Kulturtipps zum Mauerfall: Ausstellungen, Bücher und Filme zum 9 ...
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AUSSTELLUNGEN BÜCHER FILMEAuf dem Marktplatz Halle gehen am 7. und 9. Oktober 1989 hunderte Menschen auf die Straße, um ihrem Unmut und ihren Forderungen an das SED-Regime Ausdruck zu verleihen. Es kommt zur gewaltsamen Niederschlagung der Proteste und zu zahlreichen Verhaftungen. Diese Ereignisse im Herbst '89 waren Ausgangspunkt der interaktiven Ausstellung "Wendepunkt 89", die bis Ende August in der halleschen Marktkirche zu sehen war. Auch Teil der Ausstellung war ein Audiowalk, der immer noch verfügbar ist. Interessierte können dabei an mehreren Stationen einer Gruppe Protestierender auf ihrer Mission durch die Stadt folgen und so die Geschehnisse und Hintergründe des Protestabends erleben.
Der Audiowalk ist jederzeit mit dem eigenen Handy durchführbar – weitere Informationen auf der Webseite der Ausstellung "Wendepunkt 89".
Die Ausstellung "Wendepunkt 89" wurde von Studentinnen des Masterstudiengangs "Angewandte Medien- und Kulturwissenschaft" der Hochschule Merseburg konzipiert.
Auf dem etwa 30 Hektar großen ehemaligen Kontrollareal bei Marienborn können Besucherinnen und Besucher die historischen Abfertigungsbereiche für die in die DDR einreisenden Autos, den Zollbereich sowie die Wechselstube der DDR-Staatsbank und den Kommandantenturm der Grenztruppen besichtigen. Zur Gedenkstätte gehören zudem weitere historische Funktionsgebäude wie das Heizhaus, die Trafostation, die Veterinärkontrolle und ein Garagenkomplex.
Die Dauerausstellung im Besucherzentrum mit dem Titel "Die DDR-Grenzübergangsstelle Marienborn. Schauplatz des Ost-West-Konflikts im geteilten Deutschland" informiert über die Geschichte des historischen Ortes und widmet sich den Todesopfern an der innerdeutschen Grenze sowie gescheiterten und gelungenen Fluchten.
"Die DDR-Grenzübergangsstelle Marienborn. Schauplatz des Ost-West-Konflikts im geteilten Deutschland" – Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn
Adresse:
An der Bundesautobahn 2
39365 Marienborn
Öffnungszeiten:
Das Außengelände und die neue Dauerausstellung sind täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Auch Führungen sind möglich.
Der Eintritt ist kostenlos.
Bautzen im Herbst 1989: Als Teenagerin demonstrierte Bettina Renner mit ihren Freunden aus der Kirchgemeinde gegen die kommunistische Tyrannei in der DDR. In ihrem Sachbuch "Bautzen im Dazwischen" dokumentiert sie nun, über 30 Jahre später, die Lebensläufe von Bautzener Bürger*innen in der Endphase des SED-Regimes. Dafür führte die Bautzener Künstlerin viele Interviews, beispielsweise mit ihrem eigenem Vater oder einer Dramaturgin des Deutsch-Sorbischen Volkstheater, und zeichnet so eine packende Chronik über eine "Ära der Lethargie".
Bettina Renner: "Bautzen im Dazwischen – Vom Ende der DDR zum Aufbruch in eine neue Zeit"
(Buchreihe des Sächsischen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)
Erschienen bei Evangelische Verlagsanstalt
200 Seiten
ISBN: 978-3374071081
Die DDR und Nachwendejahre gehören für den 29-jährigen Görlitzer Autor Lukas Rietzschel zu den wichtigsten Themen in seinem Leben und Schreiben. In seinem jüngsten Roman "Raumfahrer" erzählt er eine Familiengeschichte vor dem Hintergrund der deutschen Teilung. Jan, ein Krankenpfleger aus der Lausitz, sucht nach Antworten auf Fragen, über die seine Eltern immer geschwiegen haben: War seine Mutter Inoffizielle Mitarbeiterin der Staatsicherheit? Ist er mit dem berühmten Maler Georg Baselitz verwandt? Jans Eltern stehen stellvertretend für eine Generation, die unfähig ist, über ihre Rolle in der DDR-Geschichte zu sprechen; aber auch für all jene, die nie richtig im Westen angekommen zu sein scheinen und die sich im neuen Land nicht angenommen fühlen. Auch darüber schreibt Rietzschel – changierend zwischen Humor, Resignation und Wut.
