Die eine Frage, die immer über der Nadal-Karriere schwebt
Die große Tennis-Karriere von Rafael Nadal endet ohne einen weiteren Davis-Cup-Titel. An seinem Vermächtnis ändert dies jedoch wenig. Nur eine Frage wird für immer unbeantwortet bleiben.
„Die Titel, die Zahlen da, die Leute kennen sie vermutlich, aber wie ich lieber in Erinnerung bleiben will: als guter Mensch aus einem kleinen Dorf auf Mallorca.“
Das sagte Rafael Nadal bei seiner Abschiedszeremonie, nachdem das spanische Aus im Davis Cup gegen die Niederlande feststand. Wer Nadals Karriere verfolgt hat, dürfte von dieser Aussage kaum überrascht sein. Dass seine persönlichen Wertvorstellungen über allem stehen, hat er immer wieder betont und bewiesen: Turniermitarbeiter behandelte er stets mit dem gleichen Respekt wie seine Gegner, verabschiedete sich auch nach bittersten Niederlagen persönlich von ihnen und für wartende Fans nahm er sich auch auf Krücken humpelnd Zeit.
Eine unglaubliche und unerreichbare Nadal-Statistik
Ein anderes Beispiel dafür ist auf Nadals letzter Tennistasche verewigt. Dort stehen viele seiner unglaublichen Erfolge - doch am bemerkenswerten ist eine einzigartige Statistik, die viel über den Menschen Nadal sagt: „1250 Babolat-Schläger - 0 davon zerbrochen“.
Eine Statistik, die ebenso einmalig ist wie seine unerreichbar wirkenden 14 Triumphe bei den French Open. Denn an Feuer mangelte es Nadal definitiv nie. Dennoch verlor er nie die Kontrolle - egal, wie groß die Frustration war, egal, ob sich alles gegen ihn verschworen zu haben schien.
Mit seiner Art hatte er auch Millionen von Kindern inspiriert, mit dem Tennis anzufangen, was auch sein Rivale Novak Djokovic zuletzt mehrfach hervorhob. Nadal zeigte dem Nachwuchs, dass man auch ohne große Aggressionen einer der erfolgreichsten Spieler der Tennis-Geschichte sein kann.
Wenn du hier klickst, siehst du Spotify-Inhalte und willigst ein, dass deine Daten zu den in der Datenschutzerklärung von Spotify dargestellten Zwecken verarbeitet werden. SPORT1 hat keinen Einfluss auf diese Datenverarbeitung. Du hast auch die Möglichkeit alle Social Widgets zu aktivieren. Hinweise zum Widerruf findest du hier.
Bemerkenswert auch, dass der 38-Jährige seine Errungenschaften trotz einer extrem langen Verletzungsliste schaffte - die die Frage aufwirft, was für ihn wohl möglich gewesen wäre, hätte ihm sein Körper nicht so oft einen Streich gespielt.
Eine Antwort darauf wird es nie geben, denn wie Nadal in einer legendären Pressekonferenz anmerkte: „If, if, if … doesn‘t exist“ (wenn, wenn, wenn … gibt es nicht).
Eine seltene Erkrankung bremst Rafael Nadal früh aus
Der Ursprung hinter einige seiner Verletzungen ist dabei eine unheilbare Erkrankung, das sehr seltene Müller-Weiss-Syndrom. Dieses trat bereits früh in seiner Karriere auf und drohte seine Laufbahn zu beenden, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte.
Gemeinsam mit den größten Spezialisten des Landes fanden er und sein Team eine Lösung, die ihn zumindest weiterspielen ließ - doch wirklich wurde er das Problem nie los. Stattdessen kam es durch Anpassungen an seinen Tennisschuhen zu anderen Fehlstellungen in seinem Körper, die ihn oft monatelang außer Gefecht setzen.
Und auch der Fuß meldete sich trotz ständiger Behandlung immer wieder. „Es gibt Tage, an denen ich fast nicht die Treppe hinuntergehen kann“, verriet Nadal in einem Interview mit Movistar Ende September 2023. Für die French Open 2022 hatte er sich sogar seinen Fuß taub spritzen lassen - und gewann den Titel dennoch.
Davis Cup: Kein Märchenende - und dennoch passend
Der Abschied beim Davis Cup war jetzt zweifelsohne nicht der märchenhafte, den sich viele seiner Fans für ihn wohl gewünscht hätten - zu weit weg von seinen Leistungen in der Vergangenheit präsentierte sich Nadal, der nach seiner letzten größeren Verletzung nie wieder ganz der Alte wurde.
Doch obwohl er leistungstechnisch nur noch ein Schatten früherer Tage war, loderte das Feuer in ihm wie zu besten Zeiten. Dies sah man aber nicht nur bei seiner Einzel-Niederlage gegen Botic van de Zandschulp, sondern auch bei den folgenden Matches der Spanier.
Denn Nadal war nach Beendigung der Pressekonferenz sofort zurück auf die Bank geeilt, um Alcaraz sowie das folgende Doppel lautstark anzufeuern und mit Coach David Ferrer über die Taktik zu diskutieren.
Ohne sein Team kann Nadal nicht funktionieren
Und so hatte Nadal für sich persönlich doch den perfekten Rahmen für seinen Abschied ausgesucht, auch wenn das nicht für alle sofort ersichtlich gewesen sein mag.
Nadal wollte jedoch sein letztes Match nicht bei einem Event ohne große Bedeutung bestreiten, bei dem sich alles nur um seinen Abschied gedreht hätte - auch wenn es sich aufgrund seiner Strahlkraft am Ende dennoch ein wenig danach anfühlte.
Zudem wollte er sich nicht alleine, sondern mit einem Team an seiner Seite verabschieden, etwas, was der in seiner Kindheit exzellente Fußballer im Tennissport immer ein wenig vermisst hatte.
Nadal war im Sport wie im Privaten familiäre Atmosphäre stets wichtig: Ohne sein vertrautes Umfeld, das mit ihm um die Welt reiste, konnte der harmoniebedürftige Spanier auf dem Tennisplatz nicht funktionieren.
Beim Davis Cup schließt sich für Nadal ein Kreis
Der Davis Cup passte auch deshalb als perfekter Schlusspunkt, weil ihm dort vor 20 Jahren im spanischen Sevilla vor 27.000 Zuschauern mit einem sensationellen Sieg im Finale über den klar favorisierten Andy Roddick der Durchbruch gelungen war.
Es war nur einer von unzähligen Nadal-Siegen beim Davis Cup, der diesen mit Spanien stolze fünfmal gewinnen konnte. Nadal hält bis heute die Rekord-Siegesserie von 32 (!) Matches in Folge (Einzel und Doppel) im Wettbewerb - der zweitbeste Wert steht bei 22.
Vor allem im Einzel war der Mallorquiner fast unschlagbar, 29 Siege am Stück fuhr er dort ein und verlor in seiner langen Davis-Cup-Karriere nur zweimal. Bei seinem allerersten Match in dem Wettbewerb - und jetzt beim letzten Match seiner Karriere.
Ein Umstand, auf den auch Nadal schmunzelnd hinwies: „Wir haben den Kreis geschlossen.“