4:0 im Clásico gegen Real Madrid: Barça eRobert das Bernabéu
Robert Lewandowski, Lamine Yamal: Zwei Spieler, drei Tore gegen Real Madrid
Foto: Manu Fernandez / AP / dpaDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Den Ton ausgeknipst: Als Raphinha den Ball über Real Madrids Torhüter Andriy Lunin hob, wurde es still im Estadio Santiago Bernabéu. Der Brasilianer, der unter der Woche bereits den stolzen FC Bayern wie eine Thekentruppe hatte aussehen lassen, war in diesem Clásico bislang nur als Randnotiz in Erscheinung getreten – sein gefühlvoller Lupfer nach Steilpass von Iñigo Martínez zog dem Duell der spanischen Rivalen dann aber endgültig den Stecker. 4:0 stand es nun in dieser 84. Minute, und auch die kühnsten Real-Gläubigen hatten eine späte Remontada abgeschrieben. Einige Madridistas machten sich auf, das Stadion zu verlassen, der Rest schwieg, einzig die mitgereisten Barça-Fans waren zu hören.
Das Ergebnis: 4:0 (0:0) setzten sich die Blaugrana unter Leitung von Hansi Flick beim Erzrivalen Real Madrid durch, eine herausragende zweite Hälfte machte den Unterschied. An der Tabellenspitze der spanischen Fußball-Liga ist der FC Barcelona nun sechs Punkte vor den Madrilenen.
Flair Play: El Clásico ist mehr als ein Spiel. Es ist ein Versprechen: Die folgenden 90 Minuten werden den handelsüblichen Fußball übertreffen. Spektakulär werden sie sein, emotional, qualitativ erlesen. Zu Zeiten der großen Superstars Lionel Messi und Cristiano Ronaldo schien garantiert, dass dieses Versprechen eingelöst würde. Zuletzt war das weniger sicher, was vor allem am FC Barcelona lag: Finanzielle Talfahrten, ein ständig wechselnder Spielerkern, verlässlich war bei Barça wenig. Doch der Markenkern regeneriert sich: Lamine Yamal als spielgewitztes Eigengewächs, Robert Lewandowski als Alleskönner und Mittelsturm-Veteran, damit lässt sich etwas anstellen. Und die zwei legten los: Ein herrlicher Lupfer von Yamal in den Lauf Lewandowskis (10. Minute), ein Hacken-Volley Lewandowskis in den Lauf von Yamal (13.) – noch brotlos, doch es durfte wieder gezaubert werden.
Athletik Madrid: Das Spiel des Champions-League-Siegers aus Madrid, der sich unter der Woche seiner Unausweichlichkeit vergewisserte, indem er gegen Borussia Dortmund ein 0:2 noch in ein 5:2 verkehrte, ist anders angelegt. Vorne stürmen Vinícius Júnior (der Ballon d'Or-Favorit) und Kylian Mbappé (der Ballon d'Or-Favorit, hätte er nicht ewig in Frankreich gespielt) als Tempomacher, dahinter formierte sich ein Regel aus Mittelfeld-Dauerläufern, die ebenfalls durchweg Stars sind, man denke nur an Jude Bellingham. Nur: Ohne Toni Kroos und mit dem zur Teilzeitkraft herabgestuften Enddreißiger Luka Modrić ist der Madrider Ansatz dieser Tage viel Laufspiel. Immer noch brandgefährlich, wie Vini Jr. mit einem atemberaubenden Solo bewies (22.), auch Mbappé mit zwei Abseitstoren (30./66.). Doch man wurde den Eindruck nicht los, dass die Madrider Modellathleten diesen einen schluffigen Spielmacher benötigten, der das Tempo und die Power seiner Nebenleute auch einzusetzen weiß.
Muss sich noch finden – und vom Mittelfeld gefunden werden: Das Real-Sturmduo Vini Jr. und Kylian Mbappé
Foto: Manu Fernandez / APLa-Masia-Masterclass: Anders ist das in Barcelona. Da wird jedes Neugeborene erst einmal von einem Fußball-Regisseur der alten Glanzzeiten gebadet, um dann eine Fußballschule zu durchlaufen, die das kreative Zusammenspiel predigt. Passenderweise hieß der Dosenöffner Marc Casadó (21 Jahre alt, acht davon bei Barça), der Robert Lewandowski per Steilpass fand. Und sonst so? Alejandro Balde (geboren in Barcelona, seit der Jugend im Klub) schlug die Flanke vor dem 2:0, Yamal (Barça-Spieler seit dem siebten Lebensjahr) wuchtete das 3:0 aus spitzem Winkel hoch ins kurze Eck. Der beste Ausbildungsverein der Welt hatte wieder zugeschlagen.
Der Real-Spezialist: Lewandowski spielte sich einst auf die europäische Fußball-Landkarte, als er mit Borussia Dortmund vier Tore in einem Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid erzielte. Seitdem ist viel passiert, unter anderem das Sextuple, das Lewandowski unter Jetzt-wieder-Trainer Flick beim FC Bayern gewann. Nur: Im Barcelona-Dress hatte es für Lewandowski seit seinem Wechsel nach Spanien 2022 noch zu keinem Clásico-Tor gereicht. Nach der Wiedervereinigung mit Flick schaffte Lewandowski nun nicht nur dahingehend Abhilfe, der 36-Jährige führt mit erstaunlichen 14 Treffern in elf Ligapartien auch die spanische Torjägerliste an. Einen Hattrick verwehrte Lewandowski nur der Außenpfosten (66.).
Hausaufgaben für Ancelotti: Real Madrid hat die eigene Vormachtsstellung für den Moment eingebüßt – und das liegt vor allem an der Stärke Barcelonas, die dem Klub so vor der Saison wohl die wenigsten zugetraut hätten. Trainer Carlo Ancelotti gilt als jemand, der seinen Stars viele Freiheiten lässt. Nun muss er ein wankendes Madrid führen, den Umbruch gestalten. Wie lässt sich Kreativität in die Mannschaft bringen, ohne den 39 Jahre alten Luka Modrić einwechseln zu müssen? Wie spielen Mbappé und Vini Jr. am besten zusammen? Und: Was ist mit Bellingham los, dem nach überragender Debütsaison aktuell wenig gelingen mag? Die Antworten sollten schnell gefunden werden, ehe Barcelona noch weiter enteilt.