Angriff auf Rafah: Was über den Luftangriff auf Rafah bekannt ist

28 Mai 2024

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Foto ZEIT ONLINE

Bei einem israelischen Angriff auf die Großstadt in Süd-Gaza wurde ein Zeltlager für Geflüchtete getroffen. Mindestens 45 Menschen starben. Was bisher bekannt ist.

28. Mai 2024, 14:35 Uhr

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Menschen suchten in den Trümmern des zerstörten Zeltlagers in der Stadt Rafah nach Überlebenden. © Jehad Alshrafi/​AP/​dpa

Das israelische Militär hat am Sonntag einen Luftangriff auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens ausgeführt. Dabei wurde ein Zeltlager für geflüchtete Zivilisten getroffen. Es gab zahlreiche Verletzte und Tote. Der Angriff löste international viel Kritik aus, auch der Weltsicherheitsrat wird sich damit befassen. Ein Überblick:

Alle Fragen im Überblick: Was ist in Rafah passiert? Was sagt Israel? Wie reagiert die Hamas? Wie reagiert die internationale Gemeinschaft? Wie viele Menschen halten sich in Rafah auf? Wie geht es nun weiter?
Was ist in Rafah passiert?

Am Sonntagabend bombardierte die israelische Luftwaffe Ziele im Stadtteil Tal al-Sultan im Nordwesten der Stadt Rafah. Dabei wurden nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds ein Zeltlager für geflüchtete Zivilisten getroffen und ein Feuer ausgelöst. Aufnahmen von vor Ort zeigten brennende Zelte und Rettungskräfte, die in den Trümmern nach Überlebenden suchen. Nach Angaben der von den Hamas-Terroristen kontrollierten palästinensischen Gesundheitsbehörde wurden mindestens 45 Menschen getötet und mindestens 249 weitere verletzt.

Das israelische Militär teilte mit, ein Gelände als Ziel ausgewählt zu haben, auf dem sich Geheimdiensterkenntnissen zufolge kurz zuvor einflussreiche Hamas-Terroristen aufgehalten hätten. Bei dem Angriff seien der Stabschef der Hamas für das Westjordanland, Jassin Rabia, und der hochrangige Hamas-Funktionär Chaled Nagar getötet worden.

Die palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah im Westjordanland warf Israel dagegen vor, absichtlich ein Zentrum für Vertriebene angegriffen zu haben und sprach von einem "abscheulichen Massaker". Der Angriff sei innerhalb einer "humanitären Zone" erfolgt, die Israel selbst als solche ausgewiesen habe. Das israelische Militär wies die Vorwürfe zurück.

Das betroffene Flüchtlingslager Barkasat befindet sich im Viertel Tal al-Sultan rund zwei Kilometer nordwestlich des Zentrums von Rafah. Die Stadt liegt am südlichen Rand des Gazastreifens an der Grenze zu Ägypten. Hunderttausende Menschen, die zuvor vor den israelischen Angriffen aus anderen Regionen des schmalen Küstenstreifens dorthin geflohen waren, sind dort in Zeltlagern untergekommen.

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Was sagt Israel?

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete den Luftangriff auf das Flüchtlingscamp vor dem israelischen Parlament als "tragischen Fehler" und bedauerte den Tod vieler Menschen. Trotz mehrfacher Schutzbemühungen seien Zivilisten zu Schaden gekommen. "Wir untersuchen den Vorfall und werden zu einem Ergebnis kommen, denn das ist unsere Politik", sagte Netanjahu. Am Montag ordnete die Generalanwältin der israelischen Armee Militärangaben zufolge Ermittlungen an.

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Zuvor hatte das israelische Militär auf der Plattform X mitgeteilt, der Angriff sei im Einklang mit dem Völkerrecht erfolgt, es sei Präzisionsmunition gegen "legitime Ziele" verwendet worden.    

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Wie reagiert die Hamas?

