Parlamentswahl in Portugal: Das rechte Lager legt deutlich zu

Acht Jahre lang führten in Portugal die Sozialisten die Regierung. Zuletzt regierte ihre PS-Partei sogar mit absoluter Mehrheit. Aber jetzt steht Portugal voraussichtlich vor einem Regierungswechsel. In der Nacht zum Montag lag das konservative Bündnis „Demokratische Allianz“ (AD) nach der Auszählung fast aller Wahlreise mit knapp 30 Prozent in Führung, wird aber voraussichtlich nur mit einem minimalen Vorsprung stärkste Kraft im neuen Parlament.  

Hans-Christian Rößler

Politischer Korrespondent für die Iberische Halbinsel und den Maghreb mit Sitz in Madrid.

Dadurch könnte der PSD-Vorsitzende Luís Montenegro an der Spitze einer Minderheitsregierung neuer Ministerpräsident werden und die seit 2015 regierenden Sozialisten ablösen, die bisher im Parlament über die absolute Mehrheit verfügten.

Im Lauf der Wahlnacht kam es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden großen Parteien. Die Sozialisten verloren zwar fast 50 Mandate, aber hatten gegenüber dem AD-Bündnis trotzdem nur einen ganz kleinen Rückstand. Gemeinsam übertraf das rechte Lager jedoch deutlich die absolute Mehrheit.

Das liegt besonders an der rechtspopulistischen Chega-Partei, die erst seit 2019 im Parlament vertreten ist. Sie ist die große Gewinnerin. Die Chega-Partei erhöhte ihren Stimmenanteil von sieben auf 18 Prozent und vervierfachte fast ihre Abgeordnetenzahl. Der Chega-Vorsitzende André Ventura sagte selbstbewusst in der Wahlnacht: „Die Portugiesen wollen eine Regierung aus Chega und AD“.

Brandmauer gegen Rechtspopulisten könnte fallen

Bisher hatte Montenegros PSD in Portugal, mit einer Ausnahme auf den Azoren, eine Brandmauer gegenüber den Rechtspopulisten aufrechterhalten. „Ein Nein ist ein Nein“, beteuerte er. Jetzt könnte aber wegen des knappen Ergebnisses auf Chega angewiesen sein.

Selbst wenn sich Montenegro mit der rechtsliberalen IL (8 Mandate) zusammentut, könnten die Sozialisten gemeinsam mit vier anderen linken Kleinparteien mehr Abgeordnete aufbieten als der konservative Politiker. Angesichts des knappen Wahlergebnisses ist nicht auszuschließen, dass das Ergebnis der Auslandswahlkreise noch eine Rolle spielt, das zunächst noch ausstand.

Ministerpräsident Costa hat politische Erfolge vorzuweisen

Die PS unter Ministerpräsident António Costa hatte Portugal seit 2015 regiert, zuerst mit zwei Minderheitsregierungen, seit 2022 dann mit absoluter Mehrheit. Nach Korruptionsvorwürfen gegen ihn und weitere Regierungsmitglieder war Costa im vergangenen November zurückgetreten. Wenig später erwiesen sich die Beweise aber als nicht sonderlich stichhaltig.

Costa hatte sich mit seiner Politik auch im Ausland Ansehen erworben. Nach der großen Finanzkrise stand Portugal noch 2011 kurz vor dem Bankrott. Nach einem drastischen Sparprogramm erholte und stabilisierte sich das Land dann unter den Sozialisten. Die Wirtschaft wächst kräftiger als der EU-Durchschnitt. Im Jahr 2023 wird Portugal wahrscheinlich sogar einen Haushaltsüberschuss erzielen. Das Staatsdefizit, das zweitweise fast 140 Prozent des BIP erreicht hatte, sank auf knapp unter 100 Prozent.

Portugal profitierte stark von den Mitteln des Covid-Wiederaufbaufonds der EU, mit denen es besonders die Energiewende vorantreibt und zu einem Exporteur von „grünem“ Wasserstoff werden will. Erneuerbare Energiequellen haben einen Anteil von sechzig Prozent am portugiesischen Energiemix.

Doch hohe Lebenshaltungskosten und niedrige Einkommen machen einem großen Teil der Bevölkerung schwer zu schaffen. Besonders hart trifft viele die Krise auf dem Wohnungsmarkt, die Städte wie Lissabon und Porto für viele Bürger unbezahlbar macht.

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