Spitzenpolitiker erinnern an den "Sieg der Freiheit"
dpa/Soeder
Glück, Höhepunkt, unfassbar, historisch - zum 35. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer erinnern Politikerinnen und Politiker an den Freudentaumel von damals. Für manche ein Ansporn, andere klingen fast schon melancholisch.
Als Inspiration für friedliche Veränderungen und den heutigen Kampf für Freiheit weltweit haben Spitzenpolitiker und Zeitzeugen den Fall der Berliner Mauer vor 35 Jahren gewertet.
Die zentrale Gedenkveranstaltung zum 9. November 1989 fand mit Jugendlichen aus mehreren europäischen Ländern und Vertretern internationaler Freiheitsbewegungen am Samstag in der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße statt.
Daran nahmen der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teil. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) würdigte das historische Datum am Rande des EU-Gipfels in Budapest in einer Videobotschaft.
Der 9. November 1989 war für Berlin wohl einer der glücklichsten Tage überhaupt. Die Stadt erinnert an den Mauerfall vor 35 Jahren mit viel Programm. Ausstellungen, Lesungen, einer Art Karaoke-Boulevard und Punkmusik in der früheren Stasizentrale.
Optimismus, Mut, ZusammenhaltBundeskanzler Scholz sprach in seinem Video auf der Internetplattform X vom Fall der Berliner Mauer als einem "glücklichen Höhepunkt einer gesamteuropäischen Entwicklung". Er erinnerte an die vorangegangenen Freiheitsbewegungen in Osteuropa und unterstrich: "Der Sieg der Freiheit im Herbst 1989 war ein gesamteuropäischer Sieg. Der Fall der Berliner Mauer vor 35 Jahren war der glückliche Höhepunkt einer gesamteuropäischen Entwicklung, ein Glückstag, für den wir Deutschen bis heute dankbar sind."
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nannte den Mauerfall vom 9. November 1989 einen Glückstag, an dem mutige Bürgerinnen und Bürger "die Mauer einfach wegdrückten". Der CDU-Politiker sprach von "unfassbaren Momenten". Den Optimismus, Mut und Zusammenhalt jener Tage wünsche er sich heute angesichts vielfältiger Probleme mitunter zurück, sagte Wegner.
In Berlin sind zum Jahrestag mehrere Mitmach- und Kunstaktionen sowie Ausstellungen und Konzerte geplant.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) rief dazu auf, die Energie und Aufbruchstimmung von 1989 in Ostdeutschland für die Zukunft zu nutzen. Zugleich sprach er von einem "unglaublichen Glücksgefühl", als er die Menschen vor genau 35 Jahren auf der Berliner Mauer feiern sah. Die Landesregierung und der Landtag erinnerten am Jahrestag bei einem Festakt in Frankfurt (Oder) an den Mut vieler Menschen in der DDR.
Woidke sagte: "Was am 9. November 1989 begann, bleibt ein Auftrag für die Zukunft. Einiges von der damaligen Aufbruchsstimmung und dem Gemeinschaftsgefühl brauchen wir auch heute. Belassen wir es also nicht bei Erinnerungen, sondern nutzen unsere Energie, um den erfolgreichen Weg Ostdeutschlands fortzusetzen."
Auch Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) rief dazu auf, täglich "unser leidenschaftliches Engagement für die Demokratie" zu erneuern. "Wir haben erfahren, dass wir Politik verändern können, dass Meinungsfreiheit ebenso normal ist wie überallhin reisen zu können. Wir hatten ein hoffnungsvolles Bild von der Zukunft einer freiheitlichen und offenen Gesellschaft und erlebten die eigene Gestaltungsmacht."
Bild: picture alliance/akg-images
14. August 1961, Ost-Berlin schottet sich ab: Soldaten mit Maschinengewehren bewachen die ersten Absperrungsmaßnahmen mit Stacheldraht. Der Bau der Mauer hat in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 begonnen, bekannt als "Operation Rose". Noch im Juni 1961 erklärte Walter Ulbricht öffentlich: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!" Die endgültige Entscheidung fiel bei einem Treffen zwischen dem sowjetischen Regierungschef Chruschtschow und Ulbricht am 3. August 1961 in Moskau. Zuvor hatte sich die sowjetische Führung lange gegen ein solches Vorhaben gesträubt.
