Jahrestag des Unfalls von Michael Schumacher: Zehn Jahre lang ...
Am 29. Dezember 2013 hat sich Michael Schumacher bei einem Ski-Unfall schwer verletzt. Seitdem kämpft der siebenfache Formel-1-Champion mit den Folgen des Hirntraumas. Seine Fans warteten bisher vergeblich auf gute Nachrichten.
Es ist nach wie vor ruhig um Michael Schumacher. Das heißt aber nicht, dass der mittlerweile 54-jährige Ausnahmerennfahrer bei seinen Fans schon in Vergessenheit geraten ist. Wer in der Motorsportbranche arbeitet, der wird im eigenen Bekanntenkreis immer wieder mit Fragen nach dem aktuellen Gesundheitszustand konfrontiert. Auch zehn Jahre nach dem Unfall lässt das Interesse nicht nach.
Die Familie gibt Informationen zum Genesungsprozess nach wie vor gar nicht oder nur spärlich dosiert an die Öffentlichkeit, wofür die Anhänger in den meisten Fällen Verständnis zeigen. Michael Schumacher hatte Privates und Geschäftliches schließlich schon zu seiner aktiven Karriere klar getrennt. Geschichten, zum Beispiel über die ersten Gehversuche von Sohn Mick im Kartsport, wurden erfolgreich unter der Decke gehalten.
Das traurige Schicksal des Rennfahrers scheint jeden zu bewegen. Aus bescheidenen Verhältnissen geht es rasant hinauf bis auf den Formel-1-Olymp. Eine ganze Nation fiebert 19 Saisons lang mit, wie der Pilot bei Jordan, Benetton, Ferrari und Mercedes von Erfolg zu Erfolg rast. In 307 Rennen springen am Ende 91 Siege heraus, 155 Mal steht Schumi auf dem Podium, siebenmal wird er zum Weltmeister gekürt – alles Bestmarken zum Ende seiner Karriere.
Mit seiner bewegten Karriere erarbeitet sich der Rennfahrer einen Legendenstatus, wie es nur wenigen anderen Sportler in diesem Land gelingt. Und gerade, als Schumi die verdiente Rente genießen will, verändert ein Sturz beim Skifahren in Meribel alles. Seit dem verhängnisvollen Unfall, kurz vor seinem 45. Geburtstag, ist für ihn und seine ganze Familie nichts mehr, wie es vorher war.
Schumachers Unfälle auf der Rennstrecke waren alle einigermaßen glimpflich ausgegangen.
Es ist eigentlich nur eine kleine Unachtsamkeit bei niedriger Geschwindigkeit am Rande der Piste, die ihm zum Verhängnis wird. Ausgerechnet einem Sportler, der den Hochrisiko-Beruf Formel 1 jahrelang fast ohne größere Blessuren ausübt. Die einzige Zwangspause wird 1999 nach einem Crash in Silverstone fällig. Bei der Anfahrt auf die Stowe-Kurve hatte sich eine Entlüftungsschraube an den Bremsen des Ferrari locker vibriert.
Als Schumacher die Rechtskurve in der Startrunde aus 306 km/h anbremsen will, fällt das Pedal durch. Beim Frontalaufprall in den Reifenstapel mit einer Restgeschwindigkeit von 107 km/h bricht sich der Pilot das rechte Bein. Sechs Rennen muss der Scuderia-Fahrer aussetzen, bevor er wieder ins Cockpit steigt. Im Jahr darauf feiert er den ersten von fünf Titeln mit Ferrari.
Nach dem ersten Rücktritt Ende 2006 versucht der Adrenalin-Junkie, die Sucht nach Geschwindigkeit auf zwei Rädern zu befriedigen. Ein Motorrad-Sturz auf der Strecke von Cartagena im Februar 2009 bringt Schumacher ins Krankenhaus. Wie schwer die Verletzungen genau sind, wird nie enthüllt. Sie verzögern das F1-Comeback um ein paar Monate, verhindern können sie den zweiten Teil der Karriere aber nicht.
Die Erinnerung an Michael Schumacher wird hochgehalten. 2023 fuhr Sohn Mick den alten Mercedes seines Vaters – und trug dabei auch noch den Original-Helm.
An diesem verhängnisvollen Dezember-Tag 2013 in den französischen Alpen geht es aber nicht mehr um das letzte Zehntel. Die Staatsanwaltschaft wird in ihrer Untersuchung später feststellen, dass Schumacher mit angemessener Geschwindigkeit unterwegs war. Er ist ein geübter Skifahrer und trägt einen Helm. Was soll da schon passieren?
