Miele: Hausgeräte-Konzern in der Krise – Sparkurs, Stellenabbau ...

6 Feb 2024
Miele
Traditionsunternehmen So drastisch ist der Sparkurs von Miele

Der Hausgerätehersteller möchte in den kommenden Jahren 500 Millionen Euro einsparen – und das vor allem beim Personal. Die Geschäftsführung spricht von „schwerwiegenden Schritten“. Branchenkenner befürchten demnächst weitere Hiobsbotschaften aus Gütersloh.

Der Schock sitzt tief bei den Beschäftigten des Hausgeräteherstellers Miele, die seit Dienstagmorgen über den kritischen Zustand ihres Unternehmens informiert werden. Am Produktionsstandort in Bielefeld, wo etwa 2000 Mitarbeiter Staubsauger und Geschirrspüler zusammenschrauben, berichten gleich zwei Manager und der Werksleiter über den harten Sparkurs und vom Abbau von Arbeitsplätzen. Mit jedem Satz werden die Mienen der Angestellten und Arbeiter ernster. An den weiteren Standorten dürfte die Situation kaum anders sein. Es herrscht Krisenstimmung beim einstigen Vorzeigeunternehmen.

Was sich in den vergangenen Tagen andeutete, ist nun Fakt geworden: Nach Rekordumsätzen in den vergangenen Jahren ist Miele in wirtschaftliche Turbulenzen geraten. „Den weltweiten Einbruch der Nachfrage nach Hausgeräten sowie die drastischen Preissteigerungen auf der Kostenseite hat auch die Miele Gruppe zu spüren bekommen“, teilt das Unternehmen am Dienstagnachmittag in einer Stellungnahme mit. Die Folge ist ein Stellenabbau, den es in der 125-jährigen Geschichte des Familienunternehmens aus Gütersloh noch nicht gegeben hat. Mehr als 2000 Jobs sollen abgebaut, 700 Stellen von Deutschland nach Polen verlagert werden. Betroffen sind damit etwa zehn Prozent der Belegschaft. Eine Senkung der Personalkosten sei „unausweichlich“, heißt es aus dem Unternehmen. Ein Branchenkenner befürchtet mit Blick auf die aktuelle Konjunkturlage, dass dies erst die erste von weiteren Hiobsbotschaften aus dem Hause Miele sein könnte. „Für Gütersloh dürfte das nur der Anfang sein. Man kann sich vorstellen, dass weitere Verlagerungsschritte folgen.“

„Keine vorübergehende Konjunkturdelle“

Selbst die Verantwortlichen von Miele rechnen in nächster Zeit offenbar nicht mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. „Was wir derzeit erleben, ist keine vorübergehende Konjunkturdelle, sondern eine nachhaltige Veränderung der für uns relevanten Rahmenbedingungen, auf die wir uns einstellen müssen“, so die Geschäftsleitung. Die Inflation sorge für „deutlich höhere Kosten auf der Beschaffungsseite, etwa für Material und Energie, sowie bei den Tarifentgelten“, heißt es weiter. Daher müssen die Zügel straffer gezogen werden – und zwar auf lange Sicht. Um wieder in ruhiges Fahrwasser zu kommen, kündigt man bei Miele an, bis zum Jahr 2026 etwa 500 Millionen Euro einsparen zu wollen.

Über die Tragweite des neuen Unternehmenskurses ist man sich bei Miele im Klaren. „Das sind schwerwiegende Schritte, und uns ist sehr bewusst, dass dies viele Kolleginnen und Kollegen hart treffen wird“, heißt es von der Geschäftsleitung. Auswirkungen haben die Entscheidungen besonders auf die Belegschaft am Stammsitz in Gütersloh, wo unter anderem Waschmaschinen und Trockner gefertigt werden. Hier sollen nach aktuellem Stand 700 Jobs wegfallen, die dann immerhin in Polen neu entstehen. 

Aus Kostengründen sei es unvermeidbar, „weitere Teile der Gütersloher Waschmaschinenproduktion sowie produktionsnaher Bereiche in das Miele-Werk im polnischen Ksawerów zu verlagern“, teilt das Unternehmen mit. Auch ein Zeitplan der Maßnahme steht bereits fest. Geplant ist, dass in Stufen bis 2027 fast alle Waschmaschinen für den Haushalt im polnischen Ksawerów montiert werden. Das würde bedeuten, dass am Stammwerk etwa 700 Stellen schrittweise entfallen. Die Gewerkschaft IG Metall befürchtet jedoch, dass in den kommenden Jahren weitere Arbeitsplätze in Gütersloh abgebaut werden könnten. Zudem rechnet man damit, dass es möglicherweise zu Jobverlusten bei Zuliefererbetrieben kommen könnte. 