Bild: picture alliance/dpa/UPI
Wenige Wochen später behauptet die DDR-Führung nun, die Mauer diene dem Schutz vor "revanchistischen und militaristischen Kräften Westdeutschlands und West-Berlins". In Wirklichkeit richtet sich die Mauer primär gegen die eigene Bevölkerung, um deren Flucht zu verhindern und das System zu stabilisieren. Zwischen 1949 und 1961 hatten bereits rund 2,5 Millionen Menschen die DDR verlassen, viele von ihnen gut ausgebildet.
Bild: picture alliance/brandstaetter images/F.Hubmann
Westberliner blicken von der Bernauer Straße aus auf die eingemauerte Versöhnungskirche. Die Mauer trennt nicht nur die Stadt, sondern auch Familien und Freunde für Jahrzehnte. Knapp 44 Kilometer verlaufen entlang der Sektorengrenze zwischen West- und Ost-Berlin, insgesamt ist die Mauer 155 Kilometer lang. Das entspricht in etwa der Entfernung vom Brandenburger Tor bis Dresden.
Bild: picture alliance/akg-images
DDR-Propaganda am Checkpoint Charlie in Kreuzberg 1962. Mit "Hier beginnt die Freiheit" haben die Verantwortlichen die Barriere aus Stahlbeton und Stacheldraht dahinter bezeichnet. Zwischen 1961 und 1988 versuchen mehr als 100.000 DDR-Bürger über die innerdeutsche Grenze zu fliehen. Mindestens 140 davon kommen bei Fluchtversuchen an der Berliner Mauer ums Leben - die meisten von ihnen werden von DDR-Grenzsoldaten erschossen.
Bild: Picture Alliance
US-Präsident John F. Kennedy (r.) bei seinem Besuch in Berlin am 26.06.1963 auf einer Aussichtsplattform an der Berliner Mauer und dem Brandenburger Tor. Da hat er noch wenige Monate zu leben. Hinter Kennedy steht der Regierende Bürgermeister Willy Brandt. Die USA reagieren zunächst sehr zurückhaltend auf den Mauerbau. Für Kennedy bleiben drei Grundpfeiler der US-Politik zu Deutschland unberührt: Der freie Zugang nach Berlin, die Anwesenheit der Westmächte in der Stadt und die Freiheit der West-Berliner Bevölkerung. Er will nichts riskieren.
Bild: picture alliance/dpa/G.Bratke
Kennedys berühmter Besuch in Berlin 1963 mit seiner "Ich bin ein Berliner"-Rede wird zu einem wichtigen symbolischen Akt der Solidarität - auch wenn er die Realität der Mauer und der Menschen auf beiden Seiten nicht ändert. Hier nutzen Ostberliner Kinder unmittelbar hinter dem Grenzzaun an der Schwedter Straße, Ecke Kopenhagener die offene Straßendecke als Buddelplatz.
Bild: Picture Alliance
Eine Frau wird am 05.10.1964 in Berlin aus einem Ausstiegsschacht nach oben gezogen. Dieser Schacht ist Teil eines Fluchttunnels. Insgesamt fliehen 57 Menschen durch ihn nach West-Berlin - bis er entdeckt wird. Fluchthelfer holen Tausende DDR-Flüchtlinge in die Bundesrepublik. Einer von ihnen ist der Medizinstudent Burkhart Veigel. "Ich habe mich aber von Mensch zu Mensch zuständig gefühlt. Was die Politik macht, hat mich eigentlich wenig interessiert", erinnert sich Veigel im Gespräch mit rbb|24.
Bild: picture alliance/dpa/B.Müller
Eine Gruppe Kinder tummelt sich im März 1972 an und auf der Mauer am Legiendamm im Westberliner Stadtteil Kreuzberg. Auf der Mauer sind mit weißer Farbe die Worte "Einigkeit und Freiheit für Berlin" aufgemalt. Doch zu dieser Zeit ist eine deutsche Wiedervereinigung sehr unwahrscheinlich geworden. Die innerdeutschen Beziehungen haben sich normalisiert, was auch am neuen Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR liegt.
