Abtrünnige Provinz: Das ist Transnistrien – und darum geht es in ...

29 Feb 2024
Moldau

Seit Jahren übt der Kreml Druck auf das kleine Moldau aus. Zuletzt riefen die Moskau ergebenen Separatisten im abtrünnigen Transnistrien überraschend einen Sonderkongress ein, es gab es Befürchtungen, dass der Konflikt sich verschärfen könnte. Würde das Gebiet den Anschluss an Russland suchen? Der Konflikt zwischen Moldau, Russland und der Region ist indes schon alt und geht auf die Sowjetzeit zurück.

Wo liegt Transnistrien und wer lebt dort?

Die Region liegt im Osten der Republik Moldau, es handelt sich um einen rund 200 Kilometer langen und an einigen Stellen nur wenige Kilometer breiten streifen, der an die Ukraine grenzt – und zwar nur an die Ukraine. Einen Zugang zum Meer hat Transnistrien – wie ganz Moldau – nicht. Die Einwohnerzahl sinkt seit Jahren , zuletzt wurde sie mit rund 375.000 angegeben. Völkerrechtlich gehört die Region zu Moldau, aber nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion spaltete sich Transnistrien von der gerade erst unabhängig gewordenen Republik ab. In der Zeit der Sowjetunion hatte vor allem in diesem Teil Moldaus die russische Kultur und Sprache immer mehr Einfluss gewonnen – und so ist es noch heute: Die Mehrheit der Bevölkerung spricht Russisch, während im Rest der Republik Moldau das Rumänische dominiert.

Auch sowjetische Symbole sind allgegenwärtig. Auf der Flagge prangen Hammer und Sichel, in der De-facto-Hauptstadt Tiraspol steht eine riesige Lenin-Statue, eine Büste des Sowjetführers befindet sich vor dem Rathaus. Es wird auch Haus der Sowjets genannt. Transnistrien verwendet eine eigene Währung – den transnistrischen Rubel –, hat eigene Sicherheitskräfte und eigene Pässe. Moskau unterstützt die Wirtschaft Transnistriens, indem es kostenlos Gas liefert. Transnistrien gilt seit Langem als Schmugglerparadies. Vom Hafen im nahen Odessa gelangen über die ukrainische Grenze Zigaretten, Alkohol und andere Waren dorthin.

Wie kam es zur Abspaltung?

1991 sagte sich Moldau von der zerfallenden Sowjetunion los – und kurz darauf Transnistrien von Moldau. 1992 lieferten sich die Separatisten mit Unterstützung der russischen Armee einen Krieg mit der westlich orientieren Regierung Moldaus. Hunderte Menschen wurden getötet, die russische Armee griff an der Seite Transnistriens ein. Moldaus Truppen mussten sich daraufhin schnell zurückziehen. Seitdem gilt der Konflikt als eingefroren. Bis heute hat das Land 1500 eigene Soldaten in Transnistrien als sogenannte Friedenstruppen stationiert.

2006 beschloss der bis in dieser Woche letzte Sonderkongress der Separatisten die Ausrufung eines Referendums über einen Anschluss an Russland. 97,1 Prozent der Wähler votierten bei der international nicht anerkannten Abstimmung für den Anschluss. Ein Ergebnis, das Moldau in seinem Versuch, Teil der EU hätte destabilisieren können. Im Juni 2022 erhielt Moldau dennoch den Status eines EU-Beitrittskandidaten.

Wie ist die Situation heute?

Transnistrien wird von Russland heute nach Einschätzung von Beobachtern benutzt, um Spannungen anzuheizen und russischen Einfluss in der Region geltend zu machen. Zwei Monate nach Beginn der Invasion in der Ukraine erklärte der russische General Rustam Minnekajew die Eroberung der Südukraine zum Kriegsziel und sprach dabei auch über Transnistrien, »wo es ebenfalls Fakten der Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung gibt«. Minnekajew bediente dabei die gleichen Lügen wie Putin, dass die russische Armee angeblich leidenden russischsprachigen Menschen zu Hilfe eilen müsse.

Auch gab es seit Beginn des Krieges immer wieder Vorfälle und Anzeichen wachsender Spannungen. Kurz nach Minnekajews Einlassungen erschütterten mehrere Explosionen mit ungeklärter Ursache das Gebiet, das De-facto-Regime beschuldigte die Ukraine . Im März 2023 erklärte die Führung der Separatisten, die Ukraine habe einen gescheiterten Mordanschlag gegen ihren Anführer verübt. Im September 2023 wurden Raketenüberreste in der Region gefunden. In der vergangenen Woche erklärte das russische Verteidigungsministerium schließlich, die Ukraine plane einen militärischen Angriff auf Transnistrien, legte hierfür jedoch keinerlei Beweise vor.

Was sind die jüngsten Entwicklungen?

Aufhorchen ließ zuletzt die Meldung, wonach das transnistrische Regime einen Sonderkongress für diese Woche einberufen habe. Das renommierte Institute for the Study of War nahm beispielsweise an, die Region könne ein Referendum über den Anschluss Transnistriens an Russland vorbereiten. Das erinnerte sehr an die völkerrechtswidrige Annexion der besetzten Gebiete in der Ostukraine, die Russland mit Scheinreferenden unter Verweis auf angebliche Wünsche der Bevölkerung durchgesetzt hatte.

Tatsächlich formulierten die Regimevertreter jedoch russischen Medienberichten nur die Forderung nach angeblichem »Schutz« vor Moldau, der Beitritt zu Russland solle nicht beantragt werden. Auch Russlands Machthaber Wladimir Putin beschäftigte sich in seiner kurz darauffolgenden Rede zur Lage der Nation lieber mit anderen Themen als einer Annexion Transnistriens.

Sicherheitsexperten wenden ein, dass ein solcher Schritt für Putin problematisch werden könnte. Nico Lange, Senior Fellow bei der Münchner Sicherheitskonferenz, schrieb etwa auf X , dass die militärischen Möglichkeiten Putins »dort eng begrenzt« seien. »Weder per Luft noch per See kann Russland gerade verstärken«.

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