Olympiaspektakel in Paris: Eine Grande Nation im Regen

27 Jul 2024

Bilder der Zeremonie: Frauen mit Kopf unterm Arm

Foto: Bernat Armangue / REUTERS

Natürlich hatte diese Übertragung große Momente. Während der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele  tanzte, sang, glänzte, funkelte Paris – soweit es das Wetter zuließ.

Olympia - Figure 1
Foto DER SPIEGEL

Nur manchmal passte der stimmungsregulierende Regen zur Darbietung. Die Sonne war untergegangen, und es goss immer noch, als »Imagine« erklang. Für die Feierlichkeiten in Paris hat die Sängerin Juliette Armanet diese melancholische Hymne der Friedensbewegung eingesungen. Armanet stand, als man ihre Version vernahm, auf einem unebenen Ponton, neben ihr ein Pianist am brennenden Klavier. Gemeinsam glitten sie über die nicht ganz ruhige Seine.

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Dieser Fluss war überhaupt der Hauptdarsteller, die Stadt sein Bühnenbild. Die Seine ist die Seine, Paris ist Paris, klar, schöner geht es nicht. Was kann da schon schiefgehen? Außer eben dem Wetter.

Denn das sehr wohl verdarb das Gemälde, dieses überdrehte Postkartenbild, das die Organisatoren dem Rest der Welt präsentiert wollten. Alles, was an dem Abend amüsant, anmutig oder akrobatisch wirken sollte, glitschte leider manchmal ab ins Mitleiderregende.

Olympia - Figure 2
Foto DER SPIEGEL

Und obwohl diese Eröffnung selbst kein Wettkampf war, fieberten Olympiafans sicher nervös mit – aber nur aus Sorge wegen der durchnässten Sportlerinnen und Sportler. Tapfer wirkten auch die Tänzerinnen und Tänzer, die durch Pfützen sprangen und die Unversehrtheit ihrer Sehnen und Knochen riskierten.

Blick auf die Zeremonie vorm Eiffelturm: Fast impressionistisch.

Foto: Francois-Xavier Marit / AFP

Wer in Deutschland die Übertragung der ARD angeschaltet hatte, sah den Regen nicht nur, sondern bekam von zwei eher schlecht gelaunten Kommentatoren ständig zu hören, wie miserabel das Wetter sei. So oder so verfestigte sich im Laufe der Stunden der Eindruck, dass eine Grande Nation im Regen steht. Die Lehre von gestern müsste lauten: Wer seinen Perfektionismus unter Beweis stellen will, sollte bei Festumzügen die Unkalkulierbarkeit des Wetters einkalkulieren.

Paris wollte für Weltklasse und Weltoffenheit stehen, wollte sich als Jahrmarkt ohne Eitelkeiten, aber voller Lebensfreude und Gemeinschaftsgefühl neu erfinden. Doch die Metapher scheint unterzugehen. Immerhin führten die Tropfen auf der Kamera zu nahezu impressionistisch wirkenden Fernsehbildern, was ästhetisch zu der Kunstgeschichte des Landes passt. Aber das war Zufall.

Olympia - Figure 3
Foto DER SPIEGEL

Akrobatische Einlagen: Jahrmarkt ohne Eitelkeiten

Foto: Adnan Abidi / REUTERS

Auch manche der beabsichtigten Gags waren hübsch, zum Beispiel jene Gestalten, die aus den Gemälden im Louvre hüpften, um selbst einmal aus dem Fenster auf die Feierlichkeiten zu schauen. Andere Einlagen waren – Wetter hin oder her – aber eher platt.

Zwar sah es sehr eindrucksvoll aus, als lauter enthauptete Marie Antoinettes  in den Fenstern des Justizpalastes erschienen und Blut (in Form roter Bänder) aus dem Gebäude zu schießen schien. Aber gleichzeitig fragte man sich, ob es eine gelungene ironische Anspielung oder doch nur ein schlechter Witz ist, Frauen mit Kopf unterm Arm zu zeigen. An anderer Stelle wurde das Frauenbild dagegen korrigiert, da durften lauter verkannte Frauen der Geschichte als Goldgeschöpfe aus der Seine steigen. Angst vor Kitsch war nicht erkennbar, Kitsch sollte die Seele dieser kulturhistorischen Revue sein.

Und dann waren da die diversen »tableaux vivants« – die »lebenden Bilder«, die es schon in fürstlichen Spektakeln früherer Epochen gab: Zu ihnen gehörte die Nachstellung eines Abendmahlmotivs, nur war das queerer und bacchantischer, als man es aus dem Museum kennt. Wie manches im Programm sollte auch diese Szene eine Beschwörung von Paris als diverser und toleranter Stadt sein. Immerhin verschwamm diese Botschaft trotz des Regens nicht.

Dass dieser für die Weltöffentlichkeit bestimmte Abend sich immer wieder gegen die reaktionären Kräfte  auch im eigenen Land richtete, war seine Rettung. Man verzieh den Rest.

Oder jedenfalls fast. Die beiden Reden am Ende, eine von Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympische Komitees, dauerten zu lange. Und wenn eine Postkarte eines nicht verträgt, dann ist es Nässe – und zu viel Text.

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