlich wehrhafter. Das damals revolutionäre Gameplay hat Capcom nochmal modernisiert.

War Leon im Original gelegentlich noch schwerfällig unterwegs, ist er nun deutlich agiler. Ein damaliges Highlight, die Hatz über den Dorfplatz, bekommt so inszenatorisch nochmal deutlich mehr Wumms. Unzählige mordlustige Infizierte jagen uns, darunter auch einer mit Kettensäge. Schießen, treten, werfen, flüchten, verschanzen, waren die Aktionen damals noch abgehackt, laufen sie heute deutlich fließender. Die Gegner sind wiederum cleverer, suchen Deckung, planen Manöver. Ein achtloser Schritt und Leon wird eingekesselt und wahlweise aufgespießt, zerhackt oder auch geköpft.

Im späteren Spielverlauf sind große Gegnermassen kein Problem mehr.

Im späteren Spielverlauf sind große Gegnermassen kein Problem mehr.

(Foto: Foto: Capcom)

Leider nimmt die Spannung mit der Zeit ab. Zum einen verliert die düstere Atmosphäre im späteren Spielverlauf an Wirkung und zum anderen sorgt ein massiv spielerleichterndes Bastel- und Upgrade-System beim damals wie heute ikonischen Waffenhändler für immer stärkere Ausrüstung. Aus Hetzen wird Schnetzeln. Gelegentliche Rätsel bringen zwar etwas Abwechslung in die Schießbude, doch zwei Minuten Ruhe können eine Stunde Kugelhagel kaum aufwiegen. Auch die Jump Scares lassen deutlich nach, wenn Leon die Auslöser unter einer Bleiwelle begräbt.

Ein bisschen aufregender wird es wieder, wenn Leon mit der Präsidententocher unterwegs ist. Viel machen kann sie nicht, er muss sie beschützen. Wird sie geschnappt, heißt es "Game Over". Anfangs gestaltet sich die Personenschützerarbeit auch schwierig. Im Kampfgetümmel ist der Überblick schnell verloren. Sobald Leons Begleitung aufschreit, ist das Spiel auch so gut wie gelaufen. Das fordert, doch eben nur, bis bessere Ausrüstung zur Verfügung steht.

Liebe zur Gewalt

Es ist schade, wie das Spiel an Spannung verliert. Zugegeben, das war im Original ähnlich, doch das stark motorisierte Gameplay beschleunigt diesen Prozess. So bleiben höchstens die ersten paar Stunden im Gruselgedächtnis. Der Rest fühlt sich häufig wie Fließbandarbeit an. Und dabei tötet Leon so routiniert, dass man sich gelegentlich fragen könnte, wer denn nun der Böse ist. Vor allem, wenn er jeden Kopfschuss mit Freudenrufen kommentiert.

Mit der Zeit freunden sich Leon und die Tochter des Präsidenten an.

Mit der Zeit freunden sich Leon und die Tochter des Präsidenten an.

(Foto: Capcom)

Ohnehin ist die Liebe zur Gewalt und die fehlende Anteilnahme des Protagonisten schräg. Er metzelt ein ganzes Dorf ab, in dem die Bewohner Opfer verschiedener Experimente und verklärender Religionspropaganda waren, in dem die Armen willenlose Zombies und die Reichen Übermenschen wurden, in dem schlicht ein gewaltiges Unrechtsregime herrscht. Statt das zu hinterfragen, wird das Töten zum Selbstzweck. Dass Leon dann noch im Namen der Vereinigten Staaten Schätze plündert, um sie gegen immer stärkere Waffen einzutauschen, gibt dem Ganzen ein umso seltsameres Geschmäckle.

Capcom schaffte es, "Resident Evil 2 und 3" in die Gegenwart zu hieven. Nur waren die Spiele eben technisch veraltetet, was für einen enormen Kontrast sorgte. Für einen ähnlichen Kontrast sorgte "Resident Evil 4", als es vor knapp 20 Jahren erschien. Doch das Remake ist viel näher an der Vorlage. Entsprechend schnell wird klar, wie weit das Horrorgenre mit Titeln wie "Dead Space", ja sogar innerhalb der Reihe selbst mit "Resident Evil Village" vorangeschritten ist. Ein modernes Gewand kann darüber nicht hinwegtäuschen.

Resident Evil 4 ist seit dem 24. März für PlayStation 5, PlayStation 4, Xbox Series und PC erhältlich.

Mehr lesen
Ähnliche Nachrichten
Die beliebtesten Nachrichten der Woche