Bild: picture alliance/SZ Photo/K.Lehnert
Der Vertrag sieht "normale gutnachbarliche Beziehungen" vor. Für die Bundesrepublik bleibt die Wiedervereinigung ein Auftrag des Grundgesetzes - auch wenn sich bis auf Weiteres niemand die Finger daran verbrennen will. Die DDR versucht, den westdeutschen Standpunkt einer fortbestehenden deutschen Nation zurückzuweisen. Eine Wiedervereinigung wird von der Staatsführung nur für den Fall in Aussicht gestellt, dass sich der Sozialismus in der Bundesrepublik durchsetzen würde - was höchst unwahrscheinlich ist. Hier der Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße in Mitte Anfang der 1970er Jahre zu sehen.
Bild: picture alliance/Zentralbild/D.Palm
Ein Bild wie eine dystopische Fototapete: Eine Berlinerin macht am 1. Januar 1976 einen Neujahrsspaziergang mit ihrem Hund auf der Rudower Höhe (heute: Dörferblick). Links kann man die Mauer und den Todesstreifen erkennen.
Bild: picture alliance/dpa
Eine Schrebergartenlaube in Berlin-West direkt an der Mauer, aufgenommen 1982. Die lange Dauer der Teilung führt mit der Zeit zu einer gewissen Akzeptanz des Status quo: Die Erinnerungen an ein geeintes Deutschland verblassen zunehmend.
Bild: imago images
Sowohl die Welt als auch viele Deutsche selbst gewöhnen sich an den Zustand der deutschen Teilung. Dieser Kreuzberger pflegt seine Balkonblumen mit Ausblick auf den Todesstreifen am Bethaniendamm. Es wirkt, als würde er die Mauer gar nicht mehr bewusst wahrnehmen - für ihn und die anderen Berliner ist sie Alltag.
Bild: picture alliance/SZ Photo/P.Glaser
Was Einheimischen wohl nicht mehr groß auffällt, ist für viele Touristen ein absurder Anblick: Das Brandenburger Tor (hier im Jahr 1984) liegt mitten in der Stadt - aber auch mitten im Grenzstreifen und ist darum für keinen zugänglich. Zu Beginn des Jahrzehnts sieht es noch immer aus, als würde sich daran nichts ändern. Doch langsam kommt etwas ins Rutschen.
Bild: Imago Images/Frank Sorge
Die Erfolge der unabhängigen polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarność, der neue sowjetische KP-Generalsekretär Michail Gorbatschow und seine Reformen von Perestroika und Glasnost - das alles erhöht den Druck auf die DDR-Führung. Hier feiern junge Ost-Berliner bei einem privat organisierten Punkkonzert am 18. Mai 1985 im Hirschhof in der Oderberger Straße.
Bild: dpa-Bildfunk/Roland Holschneider
Zugleich geht die Zahl der erfolgreichen Fluchtversuche deutlich zurück, auch deshalb, weil das Regime die Grenzsicherung verstärkt hat. Drei Beispiele von jungen Menschen, die es nicht geschafft haben: Marienetta Jirkowsky ist 18 Jahre alt, als sie 1980 bei einem Fluchtversuch an der Mauer bei Frohnau von DDR-Grenzern angeschossen wird. Sie stirbt am nächsten Tag. Ihre Familie darf keine Todesanzeige veröffentlichen. Silvio Proksch (21 Jahre) wird 1983 in Pankow von Grenzsoldaten angeschossen und verblutet, weil er keine medizinische Hilfe bekommt. Michael Schmidt (20 Jahre) stirbt 1984 nahe des S-Bahnhofs Wollankstraße, als ihn ein Soldat beim Versuch erschießt, mit einer Leiter über die Mauer zu klettern.
Bild: dpa-Bildfunk/Chris Hoffmann
Unzählige Fans versammeln sich zu einem Konzert des britischen Rockmusikers David Bowie am 06. Juni 1987 vor dem Reichstagsgebäude in West-Berlin. Obwohl die Bühne nach Westen ausgerichtet war, überquert die Musik die Mauer und erreicht die Ostseite, wo sich etwa 5.000 junge Menschen versammelt haben, um zuzuhören. Bowie, der zwei Jahre in Berlin gelebt hat, richtet bewusst eine Botschaft an sie: "Wir schicken unsere besten Wünsche zu all unseren Freunden, die auf der anderen Seite der Mauer sind." Diese Geste der Solidarität hat eine starke symbolische Bedeutung - und löst letztlich eine Gruppendynamik unter ostdeutschen Jugendlichen aus, die als "Pfingstunruhen von 1987" in die DDR-Geschichte eingehen wird.
