Anschlag in Magdeburg: Das ist über den mutmaßlichen Täter bekannt
Bei dem Mann handelt es sich um einen 50-Jährigen, der aus Saudi-Arabien stammt. Er stammt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudi-Arabiens. Er sei Schiit gewesen und lebt seit 2006 in Deutschland.
In Saudi-Arabien gelten nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung als schiitisch. Das Land ist mehrheitlich sunnitisch geprägt. Es gibt immer wieder Berichte über Diskriminierungen gegenüber Schiiten im Land.
Der 50-Jährige arbeitet in der Salus-Klinik in Bernburg im Salzlandkreis als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Die Klinik bestätigte am Samstagvormittag entsprechende MDR-Informationen. Der Mann war demnach seit 2020 im Maßregelvollzug für suchtkranke Menschen beschäftigt, zuletzt aber als arbeitsunfähig gemeldet gewesen. Seit wann, dazu wollte eine Sprecherin im MDR-Interview keine näheren Angaben machen.
Der mutmaßliche Täter sei 2006 erstmals nach Deutschland eingereist und verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel, hatte am späten Freitagabend Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) erklärt. Nach bisherigen Erkenntnissen war der Verdächtige den Behörden nicht als Islamist bekannt.
Nein, keine gesicherten. Allerdings erklärte der Leiter der Magdeburger Staatsanwaltschaft, Horst-Walter Nopens, am Samstagnachmittag, "Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudiarabischen Flüchtlingen" könne der Auslöser der Tat gewesen sein. Der 50 Jahre alte mutmaßliche Täter wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft von Samstagnachmittag aber noch vernommen.
Nach MDR-Informationen soll der mutmaßliche Täter eine wichtige Rolle dabei gespielt haben, Asylsuchende aus Saudi-Arabien, insbesondere Frauen, zu unterstützen. Darüber hinaus soll er kürzlich in sozialen Netzwerken Äußerungen getätigt haben, die Hinweise darauf liefern, dass er sich verfolgt gefühlt haben könnte. Außerdem positionierte er sich im Netz sehr islamkritisch und fürchtete eine Islamisierung Deutschlands.
Wie bewerten Terror-Experten die Tat?Der ARD-Terrorexperte Holger Schmidt nannte die Einstellungen des Arztes im Gespräch mit dem MDR "sehr irritierend". Der mutmaßliche Täter habe sich früher mit fundamentaler Islam-Kritik geäußert. Deshalb sei es paradox, wenn er jetzt in den Verdacht komme, aus islamistisch-terroristischen Motiven diese furchtbare Tat begangen zu haben. Es scheine sehr deutlich, dass da irgendetwas anders sein müsse.
Wie MDR-Recherchen zeigen, ist der mutmaßliche Täter offenbar Unterstützer der AfD. Das zeigen mehrere Posts im sozialen Netzwerk "X", deren Echtheit dem MDR bestätigt wurde und über die am Samstagmorgen auch der "Spiegel" berichtet. Im Sommer teilte er einen Tweet von AfD-Chefin Alice Weidel und schrieb dazu: "Die Linken sind Verrückt. Wir brauchen AFD, um die Polizei vor sich zu schützen." Viele der Posts sind inzwischen gelöscht.
Den Informationen zufolge hatte der Mann vor rund einem Jahr außerdem einen mittlerweile gelöschten Post veröffentlicht, in dem er schrieb, der deutsche Staat verfolge Flüchtlinge aus Saudi-Arabien, um deren Leben zu zerstören. Der mutmaßliche Täter soll in besagtem Post demnach "bald die Rache" angekündigt haben. Das berichtete am Freitagabend auch die Zeitung "Welt".
Nach aktuellen Erkenntnissen ja. Das untermauerten die Beamten am frühen Samstagmorgen MDR SACHSEN-ANHALT. Hinweise, nach denen ein zweiter, möglicherweise tatrelevanter Pkw in der Innenstadt gesichtet wurde, haben sich demnach nicht bestätigt.
Nach der Tat in Magdeburg hatten sich am Freitagabend Gerüchte in sozialen Medien verbreitet, nach denen es nach der Amokfahrt Schüsse an mehreren Orten gegeben haben soll. Die Polizei dementierte das noch in der Nacht.
In welchem Zusammenhang stehen Durchsuchungen der Polizei in Bernburg?Im Zuge der Ermittlungen um den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg haben Polizisten auch mehrere Objekte in Bernburg durchsucht. Das bestätigte eine Sprecherin MDR SACHSEN-ANHALT am frühen Samstagmorgen. Nach Angaben von Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) wohnt der mutmaßliche Täter in der Stadt im Salzlandkreis.
Ein Nachbar beschrieb den Mann im MDR-Interview als sehr zurückgezogen und verschlossen. Man habe natürlich gewusst, dass er Arzt im Fachklinikum Salus sei. Man habe ihn mal in der Stadt beim Einkaufen gesehen. "Aber für mich war es ein ganz normaler Nachbar, ein ganz normaler Bürger." Es sei eine beängstigende Situation, vor allem, weil man drei Jahre mit diesem Menschen in einem Haus gewohnt und gar nichts über ihn gewusst habe. "Und jetzt kommt raus nach über drei Jahren, dass dieser Mensch mehrere Menschen umgebracht hat, mehrere Menschen verletzt hat, was mich persönlich sehr traurig macht." Weiter sagte der Nachbar: "Der Mann ist doch hierher geflohen, weil er dem Islam den Rücken gekehrt hat. Man versteht das eigentlich nicht so wirklich."
Das wird eine der großen Fragen sein, die die Ermittlungsbehörden nun klären müssen. Denn die Behörden in Deutschland sind offenbar vor dem Mann gewarnt worden: Das berichtete am frühen Samstagmorgen zunächst die Nachrichtenagentur Reuters und verwies zur Begründung auf extremistische Ansichten, die der Mann auf "X" geteilt hatte. Inzwischen meldet auch die Deutsche Presse-Agentur, Saudi-Arabien habe Deutschland vor dem mutmaßlichen Täter gewarnt. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt, darauf habe Deutschland nicht reagiert, hieß es.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatte es vor rund einem Jahr eine Art Warnhinweis zu dem Mann an die deutschen Behörden gegeben. Bundesinnenministerin Faeser sagte dazu am Samstag lediglich, derzeit liefen die Ermittlungen.
Wird jetzt der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich ziehen?Das ist aktuell noch offen. Bundesjustizminister Volker Wissing (parteilos) sagte am Samstag vor Ort in Magdeburg, der Generalbundesanwalt habe noch Freitagabend ein Lagezentrum eingerichtet. Die nächsten Schritte würden mit Hochdruck geprüft. Es werde so schnell wie möglich eine Entscheidung geben. Bis Samstagnachmittag (17 Uhr) hatte der Generalbundesanwalt die Ermittlungen noch nicht an sich gezogen.
Der Generalbundesanwalt sitzt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Zu seinen Aufgaben zählen unter anderem staatsanwaltschaftliche Ermittlungen bei Angelegten des Staatsschutzes. Auch ist der Generalbundesanwalt für die Verfolgung terroristischer Vereinigungen zuständig.
Reuters, dpa, MDR (Engin Haupt, Dominik Knauft, Jana Merkel, Lucas Grothe, Luca Deutschländer)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. Dezember 2024 | 12:00 Uhr