Während die Belegschaft am Stammsitz in Gütersloh nun zumindest etwas Planungssicherheit hat, ist unklar, an welchen Standorten und in welchen Bereichen es zum Abbau der angekündigten 2000 Arbeitsplätze kommen soll. Von Miele heißt es nur, dass „vorwiegend in den sogenannten indirekten Bereichen, also nicht an den Produktionsmaschinen und Montagelinien“ Jobs abgebaut werden. In Gewerkschaftskreisen rechnet man damit, dass Stellen in der Verwaltung und auch im Bereich Forschung und Entwicklung verschwinden könnten. Weil Miele sich dazu sehr bedeckt halte, würden Unsicherheiten und Ängste in der Belegschaft geschürt, so die Kritik. Von „Verteilungskämpfen“ ist die Rede. „Es verlieren ja nicht die Mitarbeiter den Job, die während der guten Phase während der Coronapandemie eingestellt worden sind“, heißt es aus Gewerkschaftskreisen. Immerhin: Schließungen ganzer Standorte soll es nicht geben, wie Unternehmenssprecher Carsten Prudent bereits am Montag gegenüber der WirtschaftsWoche versicherte.

Gewerkschaft kritisiert Sparplan

Kritik an den drastischen Sparplänen gibt es naturgemäß von der Gewerkschaft IG Metall, deren Vertreter bereits seit langer Zeit im Austausch mit den Miele-Verantwortlichen sind. „Statt in Produktinnovationen und Qualität zu investieren, soll verlagert und Personal abgebaut werden. Das ist eine klassische Billiger-statt-besser-Strategie, die wir nicht mitmachen. Wir fordern das Unternehmen auf, mit uns über Alternativen zu verhandeln“, sagt Knut Giesler, IG Metall Bezirksleiter NRW. Giesler räumt zwar ein, dass die Marktsituation für Miele zurzeit angespannt sei. Aber nach Meinung des Funktionärs gebe es nach den Rekordjahren 2020 bis 2022 keinen Grund, beim ersten Gegenwind zu solchen Maßnahmen zu greifen. Viel schwieriger als die Marktsituation sei, dass es Produktprobleme gebe. „Wer teure Miele-Produkte gekauft hat, konnte sich immer darauf verlassen, allerhöchste Qualität Made in Germany zu besitzen. Wenn dieses Versprechen nicht mehr eingelöst wird, gibt es ein Problem. Dem kann man aber nicht durch Kostensenkung begegnen. Hier sind Investitionen in Innovationen und Qualität gefragt“, so Giesler.

Besonders der Arbeitsplatzabbau am Stammsitz in Gütersloh ist für die IG Metall ein schwerer Schlag. „Der Umfang des Stellenabbaus im Gerätewerk wäre ein Desaster für die Menschen, die Miele groß gemacht haben. Wir wollen dem nicht tatenlos zusehen und werden gemeinsam und solidarisch mit der IG Metall und den Beschäftigten um den Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen kämpfen“, sagt der Betriebsratsvorsitzende des Miele-Werks in Gütersloh, Bernd Schreiber. Bei der Gewerkschaft ist man zudem in Sorge, dass durch einen weiteren Rückzug aus Gütersloh auch auf Stadt und Verwaltung Probleme zukommen könnten. Das Unternehmen ist ein wichtiger Arbeitergeber und Steuerzahler in der Region.

Umsatzrückgänge von neun Prozent

Doch warum ist der Hausgerätehersteller, der im Jahr 2022 noch einen Rekordumsatz von 5,42 Milliarden Euro vermeldet hat, nun so plötzlich in wirtschaftliche Schieflage geraten? „Neben dem Ende der coronabedingten Sonderkonjunktur haben sich hier vor allem die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs ausgewirkt“, heißt es aus dem Unternehmen. Anders als bei früheren Abkühlungen der Märkte mache sich dies besonders im Premiumsegment bemerkbar. „In diesem Umfeld ist der vorläufige Umsatz der Miele Gruppe um etwa 9 Prozent zurückgegangen. Bei den verkauften Stückzahlen beträgt der Rückstand zum Vorjahr etwa das Doppelte“, teilt das Unternehmen mit. 

Um Kosten zu sparen wurde im vergangenen Jahr bereits in einigen Werken auf Kurzarbeit umgestellt, unter anderem in den ostwestfälischen Produktionsstandorten in Bünde (Kochfelder) und Bielefeld (Staubsauber/Geschirrspüler). Es sind aber nicht nur die Kosten, die für Miele zuletzt zum Problem geworden sind. Auch ausländische Konkurrenten wie Haier und Samsung mischen beim Kampf um Marktanteile immer erfolgreicher mit. 

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