Bild: picture alliance/dpa/C.Hoffmann
Die Aussichtstürme sind für viele im Westen nicht nur eine gute Möglichkeit, einen Blick in die "Zone" zu wagen: Weil die Ostler nicht rüber können, und manche Westler nicht in den Osten reisen können oder dürfen, winken sie sich hier zu. Aussichtsplattform mit Besuchern am Potsdamer Platz in West-Berlin. Links stehen Grenzbeamte hinter Absperrgittern. Aufnahme vom 1988.
Bild: picture alliance/dpa/DB M.Yilmaz
Nein, das sind keine "Stormtrooper" bei Krieg der Sterne - sondern mit Gasmasken und Kamera ausgerüstete DDR-Grenzsoldaten. Sie gucken am 21.06.1988 über die Mauer am Potsdamer Platz. Da bleiben ihr nur noch knapp eineinhalb Jahre, aber das ahnt damals keiner. Was überdeutlich ist: Die wirtschaftliche und politische Situation in der DDR verschlechtert sich zunehmend. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst, so wie die Zahl der Ausreiseanträge und Fluchtversuche.
Bild: picture alliance/akg-images/Pansegrau
Gorbatschows Reformen erhöhen den Druck auf die DDR-Führung, ebenfalls Veränderungen anzustoßen. Das ermutigt die Opposition und nährt Hoffnungen. Auch in Westdeutschland und international wächst die Erwartung, dass sich auch in der DDR etwas bewegen könnte. Hier machen zwei West-Berliner Amateurfotografen im Morgengrauen Schnappschüsse von einer Aussichtsplattform.
Bild: picture alliance/akg-images/L. M. Peter
DDR-Grenzpolizisten am Brandenburger Tor. Die Aufschrift zu ihren Füßen: "Erich gib doch endlich auf". Wahrend aber die Bürger Hoffnung durch die Veränderungen in der Sowjetunion schöpfen, reagiert das SED-Politbüro mit strikter Abgrenzung von Gorbatschow und beharrt auf dem Status Quo - was die Entfremdung zur Bevölkerung verstärkt. Am 4. September 1989 findet in Leipzig die erste offizielle Montagsdemonstration statt. Teilnehmer entrollen Transparente mit Forderungen wie "Für ein offenes Land mit freien Menschen" und "Reisefreiheit statt Massenflucht". Dann geht alles schnell, so schnell.
Bild: dpa/Sorge
Am Vormittag des 9. November überarbeitet die DDR-Führung unter dem Druck der Demonstrationen den Entwurf eines neuen Reisegesetzes. Um kurz vor 19 Uhr verkündet das Politbüromitglied Günter Schabowski überraschend, dass DDR-Bürger "ohne Vorliegen von Voraussetzungen" und "sofort, unverzüglich" ausreisen dürften. Gegen 20:30 Uhr treffen die ersten Ost-Berliner an den Grenzübergängen Sonnenallee, Invalidenstraße und wie hier Bornholmer Straße ein, um zu sehen, was los ist - und die Öffnung der Grenze zu fordern. Ohne eindeutigen Befehl öffnen die DDR-Grenzsoldaten tatsächlich mehrere Übergänge.
Bild: picture alliance/akg-images
Allmählich wird klar: Nach 28 Jahren ist die Teilung der Stadt Geschichte. Es wird eine Nacht, die niemand vergessen wird. Berliner aus beiden Teilen der Stadt stürmen die Mauer am Brandenburger Tor, umarmen sich, feiern gemeinsam. Millionen sitzen vor den Fernsehern und können nicht fassen, was sie da sehen.
Bild: picture alliance/ZB-Archiv
Der Platz hallt vom Klopfen der "Mauerspechte" wider, die mit Hämmern und Meißeln Teile der Mauer auf der Westseite bearbeiten. Um 0:20 Uhr werden etwa 30.000 Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) in "erhöhte Gefechtsbereitschaft" versetzt. Weil aber keine weiteren Befehle folgen, stellen die Kommandeure der Grenzregimenter diese Maßnahmen auf eigene Verantwortung ein. Von den Grenzübergängen strömen die Menschen zum Kurfürstendamm, der bis zum frühen Morgen in eine Partymeile verwandelt wird.
