Zuschauerin bloßgestellt: SWR distanziert sich von Oliver Pocher

Der Südwestrundfunk (SWR) richtete während des langen Pfingstwochenendes auf dem Schloßplatz in Stuttgart ein Sommerfestival aus. Tagsüber stellte sich die öffentlich-rechtliche Anstalt auf einer Festivalmeile vor, am Montag gab es ein Kinderprogramm, abends wurde unter anderem ein SWR-»Tatort« vorab gezeigt. SWR-Intendant Kai Gniffke, derzeit ARD-Vorsitzender, zeigte sich in einer Pressemitteilung  zufrieden: »Vier Tage lang war unser SWR Sommerfestival ein Ort des Miteinanders und des Austauschs im Herzen von Stuttgart.« Man freue sich »immer wieder aufs Neue über diese tolle Möglichkeit, mit den Menschen in Kontakt zu kommen«.

Doch eine spezielle Kontaktaufnahme auf dem Festival hat im Nachhinein hohe Wellen geschlagen: Am Sonntagabend war Oliver Pocher der Headliner einer Comedyshow auf der großen Bühne. Wie zunächst die »Stuttgarter Zeitung« berichtete , machte der 46-jährige Comedian intime Informationen über eine Besucherin der Veranstaltung zum Running Gag seiner Show. Der veranstaltende SWR distanzierte sich am Dienstagabend von Pochers Gags auf Kosten der Zuschauerin.

Pocher, der die Trennung von seiner Frau Amira medienwirksam öffentlich gemacht hatte, bat dem Zeitungsbericht zufolge um Handzeichen der Singles im Publikum. Zwei Frauen aus der ersten Reihe meldeten sich, eine von ihnen verriet auf Pochers Nachfrage »Aber gebumst hast du schon?«, dass sie noch keinen Sex gehabt habe. In der Folge thematisierte der Comedian die »Jungfräulichkeit« der »Zuckerschnecke« aus dem Publikum immer wieder. Auch in einem Video, das er auf der Bühne für seine 1,7 Millionen Follower auf Instagram aufnahm, nahm Pocher den Running Gag wieder auf und thematisierte, dass die Frau im Krankenhaus arbeitet. Auf Nachfrage nannte sie auch die Stadt. Wenn man dort in die Notaufnahme komme, »diese junge Dame, die versorgt Sie, davon können Sie ausgehen«, witzelte Pocher.

Nach Angaben der »Stuttgarter Zeitung« blieb die Frau nach Ende der Show verstört und weinend sitzen. Sie sei dann in den VIP-Bereich des Schlosses gebracht worden, wo man ihr versichert habe, die Show sei nicht im SWR gesendet, sondern nur auf den Videoleinwänden des Festivals gezeigt worden. Von Pocher verspottet worden zu sein, sei ihr egal, habe sie dort gesagt. Bloß, dass ihr Arbeitgeber das Ganze nicht lustig finden könne, bereite ihr Sorgen. Just diese Information ist in Pochers Instagram-Beitrag dauerhaft sichtbar.

Die SWR-Kommunikationschefin äußerte sich zunächst zurückhaltend  zu Pochers Show auf der Senderbühne: »Wir als öffentlich-rechtlicher Sender bewerten künstlerische Programme nicht.« Zensur lehne man ab. Eine Ausstrahlung im SWR-Programm werde es nicht geben, sie sei auch nie geplant gewesen.

Am Dienstag veröffentlichte der Südwestrundfunk dann allerdings auf seiner Website  doch noch ein Statement, wonach sich der Sender vom Auftritt Oliver Pochers beim SWR Sommerfestival distanziert habe. Pocher habe die Zuschauerin bloßgestellt. »Für den SWR hätten derartige verletzende Bloßstellungen in einem öffentlich-rechtlichen Angebot nichts verloren«, heißt es weiter in der Stellungnahme.

Bemerkenswert ist die Formulierung des SWR, »mit Pocher sollte ein Publikum angesprochen werden, das sonst nur unzureichend versorgt würde«. Dieser Versuch sei »in diesem Fall bedauerlicherweise völlig misslungen«. Oliver Pocher ist als Comedian für Provokationen und persönliche Angriffe bekannt. Für die Comedyshow wurden 1600 Tickets verkauft, deutlich weniger als für die »Tatort«-Premiere oder die »Pop & Poesie«-Veranstaltung des SWR-Urgesteins Matthias Holtmann. Dieser äußerte sich gegenüber den »Stuttgarter Nachrichten«  zu Pochers Show: »Das war nicht auszuhalten«, sagte der langjährige Radiomoderator, »so herablassend geht man nicht mit seinem Publikum um«.

Gefragt, ob der Sender Oliver Pocher gebeten habe, seinen Instagram-Post mit der jungen Frau zu löschen, sagte die SWR-Kommunikationschefin: »Wir haben das Management von Pocher informiert und sind im Austausch.« Am Mittwochvormittag steht das Video noch online – mit dem Begleittext: »Super Abend in Stuttgart!«.