Die Olympischen Spiele 1972 – Münchens Sommertragödie

25 Jul 2024

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"Heitere Spiele" nach nationalsozialistischer Diktatur

Nur 27 Jahre nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland fanden im September 1972 Olympische Spiele in der Bundesrepublik statt. Die "heiteren Spiele" von München sollten einen bewusst inszenierten Gegensatz zu Hitlers Propaganda-Spielen von Berlin 1936 darstellen – mit moderner Architektur, in entspannter Atmosphäre und weltoffen.

Olympische spiele - Figure 1
Foto SWR

Bereits im April 1971 stellten sich die ersten Hostessen für die Olympischen Spiele 1972 in München vor. Die jungen Frauen aus Japan, Ghana, Indien und Brasilien präsentierten sich mit deutschen Kolleginnen auf dem Oberwiesenfeld und winkten mit dem Maskottchen der Spiele, dem Olympia-Dackel Waldi. picture-alliance / Reportdienste picture alliance | Lothar Parschauer

Sie symbolisierten sozusagen das Angekommensein in der internationalen Staatengemeinschaft – gerade nachdem der Nationalsozialismus die Berliner Olympischen Spiele 1936 abgehalten hatte, um die Welt zum Narren zu halten oder um die wahren Intentionen des Nationalsozialismus zu verbergen, war es ganz wichtig, dass man noch mal Olympische Spiele bekam, die der Welt ein anderes Deutschland zeigen konnten.

München, 5. September 1972: das Attentat der Gruppe "Schwarzer September"

Am elften Tag wurden die Spiele vom Terror überschattet. Palästinenser der Gruppe "Schwarzer September" überfielen das israelische Mannschaftsquartier; ermordeten zwei Israelis und nahmen neun als Geiseln. Für die 8.000 Sportlerinnen und Sportler war unklar, wie und ob es weitergeht. Erst gegen 16 Uhr unterbrach das Internationale Olympische Komitee die Spiele.

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Am Ende ermordeten die Palästinenser alle ihre neun Geiseln, außerdem einen deutschen Polizisten. Das Olympia-Attentat vom 5. September 1972 hat etwas gemein mit den Anschlägen vom 11. September 2001: Fast niemand hatte Terrorismus dieser Dimension zuvor für möglich gehalten.

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Für mich war es natürlich eine schreckliche Tragödie. Ich fuhr zur Olympiade mit großen Hoffnungen und weit gesteckten Zielen. Es war die erste Olympiade, für die wir uns vorbereitet hatten. Vier Jahre lang haben wir daran gearbeitet. Mein Trainer wurde ermordet – und das ist meine persönliche Tragödie. Mein Trainer Shapira war mir wie ein Vater. Eine Tragödie, die man nicht vergessen kann! Es sind schon zehn Jahre vergangen, aber mir ist, als wäre es gestern gewesen.

Spiele gehen weiter – getrübte Stimmung, dramatische sportliche Ereignisse

Der Organisator der Spiele wollte die Spiele ganz abbrechen, aber "The games must go on!". Diese Worte des IOC-Präsidenten Avery Brundages vom Tag danach sind heute Sportgeschichte. Auch wenn die Spiele weitergingen, sie waren nicht mehr dieselben. Das wussten auch die deutschen Gastgeber. Für sie waren die Münchner Spiele mehr gewesen als nur das größte Sportfest der Welt.

Es waren politisch brisante Spiele. Denn erstmals bei Sommerspielen marschierte eine eigene Mannschaft der DDR ins Stadion. Auch global hatten sich die Trends umgekehrt: Die DDR-Athleten stoßen in die Weltspitze vor und schlugen schlussendlich im Finale sogar die USA, welche 1968 noch mit Abstand die stärkste Nation gewesen war.

Die fünf Olympischen Ringe

Dieses sportliche Ereignis hätte als heitere Spiele den olympischen Geist nachhaltig prägen können – sportlich, mit der besten Unterhaltung, freundlich im Geist, kostengünstig in der Machart und inklusiv im Anspruch. Aber der Terror ist in Erinnerung geblieben.

Auf der großen schwarzen Anzeigentafel leuchten golden die Olympischen Ringe, steht das Wort "München 1972". Die fünf Olympischen Ringe, die symbolisieren sollen, dass die fünf Erdteile ineinander verschlungen sind. Ohne Rücksicht auf Hautfarbe, Rasse und Religion. Und die hier in München ins Wanken geraten sind.

SWR 2022

Manuskript zur Sendung

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