Bild: Picture Alliance/akg-images / NTB scanpix / Moen
In den nächsten Stunden und Tagen verstopfen Tausende Trabis die Straßen - wie der dieser Familie am Grenzübergang Bornholmer Straße, am 10. November. Wie diese Frau werden viele Menschen von ihren Gefühlen übermannt.
Bild: akg-images / Kai-Olaf Hesse
Am Nachmittag des 10. November gibt der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse eine bedeutsame Erklärung: Er betont, dass die Sowjetunion die Ereignisse in der DDR als eine interne Angelegenheit der neuen Führung und des Volkes betrachte und ihnen dabei vollen Erfolg wünsche. Am Potsdamer Platz begrüßen sich am gleichen Tag wildfremde Menschen.
Bild: picture alliance/dpa-Zentralbild/P.Glaser
Die euphorische Stimmung setzt sich in den folgenden Tagen fort, vor Banken in West-Berlin bilden sich lange Schlangen von DDR-Bürgern, die ihr Begrüßungsgeld abholen wollen. Tausende Menschen aus Ost und West strömen weiterhin über die offenen Grenzübergänge, wie hier an der Puschkinallee zwischen Kreuzberg und Treptow. Da sind bereits jede Menge Betonsegmente aus der Mauer herausgetrennt.
Bild: picture-alliance / dpa | Lehtikuva Oy
An das Danach denkt in diesen Tagen des Glücks kaum jemand. Viele machen sich keine Vorstellungen, was nun aus ihrem untergehenden Land wird - und wie ihre Zukunft aussehen soll, wenn sie vollkommen frei darüber entscheiden können. Die für viele ehemalige DDR-Bürger brutalen Verwerfungen und Verletzungen der Nachwendejahre wirken im Rückblick zu diesem Zeitpunkt unendlich weit entfernt - und sind es doch nur wenige Jahre.
Bild: IMAGO / imagebroker
Die DDR-Regierung erkennt schnell das wirtschaftliche Potenzial der Mauerteile: Im Dezember 1989 übernimmt "Limex", eine Firma des DDR-Außenhandelsministeriums, offiziell den Verkauf der Mauerreste. Bemalte Teile werden bei Auktionen versteigert, sie finden Käufer in der ganzen Welt. Im Sommer 1990 ist die einstige hochbewachte Mauer nur noch eine Ruine: Menschen spazieren auf Höhe der Heidelberger Straße im einstigen Todesstreifen. Bis Ende November 1990 werden allein in Berlin 184 Kilometer Mauer, 154 Kilometer Grenzzaun, 144 Kilometer Signalanlagen und 87 Kilometer Sperrgräben entfernt.
Bild: picture alliance/Eventpress Hohlfeld
Noch die kleinsten Bröckchen werden zu Souvenirs verarbeitet - wie hier auf Postkarten vor einem Souvenirladen am Pariser Platz. Echtheitszertifikat? Eher unwahrscheinlich.
Der Großteil der Mauer aber wird zu Bauschutt. Nach Schätzungen der Grenztruppenführung fallen rund 1,7 Millionen Tonnen davon an. Viele dieser Teile werden vermutlich im Straßenbau wiederverwendet. In der Bernauer Straße ist ein Stück Mauer 1998 für eine Gedenkstätte erhalten geblieben. Die meisten Touristen aber zieht es heute dazu an das nicht wiederzuerkennende, schicke (manche sagen auch neureiche) Spreeufer: Die 1,3 Kilometer hier heißen nun "East Side Gallery". Von Profis bunt bemalt, "instagramable" - wenig erinnert heute noch an den Schrecken und das Leid, das diese Schlange grauen Stahlbetons in Berlin verursacht hat. Von Sebastian Schneider, Julia Sie-Yong Fischer und Caroline Winkler | Mehr zur Berliner Mauer | 35 Jahre Mauerfall | Weitere Bildergalerien
Gefeiert wird die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze am 9. November 1989 auch außerhalb von Berlin und Brandenburg. Am Lappwaldsee fand am Morgen eine gemeinsame Feier von Sachsen-Anhalt und Niedersachsen statt.
Sendung: rbb24 Antenne Brandenburg, 09.11.2024, 13:00 Uhr
Nächster Artikel