Harsche Kritik an Papst-Appell für Friedensgespräche
Stand: 10.03.2024 14:29 Uhr
Der Papst hat die Ukraine zum Mut für Friedensverhandlungen mit Russland aufgerufen - und stößt damit international auf entschiedenen Widerspruch. Der Vatikan bemüht sich um Schadensbegrenzung.
Der Papst ist mit seinen Äußerungen, die Ukraine müsse Mut für Friedensverhandlungen mit Russland aufbringen, international auf Kritik gestoßen. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt widersprach dem Appell deutlich. "Niemand möchte mehr Frieden als die Ukraine", sagte die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Auf dem ukrainischen Territorium gebe es seit zehn Jahren Krieg, unzählige Menschen seien getötet worden.
Göring-Eckardt fügte jedoch hinzu: "Es ist Wladimir Putin, der den Krieg und das Leid sofort beenden kann - nicht die Ukraine. Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine." Göring-Eckardt betonte: "Über Frieden wird und muss verhandelt werden - aber auf Augenhöhe."
"Warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die Hetze?"Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann übte ebenfalls Kritik am Papst. "Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne - das Symbol für den Tod und den Satan - einzuholen", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Und warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderische Hetze von Kyrill I., Vorsteher der russisch-orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainischen Volk gegenüber?", fragte die 66-Jährige. "Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt."
Polens Außenminister Radoslaw Sikorski fand ebenfalls deutliche Worte: "Wie wäre es, wenn man zum Ausgleich Putin ermutigt, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen? Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären", schrieb Sikorski auf der Plattform X.
Papst hatte sich im Schweizer Fernsehen geäußertDer Papst hatte in einem am Wochenende vorab veröffentlichen Interview des Schweizer Fernsehens gesagt: "Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln." Ohne eine der beiden Konfliktparteien Russland oder Ukraine direkt beim Namen zu nennen, fügte er hinzu, ohne Verhandlungen könne die Situation noch schlimmer werden, weshalb man sich dafür nicht schämen solle.
In dem Interview wird Franziskus auch nach Forderungen aus der Ukraine nach "Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne" gefragt, was andere als Legitimation der stärkeren Seite sähen. Darauf antwortet der Papst allgemein: "Das ist eine Frage der Sichtweise. Aber ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln."
Ukraine reagiert erbostAuch in der Ukraine war der Begriff der "weißen Fahne", den der Papst gebrauchte, direkt als Aufforderung zur Kapitulation verstanden worden und hatte sofort erboste Reaktionen ausgelöst. "Es erscheint merkwürdig, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufruft, nicht Russland als Aggressor verurteilt, der Zehntausende Menschen tötet", schrieb der frühere Abgeordnete und Vizeinnenminister Anton Heraschtschenko im Netzwerk X.
Der ehemalige ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, nannte den Papst mit einem Bibelwort einen "Kleingläubigen".
Offizielle Kiewer Stellen äußerten sich nicht. Schon aus früheren Papstäußerungen haben die Ukrainer das Gefühl, dass Franziskus mehr Verständnis für Russland aufbringt als für ihr angegriffenes Land.
Vatikan um Schadenbegrenzung bemühtDer Vatikan bemühte sich daraufhin um Schadensbegrenzung und versuchte, die Äußerungen des Papstes einzuordnen. Papst-Sprecher Matteo Bruni widersprach Darstellungen, der Papst habe die Ukraine in dem Interview zur Kapitulation aufgefordert. Er habe "vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben" wollen.
Bereits Anfang Februar hatte sich der Schweizer Journalist Lorenzo Buccella mit dem Papst getroffen. Oberthema ihres Gesprächs: die Bedeutung der Farbe Weiß, der Farbe des Guten, des Lichts - bei der aber auch Schmutz und Makel besonders deutlich aufscheinen. Aus dem eigentlich philosophisch angelegten Interview wurde schnell ein politisches - auch zum Krieg in Nahost.
Auf die Frage, ob er sich selbst als Vermittler angeboten habe, antwortet Franziskus: "Ich bin hier, ganz einfach. Ich habe einen Brief an die Juden in Israel geschickt, um über diese Situation nachzudenken. Verhandlung ist niemals Kapitulation. Es ist der Mut, das Land nicht in den Selbstmord zu führen."
Das Interview wird am 20. März im Schweizer Rundfunksender RSI in voller Länge ausgestrahlt.
Mit Informationen von Verena Schälter, ARD Rom