Als Reaktion auf den Angriff feuerte die Hamas mehrere Raketen auf israelisches Gebiet ab. Im südlich gelegenen Tel Aviv sowie im Zentrum Israels wurden die Bewohner mit Sirenenalarm aufgefordert, Schutz vor den Raketen zu suchen. Es war der erste Raketenalarm in der Region seit mehreren Monaten. Nach Angaben der israelischen Luftwaffe wurden einige der Geschosse abgefangen.

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Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?

Der Angriff löste weltweit Entsetzen und Kritik aus. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den Angriff, bei dem "zahlreiche unschuldige Zivilisten getötet" worden, die Schutz vor dem tödlichen Konflikt gesucht hätten. Es gebe keinen sicheren Ort im Gazastreifen, sagte er und fügte hinzu: "Dieser Horror muss aufhören." Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk sprach von "entsetzlichen" Bildern.

Auch die US-Regierung zeigte sich erschüttert über die zahlreichen toten Zivilisten. Die Bilder von dem Lager, in dem "Dutzende von unschuldigen Palästinensern" getötet worden seien, seien "niederschmetternd" und "herzzerreißend", sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats in Washington. Die US-Regierung sei in Kontakt mit der israelischen Armee und anderen Partnern vor Ort, um weitere Informationen zu dem Angriff zu sammeln. Israel habe das Recht, gegen die Hamas vorzugehen. Allerdings müssten Vorkehrungen getroffen werden, die Zivilbevölkerung zu schützen. 

Vor dem Angriff hatte US-Präsident Joe Biden angekündigt, die Lieferung einiger Waffen aus US-Beständen einzustellen, sollte Israels Armee in dicht besiedelte Stadtzentren Rafahs vordringen.  

Für die Bundesregierung sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, die Umstände und Hintergründe des Angriffs müssten geprüft werden. Sollte es Belege für ein Kriegsverbrechen geben, werde die Bundesregierung dies auch verurteilen, sagte er in Berlin. 

Vergangenes Wochenende hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck militärische Angriffe auf Flüchtlingslager als nicht vereinbar mit dem Völkerrecht bezeichnet. Außenminister Annalena Baerbock (beide Grüne) bestätigte diese Aussage am Montag in Brüssel. "Das internationale Völkerrecht, das humanitäre Völkerrecht, das gilt für alle", sagte sie. Auch Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) seien bindend und müssten befolgt werden. Die Grünenpolitikerin kritisierte Israel deutlich dafür, an der Offensive in Rafah festzuhalten.

Auf der Plattform X zeigte sich Frankreichs Ministerpräsident Emmanuel Macrons über den israelischen Angriff empört, bei dem "viele Vertriebene in Rafah getötet wurden". Er forderte Israel auf, derartige Operationen zu stoppen. Die Europäische Union will mit Israel im Rahmen eines formalen Treffens über die Situation im Gazastreifen sprechen. Das teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bei einem Treffen der Außenminister mit. Auf X verurteilte Borrell Israels Vorgehen "aufs Schärfste". Es gebe "keinen sicheren Ort in Gaza".

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Wie viele Menschen halten sich in Rafah auf?

Seit Anfang Mai sind nach Angaben des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) eine Million Menschen aus Rafah vor der israelischen Offensive geflohen. Hunderttausende hatten dort zuvor aus den übrigen Gebieten des Gazastreifens Schutz vor den Kampfhandlungen gesucht. 

Israel bezeichnet Rafah als letzte Bastion der Hamas und setzt seine Bodenoffensive dort trotz eines Urteils des Internationalen Gerichtshofs (IGH) von vergangener Woche fort. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen hatte Israel darin dazu verpflichtet, den Militäreinsatz in Rafah umgehend zu beenden.

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Wie geht es nun weiter?

Algerien hat für diesen Dienstag eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates beantragt, in der der Angriff thematisiert werden soll. 

Israel setzte seine Offensive fort und drang in weitere Bezirke Rafahs vor. Augenzeugen zufolge rückte Israels Armee mit Panzern bis in das Zentrum der Stadt vor. 

Derweil setzten die Hamas ihre Teilnahme an Verhandlungen über eine Waffenruhe, die zuletzt bei mehrtägigen Gesprächen in Kairo und Doha in eine Sackgasse geraten waren, aus.

Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, AP und Reuters

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