Lukas Rietzschel: "Raumfahrer",
Roman erschienen im Verlag dtv
287 Seiten
ISBN: 978-3-423-28295-6
Das Jahr 1989 hat sich in die Erinnerung der meisten Menschen eingebrannt. Dabei ist das Jahr 1990 das eigentliche Jahr der Veränderungen, in dem ein Wandel von einem System zu einem anderen stattfand. Dieser besonderen Stimmung wollte Jan Wenzel in seinem Buch "Das Jahr 1990 freilegen" nachspüren. "Auf fast 600 großformatigen Seiten, von denen keine der anderen gleicht, saugt uns diese suggestive Text-Bild-Montage förmlich mit Haut und Haaren in die Vergangenheit – und ist doch hoch aktuell", meint MDR KULTUR-Literaturkritiker Nils Kahlefendt.
Jan Wenzel: "Das Jahr 1990 freilegen"
Spector Books Leipzig
592 Seiten
ISBN: 9783959053198
Dass der Westen sich über dreißig Jahre nach dem Mauerfall noch immer als Norm definiert und den Osten als Abweichung, will der Leipziger Germanistikprofessor Dirk Oschmann mit seinem Buch zeigen. Es trägt den Titel "Der Osten: eine Erfindung des Westens". Der 1967 in Gotha geborene Autor führt darin viele Beispiele für seine These an – harte statistische Fakten stehen neben persönlichen Erlebnissen, in denen die materielle und verbale Herabwürdigung der Ostdeutschen kenntlich werden. Der Osten stehe für den Westen prinzipiell für das Rückständige und Unkultivierte; er sei gar unreif für die Demokratie. Oschmann spricht von 30 Jahren "kollektiver Diffamierung, Diskreditierung, Verhöhnung und eiskalter Ausbootung". Das Buch ist nicht nur ein eindrückliches Zeugnis aufgestauter Wut – sondern auch ein wichtiger Beitrag über die anhaltende Debatte um die Einheit und Wiedervereinigung.
Dirk Oschmann: "Der Osten: eine westdeutsche Erfindung"
Ullstein Verlag, 2023
224 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-550-20234-6
Grit Lemke ist vielen als Regisseurin des Films "Gundermann Revier" bekannt. Aufgewachsen ist die Künstlerin in Hoyerswerda. Für ihren dokumentarischen Roman "Kinder von Hoy" hat sie mit zahlreichen Menschen gesprochen. Gemeinsam erinnern sie sich an ihr Aufwachsen in der sächsischen Stadt.
In ihrem Buch "Kinder von Hoy" bricht Lemke mit Klischees, etwa dass für Kinder in den Plattenbauten der DDR alles ganz schrecklich gewesen sein müsse. Überall – ob in Suhl, in Riesa oder in Dessau – bedeutete es Freiheit, durch die noch unfertigen Viertel zu ziehen. Aber die Autorin beschreibt auch die Ernüchterung, die später einsetzte und die letztlich in die berüchtigten rassistischen Ausschreitungen mündete, die Lemke auch in dem Film "Hoyerswerda '91" mit aufarbeitete. "Kinder von Hoy" ist eines der besten Bücher, die über den Osten geschrieben wurden, sagt MDR KULTUR-Literaturkritiker Matthias Schmidt.
Grit Lemke: "Kinder von Hoy. Freiheit, Glück und Terror"
Suhrkamp Verlag
255 Seiten
ISBN: 978-3-518-47172-2
Der Roman "Die Verlassenen" von Matthias Jügler erzählt, wie die DDR in den Biografien der Generation nachwirkt, die sie nur als Kind erlebt hat. Johannes, der Ich-Erzähler des Romans, wurde 1981 geboren und hat seine Mutter verloren, als er fünf war. Sein Vater verlässt ihn 1994. Auf der Suche nach den Gründen entdeckt er, dass die Mutter von einem Stasi-IM vor ein Auto gestoßen wurde. Trotz seiner Kürze bietet der Roman auf 170 Seiten viele Spuren: Hat die Stasi auch Johannes' Vater umgebracht? Ist das Gefühl des Verlassen-Seins am Scheitern von Johannes' Beziehung Schuld? Kann er nach der Begegnung mit dem Stasi-IM in Norwegen ein neues Leben beginnen?
