Joy Denalane und Max Herre: "Liebe muss immer an Bedingungen ...

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25 Jahre nach ihrem ersten Duett folgt die Debüt-LP von Joy Denalane und Max Herre. Ein Gespräch über sturmfreie Buden, Widerstand im Alltag und Deutschrap im Badezimmer

Max Herre - Figure 1
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26. Oktober 2024, 13:54 Uhr

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Mit ihnen stand die Zeit still – und dann sind doch irgendwie 25 Jahre vergangen. Joy Denalane (rechts) und Max Herre im Jahr 2024 © Oliver Helbig

Einer macht die Platte, der andere hütet die Kinder – so sah jahrelang das Familien- und Karrieremodell von Joy Denalane und Max Herre aus. Sechs Alben der Soulsängerin und vier des Rappers sind auf diese Weise im Wechsel entstanden, nie aber kam es zu einem gemeinsamen Projekt der Musiker, die abgesehen von einer kurzen Unterbrechung seit 25 Jahren ein Paar sind. Nun, wo die erwachsenen Söhne der beiden aus dem Haus sind, ändert sich das mit dem Duettalbum "Alles Liebe".

ZEIT ONLINE: Joy Denalane, Max Herre, gibt es einen Musiker, auf den Sie sich überhaupt nicht einigen können?

Joy Denalane: Ich könnte solche Differenzen eher an Genres festmachen als an einzelnen Künstlern. Was uns zum Beispiel trennt, ist Max' Liebe zum Roots-Reggae.

ZEIT ONLINE: Also die gesellschaftskritische Reggae-Musik von Künstlern wie Bob Marley, Peter Tosh oder Lee "Scratch" Perry.

Max Herre: Ja, ich bin großer Fan. Aber mir fällt auch noch ein einzelner Interpret ein: Udo.

Denalane: Oh ja, eine Udo-Lindenberg-Sozialisierung habe ich nicht durchlaufen.

Herre: Wir können uns aber schon auf das allermeiste einigen.

Denalane: Ja, aber danach hat er ja nicht gefragt.

ZEIT ONLINE: Können Sie sich wegen Musik auch richtig in die Haare kriegen?

Denalane: Als Fans nicht. Im Studio schon.

Herre: Aber auch dort immer weniger. Vor 25 Jahren hätte ich noch gesagt: Ganz klar, ja.

Denalane: Es ist nicht mehr so drastisch. Wir müssen keine Sessions abbrechen.

ZEIT ONLINE: Ihrem ersten gemeinsamen Album Alles Liebe scheint man das anzuhören. Es klingt wie aus einem Guss, sehr harmonisch.

Herre: Wir haben in der Vergangenheit schon sehr homogene Alben gemacht, Willpower oder Let Yourself Be Loved von Joy, die in einen ganz bestimmten Soul-Sound gewandt waren. Diesmal wollten wir in unterschiedlichen Soundwelten arbeiten, wobei ich schon glaube, dass wir beide als Performer wie eine Klammer für die Musik wirken.

ZEIT ONLINE: Manchmal hört man einem Album an, dass sich die Musiker richtig aneinander abgekämpft haben. Sie stellen etwas fertig, geben sich die Hand und wollen erst mal ein Jahr Ruhe voneinander.

Herre: Das wäre jetzt schlecht in unserem Fall. (lacht)

ZEIT ONLINE: Ja, so ein Album ist es nicht.

Denalane: Das haben Sie richtig gehört. (lacht)

Herre: Wir kennen das auch, Alben, an denen wir wahnsinnig gekämpft haben. Manchmal zusammen, manchmal jeder für sich. Alles Liebe ist uns aber leichtgefallen. Wir haben im Januar 2023 einen ersten Testballon gestartet. Eine Dreitagesession mit einem Producer-Team, um zu sehen: Trägt sich das überhaupt über mehr als ein, zwei Songs, wenn wir eine Duettplatte machen wollen? Am Ende der Session hatten wir neun Songskizzen. Wir haben also gemerkt: Es gibt viel zu erzählen und zu entdecken, sowohl inhaltlich als auch im Sound.

ZEIT ONLINE: Fast alle Texte auf Alles Liebe haben Sie zusammen mit dem Musiker und Rapper Tom Thaler geschrieben. Das ist heute nichts Ungewöhnliches mehr, hat mich hier aber doch überrascht, weil das Album so explizit von Ihrer Beziehung und aus Ihrem Alltag erzählt. Was konnte ein weiterer Texter dazu beitragen, das Sie nicht selbst leisten konnten?

