Tod von Matthew Perry: Wie gefährlich ist die Behandlung mit ...

Fünf Stunden bevor Matthew Perry tot in seinem Whirlpool gefunden wurde, spielte er noch Pickleball. Das geht laut der „New York Times“ aus Zeugenbefragungen hervor, deren Ergebnisse am Freitag zusammen mit dem Obduktions­bericht der Gerichtsmedizinbehörde von Los Angeles veröffentlicht wurden. Demnach machte der 54 Jahre alte Schauspieler am 28. Oktober um 11  Uhr Sport; um 13.37 Uhr verließ sein Assistent das Haus von Perry. Er fand den „Friends“-Star bei seiner Rückkehr um 16 Uhr mit dem Gesicht nach unten im Whirlpool treibend.

Da Perry zuvor offen über seine jahrzehntelange Alkohol- und Rausch­giftsucht gesprochen hatte, wurde danach spekuliert, dass ein Rückfall die Todesursache sein könnte. Kokain oder Alkohol wurden aber nicht in Perrys Blut gefunden: Dafür sehr viel Ketamin.

Ketamin-Produkte sind nicht risikofrei

Laut dem Gerichtsmediziner starb Perry an den Auswirkungen dieses Narkosemittels, das auch als Partydroge missbraucht wird, hinzu seien unter anderem Ertrinken, eine Herzkrankheit und die Auswirkungen von Buprenorphin, ei­nem Mittel zur Behandlung von Opioid-Abhängigkeiten, gekommen. Sein Tod sei ein Unfall gewesen. Während Perry Buprenorphin laut dem Bericht in therapieüblichen Men­gen genommen hatte, wurde so viel Ketamin in seinem Blut gefunden, wie man es normalerweise während einer Vollnar­kose verwendet. Das Ketamin habe zu einer Überlastung des Herzens und einer Atemlähmung geführt.

Aus dem Bericht der Gerichtsmedizin geht auch hervor, dass sich Perry wegen Depressionen und Angst­zuständen einer Ketamin-Therapie un­terzogen hatte. Die letzte Sitzung vor seinem Tod sei allerdings schon eineinhalb Wochen her gewesen, das Ketamin hätte also längst abgebaut sein müssen. Die amerikanische Arzneimittelbehörde F.D.A. hatte im Oktober erst vor dem Missbrauch von Ketamin zur Behandlung psychischer Erkrankungen gewarnt: Patienten, die sich Ketamin-Produkte über Telemedizin-Plattformen im Internet besorgten, um sie allein zu Hause zu benutzen, fehlten oft wichtige Informationen über die Risiken dieser Pro­dukte. Was sind das für Risiken?

Andreas Jähne ist Ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura in Bad Säckingen und behandelt als Psychiater seit 2015 Patienten, die un­ter Depressionen und Angststörungen leiden, mit Ketamin. Für eine Behandlung infrage kämen Betroffene, bei de­nen andere Medikamente keinen Effekt gezeigt hätten, und solche, die sehr schnell Hilfe bräuchten, also zum Beispiel Notfallpatienten mit drängenden Suizidgedanken, sagt er.

Das Ketamin werde dann unter ärztlicher Aufsicht entweder per Nasenspray oder intravenös per Tropf verabreicht. „Beides muss sehr genau dosiert werden“, sagt Jähne. Man taste sich in kleinen Schritten an eine wirksame Dosis heran. „Uns geht es darum, dass der Rauscheffekt eintritt, dafür reicht eine niedrige Dosis. Was wir nicht wollen, ist eine Narkose. Das ist aber die Gefahr, wenn man es zu hoch dosiert.“ Bei seinen Patienten soll ein Gefühl des Schwebens, „des angenehmen Freiseins“, erreicht werden, das sie zumindest vorübergehend aus der Depression befreie. Wiederhole man die Behandlung regelmäßig, könne die­ser Effekt anhalten. Manchmal müsse die Behandlung aber auch schon abgebrochen werden, bevor der leichte Rauscheffekt einsetze, weil die Nebenwirkungen – Bluthochdruck und Mü­digkeit – zu stark sind.

„Es kann falsche Hoffnungen wecken“

Dass bei Perry eine so hohe Dosis im Blut gefunden wurde, nachdem er allein zu Hause war, bezeichnet Jähne als „Wahnsinn“. „So etwas ist hochgradig gefährlich ohne medi­zinische Überwachung. Bei einer Nar­kose kann es zum Atemstillstand kommen, da brauchst du eine Intensivstation zur Sicherheit.“ Jähne erinnert an Michael Jackson, der an einer Überdosis des Narkosemittels Propofol starb. „So ist das oft bei Substanzmissbrauch: Man fängt mit einer ungefährlichen Dosis an und will dann immer intensivere Räusche haben, bis es irgendwann kritisch wird.“ Sehr gefährlich sei auch ein Mischkonsum.

Ob man depressive Patienten, die auch süchtig sind, mit Ketamin behandle, sei eine Einzelfallentscheidung. Es könne auch bei der Suchtbekämpfung helfen, wenn die Depression besser werde und ein Süchtiger diese vorher mit illegalen Substanzen versucht habe zu lindern, sagt Jähne. Grundsätzlich sei Ketamin aber kein Wundermittel: „Es kann auch falsche Hoffnungen wecken. Bei psychischen Krankheiten müssen immer mehrere Behandlungsansätze kombiniert werden.“

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