Nachruf zum Tod von Lutz Hachmeister: Dompteur der „Telepolitiker“

Lutz Hachmeister

Auch wenn er sie als eine „Art politische Dauerkonferenz“ bezeichnete, einen wie Lutz Hachmeister wünscht man sich weiterhin für jedes nervöse Talkshowformat. Nicht nur, weil seine Einlassungen auf einem breiten und soliden Wissensfundament gründeten, sondern weil der umtriebige Kommunikationswissenschaftler und vielseitig interessierte Publizist aus Minden soviel Gelassenheit vor der Kamera ausstrahlte, dass sich in seiner Gegenwart selbst der von ihm so bezeichnete Typ des „Telepolitikers“ plötzlich zurücknahm und Heiß­sporne aller Art sich mäßigten.

Als Journalist – unter anderem beim Berliner „Tagesspiegel“, dem Evangelischen Pressedienst, beim Fachblatt „medium“ und im WDR – schlug er selbst auch gern lautere Töne an: Medienpolitische Vorgänge schrieb er für das (verblichene) Wochenblatt „Die Woche“ auf und erreichte damit zahlreiche interessierte, mitunter auch aufgebrachte Leser: Als er 1993 Spuren von „faschistischer Ästhetik“ in der Aufmachung der ARD ausmachte, schlug ein pikierter Jobst Plog, der damalige ARD-Vorsitzende, Hachmeisters Einladung zum zwanzigjährigen Bestehen des Grimme-Institutes glatt aus und bezeichnete die Vorwürfe als „pöbelhaft“. Auch später, als Hachmeister längst ein etablierter Publizist war, dürften dem „Spiegel“ seine Recherchen zu den Alt-Nazis in den Reihen des Blattes einigermaßen schwer im Magen gelegen oder zumindest das höchst selbstgewisse Selbstverständnis ein wenig durchgerüttelt haben.

Nicht nur behauptete, sondern aufrichtige Begeisterung

Das Grimme-Institut in Marl, wo man sich schon länger Gedanken zur „Nutzung des Fernsehens als Lehr- und Lernmedium“ machte, leitete Hachmeister für sechs Jahre, von 1989 bis 1995. Doch schon bald juckte es ihn, der nebenher noch die Leitung der „Cologne Conference“ stemmte, selbst Fernsehen zu gestalten. Sein Dokumentarfilm „Schleyer – Eine deutsche Geschichte“ wurde im Jahr 2004 mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Für „Freundschaft – Die Freie Deutsche Jugend“ bekam er den Deutschen Fernsehpreis. Seinem Film „Das Goebbels-Experiment“, den er zusammen mit Michael Kloft produzierte und der sich vornehmlich aus Originalaufnahmen und Tagebuchtexten (gelesen von Udo Samel und in der englischen Version von Kenneth Branagh) zusammensetzt, wurde vorgeworfen, politische nicht Stellung zu beziehen, weil er ohne kommentierende Leitplanken aus Experten-Einlassung und Zeitzeugeninterviews auskam. Die mit einem fast schon neutralen Porträt des Reichspropagandaministers verbundenen Rezeptionsrisiken konnte Hachmeister und Kloft wenig anhaben; sie setzten auf subtile Kommentare durch die Auswahl ihres Bildmaterials.

Vielseitigkeit und seine nicht nur behauptete, sondern aufrichtige Begeisterung für alles, was menschliche Wahrnehmung formt, zeichnet den Medienschaffenden und -betrachter Lutz Hachmeister aus. Im eher Unscheinbaren entdeckte er Großes – so wie in seinem Buch über das gern unterschätzte Hannover, das er 2015 als „deutsches Machtzentrum“ beschrieb, in dem sich das politsche System nicht zuletzt durch „Erbfreundschaften“ fortpflanzt.

Hachmeister, der 2005 über all seine Tätigkeiten hinweg noch das gemeinnützige Institut für Medien- und Kommunikationspolitik mit Sitz in Köln gründete und anführte, war auf so vielen Ebenen aktiv, dass ein Leben dafür kaum zu reichen schien. Und all das gelang ihm, ohne sich je – oder jedenfalls nicht nachhaltig – zu verzetteln. Sein Händchen für Themen- und Debattengestaltung wird in einem durch verstärkte Egofriktionen heißgelaufenen Medienbetrieb fehlen. Lutz Hachmeister ist am 26. August gestorben – zwei Wochen vor seinem 65. Geburtstag.

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