Denalane: Max kann auch allein texten, ich allerdings nicht. Oder, na ja, ich kann es schon, aber ich will nicht, weil ich die Ergebnisse oft nicht gut genug finde. Für mich ist Tom Thaler also ein counterpart. Ich teile Gedanken mit ihm, und daraus schälen sich dann Textideen oder auch mal ein, zwei ganze Zeilen.

Herre: Ich habe jahrelang Texte allein geschrieben und das irgendwann als Martyrium empfunden. Deshalb mag ich heute den Gedanken, dass da noch jemand ist, der mitdenkt und mir Vorschläge macht. Ich nehme zwar eher selten den ersten oder zweiten Vorschlag an, aber bei Tom reißen die Ideen nicht ab. Er kann sich wahnsinnig lang konzentrieren. Ich bin viel schneller am Kühlschrank oder am Handy als er.

ZEIT ONLINE: Es geht, wie gesagt, um Beziehungsalltag auf Alles Liebe. Was halten Sie für das größte und falscheste Klischee über einen solchen Alltag?

Herre: Die Annahme, dass der zentrale Parameter einer Langzeitbeziehung Glück ist, halte ich für völlig falsch.

Denalane: Ja, oder Harmonie.

Herre: Das sind für mich temporäre Gefühle. Aber die Menschen sehen zwei Leute wie uns und sagen: Ihr seid schon so lange zusammen, ihr müsst doch glücklich sein. Sie stellen sich Beziehungen als ausgedehnten Glücksmoment vor, und ich glaube, genau an dieser Vorstellung scheitern viele Beziehungen. Weil Menschen abspringen, wenn es mal kompliziert wird.

Denalane: Wer glaubt, dass eine Ehe nur funktionieren könne, wenn sie grundsätzlich harmonisch verläuft, liegt meiner Meinung nach falsch.

Herre: Ja, da schwingt auch Angst vor Konflikten mit, davor, um Dinge zu ringen. Ich glaube, das hatten wir von Anfang an nicht. Wir haben immer gestritten. Für uns war es wichtig, sich auf diese Weise zu spüren, sich abzugleichen und den anderen dadurch besser zu verstehen. Unser gemeinsamer Blick auf die Welt hat sich auch in dieser Reibung entwickelt.

ZEIT ONLINE: Auch eine Fehleinschätzung, zumindest aus meiner Sicht: dass Beziehungsalltag langweilig sei und Sesshaftigkeit anspruchsloser als Singledasein oder frisches Verliebtsein. Gerade das Leben mit kleinen Kindern finde ich viel stressiger als den schlimmsten heartbreak.

Denalane: Ja, glaube ich. (lacht)

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ZEIT ONLINE: Aber stimmt denn wenigstens das Klischee, dass es leichter ist, über heartbreak und frisches Verliebtsein zu schreiben als über Sesshaftigkeit?

Herre: Ich könnte das gar nicht sagen, weil Sesshaftigkeit bei uns so relativ ist. Der Song Auf Tour vom neuen Album beschreibt zwar Sesshaftigkeit, aber auch Bewegung. Er handelt davon, dass einer von uns zu Hause ist mit den Kindern, während sich der andere selbst verwirklicht. Wir haben immer beides im Wechsel gelebt, das hat unsere Beziehung sehr geprägt: Auf der einen Seite das, was man so Karriere nennt, auf der anderen Seite die care work.

ZEIT ONLINE: Tatsächlich wird unheimlich viel gewartet auf Alles Liebe. Nur im Song Skyline sind Sie dann beide mal in Bewegung. Er beschreibt ein neues Jetset-Leben, das Sie genießen, seit Ihre erwachsenen Söhne aus dem Haus sind. Zentrale Botschaft: Endlich sind sie weg!

Denalane: Der Song überspitzt das natürlich. Aber wir feiern die Freiheit auch so, weil wir sehr jung Eltern geworden sind. Wir kamen zusammen und hatten ein Jahr später schon ein Kind. Von daher war unser Anliegen immer, das Verpasste irgendwann nachzuholen. Gerade weil wir viele Musiker und Freundinnen kannten, die erst viel später Kinder bekommen haben als wir. Früher haben wir mit mindestens einem neidischen Auge auf die geblickt. Jetzt haben sie die kleinen Kinder und sitzen zu Hause.

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