Matthias Jügler: "Die Verlassenen"
Penguin Verlag 2021
176 Seiten, gebunden
ISBN: 978-332860-161-6
DDR-Schriftstellerin Brigitte Reimann starb 1973 mit 39 Jahren früh an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Ihr Schaffen wirkt jedoch bis heute. Bekannt wurde sie mit dem Roman "Franziska Linkerhand", aber Reimann schrieb auch immer viele Briefe an ihre Familie. Mehr als 45 Jahre später ist der Briefwechsel mit den Geschwistern erschienen. In den ausgewählten Briefen streitet die überzeugte DDR-Bürgerin mit ihrem Bruder, der mit seiner jungen Familie nach Hamburg geflohen war, über die Fehler des sozialistischen Staates – vielleicht ein Sinnbild für den Kalten Krieg. Aber auch die Sorgen im kleinen Staat spielen in den Briefen mit der jüngeren Schwester Dorothea eine Rolle. Ein spannendes Zeitdokument der Deutschen Teilung.
Brigitte Reimann: "Post vom schwarzen Schaf. Geschwisterbriefe"
Herausgegeben von Heide Hampel und Angela Drescher
Aufbau Verlag
416 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-351-03736-9
Kuscheltiere und Puppen der Vereinigte Spielwarenwerke Sonneberg waren nicht nur in der DDR weit verbreitet. Auch im Ausland waren die Spielwaren aufgrund ihrer hohen Qualität sehr beliebt. Nach der Wiedervereinigung hat die Firma dennoch nicht überlebt: Die Produktion wurde ins Ausland verlagert und die Qualität konnte wegen schlechter Finanzierung nicht mithalten. Doch die Geschichte des Spielzeug-Herstellers reicht noch weiter zurück.
Die Autorin Kati Naumann geht dieser Geschichte nach und hat lange recherchiert. In ihrem Roman "Wo wir Kinder waren" lässt sie auch die Nachkommen der Gründerfamilie fiktiv in der Geschichte graben. Torsten Unger von MDR Thüringen war begeistert: "Durch den erzählerischen Trick, dass die Nachfahren durch das Stammhaus gehen, um es zu entrümpeln, heben wir als Leser mit Schicht für Schicht von der Historie und entdecken ein interessantes Stück Thüringer Industiegeschichte."
Kati Naumann: "Wo wir Kinder waren"
HarperCollins
496 Seiten
ISBN: 978-3-749-95000-3
Als Thomas Brasch sich bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises für seine Ausbildung in der DDR bedankte, war das ein Skandal. Der Dichter und Filmemacher reiste 1976 im Zuge der Debatte um die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus und lebte in Westberlin. Der Regisseur Andreas Kleinert hat dem Dichter 2021 mit "Lieber Thomas" ein Porträt zum 20. Todestag gewidmet. In dem Spielfilm übernimmt Albrecht Schuch, der in Jena aufgewachsen ist und als europäischer "Shooting Star" ausgezeichnet wurde, die Rolle des Schriftstellers.
"Lieber Thomas"
Regie: Andreas Kleinert
Mit: Albrecht Schuch, Jella Haase, Peter Kremer
Deutschland, 2021
Der Film ist auf diversen Streamingportalen kostenpflichtig abrufbar.
Die Mauer hat lange Schatten geworfen und das Leben vieler Menschen massiv und nachhaltig beeinflusst. In der Doku "Kinder der Mauer" erzählen Menschen, was die Grenze für ihr Leben bedeutete. Dabei geht es um zerrissene Familien und zerstörte Existenzen. Thema ist beispielsweise die aufwühlende Lebensgeschichte der Ostberlinerin Liane Weinstein, die im Alter von drei Monaten von ihren Eltern getrennt wird. Sie und ein gutes Dutzend weiterer Menschen erzählen ihre außergewöhnliche Geschichte, teilweise zum ersten Mal.
Die Anthologie-Serie "Charité" erzählt die Geschichte des Berliner Krankenhaus Charité und widmet sich in jeder Staffel einer Epoche. Die dritte Staffel erzählt von den 60er-Jahren, als die Mauer gerade errichtet wurde. Die Episoden beziehen sich immer wieder auf politische und zeitgeschichtliche Umstände: so wird beispielsweise der erste Mauertote obduziert. Außerdem gibt es zahlreiche historisch verbürgte Personen, wie die Kinderärztin Dr. Ingeborg Rapoport. Eine sehenswerte Staffel, urteilt Filmkritikerin Anna Wollner.
Die dritte Staffel von "Charité" besteht aus sechs Folgen
Gemeinsame Produktion von Ufa Fiction und MDR
Regie: Christine Hartmann
Unter anderem mit: Nina Gummich, Nina Kunzendorf, Philipp Hochmair, Uwe Ochsenknecht, Max Wagner, Franz Hartwig
Alle Folgen und die früheren Staffeln sind auf diversen Streamingportalen kostenpflichtig verfügbar.
08. November 2023, 13:42 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 08. November 2021 | 08:40 Uhr