Rainer Brandt: Den Rest macht Rainer

8 Aug 2024

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Rainer Brandt - Figure 1
Foto ZEIT ONLINE

Rainer Brandt war Schauspieler, Synchronsprecher und Spracherfinder. Seine Texte machten Tony Curtis, Roger Moore und Bud Spencer zu Botschaftern des Schnodderdeutschen.

8. August 2024, 13:10 Uhr

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Rainer Brandt bei der Eröffnung des Bud-Spencer-Museums in Berlin im Jahr 2021. Mindestens einen Flügel sollte man darin auch nach ihm benennen. © Nicole Kubelka/​Future Image/​imago images

Vielleicht kann man die kleine, große Kunst von Rainer Brandt am besten mit einem seiner berühmtesten Sätze zusammenfassen: "Sleep well in your Bettgestell." Ja, Rainer Brandt war die deutsche Stimme von Elvis, Jean-Paul Belmondo, Marcello Mastroianni und John Lennon in den ersten Beatles-Filmen. Ja, er spielte im Westberlin der Nachkriegszeit erfolgreich Theater. Sein sprachliches Erbe aber hat er in den Siebzigerjahren selbst geschrieben.

Damals war Brandt schon gut im Synchrongeschäft, hatte seine eigene Firma gegründet und bekam vom ZDF den Auftrag, eine englische Krimiserie zu synchronisieren, in den Hauptrollen Tony Curtis und Roger Moore, The Persuaders. In Deutschland sollte sie Die Zwei heißen. Die Dialoge waren so lala. Also beschloss Brandt: Das muss doch witziger gehen – oder wenigstens frecher. Also legte er seinen beiden Hauptdarstellern Sprüche in den Mund, die sie im Original nie gesagt hatten. "Versuch macht kluch", "Ich glaub, mich tritt ein Pferd", "Nehmen Sie mal'n Schluck Schampus in den Mund, sonst stauben Sie so beim Sprechen." Und natürlich: "Sleep well in your Bettgestell." Das brave englische Original "Hey! Yeah, you! Would you move your car, please?" verwandelte Brandt in ein: "Hallo, Sie! Schmusebacke! Würden Sie Ihren Kachelofen freundlichst zur Seite stellen, man möchte passieren!"

Vor der Ausstrahlung der Serie reiste der zuständige Redakteur vom ZDF zu Brandt nach Berlin ins Studio, um die erste Folge abzunehmen. Sie schauten sie gemeinsam an, der Redakteur kam aus dem Lachen nicht mehr heraus und sagte anschließend: "So, jetzt zeigen Sie mir mal die echte Fassung." Die beiden stritten daraufhin, der Redakteur ging grußlos, so hat das Brandt jedenfalls immer wieder erzählt. Gesendet wurde trotzdem, und spätestens nachdem die zweite Folge gelaufen war, hörte Brandt im Bus in Westberlin, wie sich andere Fahrgäste mit seinen Sprüchen unterhielten. "Schnodderdeutsch" hat Brandt seine Sprache einmal selbst genannt. Sie klang wie er selbst: Berliner Schnauze pur.

In den USA floppte The Persuaders, in England lief die Serie mittelprächtig, aber als Tony Curtis von ihrem Erfolg in Deutschland erfuhr, ließ er sich von Brandt zwei Folgen nach Hollywood schicken. Curtis habe sich kaputtgelacht, hat Brandt, von dem auch die deutsche Stimme des Schauspielers stammte, in einem Interview vor ein paar Jahren erzählt. Curtis, 1925 als Sohn jüdischer Einwanderer in New York geboren, sprach Jiddisch. Curtis und Brandt haben sich dann immer wieder getroffen, der US-Amerikaner fragte den Deutschen, ob er nicht gleich selbst die Drehbücher schreiben könne, wenn die Serie fortgesetzt werde. Leider hätten sich Curtis und Roger Moore dann zerstritten, hat Brandt erzählt, "und ich war den Auftrag wieder los". 

Seinen größten Publikumserfolg erreichte Brandt mit Bud Spencer und Terence Hill, zwei Italienern mit englischen Künstlernamen, die Haudrauf-Western drehten mit wenig Inhalt, vielen Prügeleien und mäßig originellen Dialogen. Auch sie wurden ein Fall für Brandt. Millionen sahen die Filme im Kino und im TV. Spencer wusste immer, dass er seine besondere Popularität in Deutschland auch Brandts Sätzen wie "Es ist mir hier zu laut, ich kann nicht richtig kauen!", zu verdanken hatte. Wenn Spencer bei Dreharbeiten wieder mal Probleme hatte, sich seine Texte zu merken, sagte er jedenfalls: "Das passt schon, den Rest macht Rainer."

Sein sprachliches Meisterstück aber ist Die Zwei geblieben, auch weil Brandt den Zuschauerinnen und Zuschauern zutraute, dass sie schon ganz genau wussten, Curtis und Moore nicht im Original zu hören. So entstand ein nie ausgesprochenes Band zwischen ihm, dem unsichtbaren Autor, und seinem Publikum. Unvergessen bleibt der Dialogsatz: "Du musst jetzt etwas schneller sprechen, Lordchen, sonst bist du nicht mehr synchron!" Die Zwei waren schon meta, bevor man wusste, was meta war. "Du musst da in der letzten Folge was gesagt haben, da hat einer ans ZDF geschrieben",  "Junge, lass' doch mal die Sprüche, die setzen ja die nächste Folge ab" – diese Sätze hat Brandt Curtis und Moore einfach in den Mund gelegt.

Auch privat war Brandts Welt synchron. Seine Frau Ursula Heyer, heute 84 Jahre alt, war Joan Collins' Stimme im Denver Clan, die Stimme seiner Tochter Judith Brandt kennt das Publikum in Deutschland von Monica Bellucci und Sophie Marceau. Ein Abend zu Hause bei Brandts, stelle ich mir vor, muss sich für Gäste wie deutsches Hollywood angehört haben. Papa Tony Curtis und Mutter Joan Collins mit Tochter Monica Bellucci beim Abendbrot. Jetzt wurde bekannt, dass Rainer Brandt, geboren 1936 in Berlin, in seiner Heimatstadt gestorben ist. Der ewige Frechdachs mit Berliner Schnauze wurde 88 Jahre alt. Und man möchte ihm zurufen: "Sleep well in your Bettgestell."

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