Wie oft in solchen Fällen handelt es sich um eine Verkettung unglücklicher Umstände: In diesem Winter ist in den Alpen weniger Schnee gefallen als in den Jahren zuvor. Spitze Steine werden nur durch eine dünne Pulverschicht bedeckt. Gerade so viel, dass sie abseits der präparierten Pisten kaum noch als Hindernisse zu erkennen sind.
Gegen 11 Uhr vormittags kommt es auf 2.700 Metern Höhe zum folgenschweren Zwischenfall. Eine am Helm befestigte Mini-Kamera zeichnet das Geschehen auf, was den Ermittlern später bei der Rekonstruktion der Ereignisse hilft. Bei einem Schwung im Neuschnee knapp außerhalb der markierten Piste bleibt der Kerpener unglücklich hängen, verliert die Kontrolle und stürzt nach vorne.
Bei den Ferrari-Events in Madonna di Campiglio machte Michael Schumacher auch auf der Skipiste stets eine gute Figur.
Mit dem Kopf prallt Schumacher auf einen Stein, wobei der Helm zu Bruch geht. Bergretter sind schnell am Ort des Geschehens, doch die Schwere der Hirnblutungen wird nicht direkt erkannt. Ein herbeigerufener Helikopter will erst die Klinik nach Moutiers anfliegen. Dann verschlechtert sich der Zustand des Patienten, worauf die Ärzte den Transport in das Universitätskrankenhaus nach Grenoble anordnen.
Am frühen Nachmittag kursieren erste Gerüchte über den Unfall in der Öffentlichkeit. Managerin Sabine Kehm gibt ein kurzes Statement ab, in dem eine Kopfverletzung bestätigt wird. Wie viele Fans weiß auch Sebastian Vettel zunächst nicht, wie schlimm es wirklich um seinen Freund steht. "Ich habe ihm noch eine SMS geschrieben und ihm gute Besserung gewünscht", erinnert sich der Heppenheimer.
Erst am Folgetag wird mehr über das Aufmaß des Hirntraumas bekannt. Schumacher muss zwei Mal operiert werden und liegt im künstlichen Koma. Ende Januar gibt Kehm bekannt, dass die Narkosemittel reduziert werden, um den Aufwachprozess einzuleiten. Dieser könne sehr lange dauern, heißt es. Anfang April gibt es noch einmal offizielle Nachrichten: Schumacher zeige Momente des Bewusstseins und des Erwachens. Die Fans schöpfen Hoffnung.
Die ganze Motorsportwelt hofft auf ein Wunder. Bei aller Neugier muss die Privatsphäre von Michael Schumacher aber natürlich respektiert werden.
Schumacher wird im Juni in eine Reha-Klinik nach Lausanne verlegt. Anfang September erfolgt der Transport in seine Schweizer Wahlheimat Gland am Genfer See. Danach werden die Wasserstandsmeldungen seltener. Die Familie bittet um Verständnis, dass der Reha-Prozess außerhalb der Öffentlichkeit stattfinden soll. Schumacher überlebt am Ende knapp, wird aber komplett aus dem gewohnten Leben gerissen.
Im Anschluss ist immer mal wieder vage die Rede von Fortschritten. Seinen 50. Geburtstag am 3. Januar 2019 verbringt Schumacher aber immer noch abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Nur ganz enge Vertraute, wie sein ehemaliger Ferrari-Teamchef Jean Todt, dürfen den berühmten Patienten besuchen. Wie viel er von seiner Außenwelt wahrnimmt, ist nicht bekannt. Auch beim Formel-1-Debüt von Sohn Mick im März 2021 kann der Vater nicht live dabei sein.
Im September 2021 veröffentlicht der Streamingdienst Netflix eine Dokumentation, bei der erstmals Filmaufnahmen aus dem privaten Archiv zu sehen sind. Zum zehnten Jahrestag des Sturzes erinnert auch das Erste mit einer fünfteiligen Filmreihe an die beeindruckende Karriere Schumachers. Neue Aufnahmen gibt es wie erwartet keine. Sein ehemaliger Manager Willi Weber spricht im Kölner Express aus, was viele Fans denken: "Ich habe keine Hoffnung mehr, dass ich ihn noch einmal wiedersehe."